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Dort unten im Tal
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Sloweniens Kurorte: Thermenarchitektur zwischen Erlebnisbädern für Familien und Erholungsoasen für Ruhesuchende. Beispiel „Rimske Terme“: über die Vereinbarkeit eines Neubaus mit bereits Bestehendem.

23. Juli 2011 - Iris Meder
Zu Zeiten der Donaumonarchie waren die Kurorte der Untersteiermark wie Rohitsch-Sauerbrunn (Rogaška Slatina), Tüffer (Laško) und Radein (Radenci) selbstverständliche Teile imperialer Sommerfrische. Nach eher lokaler Bedeutung während der sozialistischen Dekaden haben Sloweniens Kurorte in den letzten Jahren begonnen, auf qualitätvolle Architektur zu setzen und damit auch ein anspruchsvolleres internationales Publikum anzusprechen.

Der Kurbezirk von Podčetrtek nannte sich seines schwach radioaktiven Heilwassers wegen einst Atomske Toplice, Atombad. Der heute wohl dem Tourismus nicht sonderlich förderliche Name wurde mittlerweile durch Olimia ersetzt – die weitaus wohlklingendere alte Bezeichnung für den Ortsteil, der heute ein Sammelsurium von Bauten der letzten 40 Jahre darstellt. Das in den Achtzigerjahren in postsozialistischem pseudo-postmodernem Pragmatismus gebaute Kurbad „Termalija“ ließ bereits 2004 eine Investorengesellschaft mit geringem Budget vom jungen slowenischen Architekturbüro Enota mit einer Art Umbauung versehen, die das Bad selbst zwar nicht veränderte, aber um Ruhezonen und damit um spürbare räumliche Qualität bereicherte.

Im Zusammenhang mit dem Thermenumbau realisierten die Architekten für dieselben Auftraggeber vor Ort auch einen mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichneten Hotelbau und eine 2009 eröffnete weitere Therme, die in Anspielung auf die mehr als 40 in der Umgebung wachsenden Orchideenarten den Namen Orhidelia erhielt. Wie das Hotel verfolgt das Thermalbad die Strategie, die landschaftlich reizvolle Umgebung nicht durch Hochbauten zusätzlich zu verunklären, und gräbt sich als eine Art verglaste Gletscherspalte in das begrünte Terrain. Vor dem Hintergrund des vor den Wald gestellten rostroten Hotelbaus sind die nichts weiter als der Entspannung gewidmeten, durch räumliche Zonierung Intimität schaffenden Becken in der von baumartigen Stützen getragenen Thermenhalle mit blassroséfarbenem Glasmosaik ausgekleidet. „Interpassiv“ nennt der planende Architekt Dean Lah das Entspannungsbad mit einem von Slavoj Žižek geprägten Begriff.

Durch eine leuchtend rote Sport- und Mehrzweckhalle und ein mit einer quasi-organischen Metallstruktur umfangenes Besucherparkhaus gewinnt der Kurbezirk von Podčetrtek allmählich eine eigene architektonische Identität. Die Therme im nordslowenischen Kranjska Gora nimmt mit ihrem kompakten, mit Holzlatten verkleideten Baukörper Motive der tradierten lokalen Bauernhausformen auf.

Während in Laško vor einigen Jahren eine große neue Familien-Erlebnistherme mit Riesenrutsche und öffenbarem Glasdach gebaut wurde, setzt der südliche Nachbarort Rimske Toplice auf Ruhe und stilvolles Relaxen. Direkt an der Bahnlinie Wien-Ljubljana liegt das Dorf im lieblichen Tal des Flüsschens Savinja. Fernzüge, die in Laško zwischen Großbrauerei und Therme halten, durchfahren den traditionsreichen kleinen Kurort Rimske Toplice. Zur Anreise steigt man in den stündlich verkehrenden Nahverkehrszug um, der freundliche Bahnhofsvorsteher weist mit dem Zeigefinger den kurzen Weg über ein Brückchen und bergan zum nahen Kurbereich.

Aus der Anfangszeit des ab 1840 ausgebauten Kurbezirks, den einst Zelebritäten von Franz Grillparzer über Kaiserin Elisabeth bis zu Queen Victoria mit ihrer Anwesenheit beehrten, haben sich zwei noble Hotels in privilegierter Halbhöhenlage mit grandiosem Blick über das Tal erhalten. Wo man zwischen ihnen früher in einem Thermalfreibecken Heilung suchte, hat ein weiteres der erfolgreichen Generation junger slowenischer Architekten angehörendes Büro, Arhiveda, mit den verantwortlichen Architekten Rafko Napast und Nataša Marš Napast vor einiger Zeit mit großer Sensibilität einen dritten Hotelbau gesetzt. Neben der Infrastruktur aller drei zusammen als „Rimske Terme“ betriebenen Hotels nimmt der Neubau auch ein großes Thermalbad mit Therapieabteilung auf. Der mit tiefen, großen Sonnenterrassen den Nordhang hinunter gestaffelte Bau kostet die panoramatische Lage aus. Mit seiner der weitgehend verglasten Front vorgesetzten olivgrünen Metallgitterstruktur macht er sich aber zugleich in der Landschaft fast unsichtbar und wirkt damit in seiner Architektur beinahe schon übertrieben bescheiden.

Innen sind die großen Volumen des Neubaus auf weite, offene Flächen verteilt, die überall Grünblick und einen Bezug zur Umgebung haben. Ein besonderer Logenplatz ist die Caféterrasse mit ihren Sonnensegeln und skandinavisch-leichter Möblierung, die einen Rundblick auf Kurpark, Tal, Berge, Wälder und die Freibecken des Thermalbades bietet. Zusammen mit dem Neubau unterzog man auch die beiden historischen Hotels einer kompletten Überarbeitung, sodass sie sich nun als stilistisch einheitlich mit dem Neubau präsentieren. Alles ist bis ins Detail geprägt von großzügigen räumlichen Zusammenhängen und konsequenter Sensibilität in der Materialwahl.

Überraschend ist der teilweise introvertierte Charakter des Kurbades, das zwei mit grauen Kunststeinplatten verkleidete atriumartige Höfe als Ruhezonen ausbildet. Offene Emporen verbinden die Höfe mit der ebenfalls in steinernem Hellgrau gehaltenen Thermenhalle. Das für den Ort namensgebende Thema der römischen Antike ist dort mit zwanglos gestapelten und gegeneinander verschobenen quadratischen Öffnungen paraphrasiert, in denen die Badegäste auf leuchtend farbig bezogenen Schaumstoffmatten ruhen und die Blicke in alle Richtungen schweifen lassen können. Weitere Farbtupfer sind die irisierenden Keramikmosaikbecken und Wände der Duschen, Saunen, Dampfbäder und Whirlpools. Das alles lässt in seiner immer wieder gebrochenen und ironisierten Strenge ein wenig an die Bauten David Chipperfields denken, der in den letzten Jahren unter anderem einige Kaufhäuser in Österreich realisiert hat. Die spannungsreiche Heterogenität von Innen und Außen macht die Therme von Rimske Toplice zu einem der interessantesten Neubauten auf diesem Gebiet. Mehr in dieser Art würde man durchaus gerne auch hierzulande sehen.

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