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Umbau light gemacht
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Aufeinandertreffen der Epochen. Das Rathaus in Kufstein wurde einer vorsichtigen baulichen Annäherung an die modernen Anforderungen eines Amtsgebäudes unterzogen.

30. Juli 2011 - Franziska Leeb
So friedlich und still, wie die „Perle Tirols“ besungen wird, präsentiert sich Kufstein derzeit nicht. Die Stadt befindet sich im Wandel und verspricht architektonisch um einige Projekte angereichert zu werden. Prägten die letzte größere Umgestaltung des Stadtzentrums ab 1900 vermehrt Architekten aus dem süddeutschen Raum, findet heute die Tiroler Architekturszene ein vielfältiges Arbeitsgebiet im Spannungsfeld zwischen historischer Substanz und modernen Anforderungen vor. Die Fachhochschule Kufstein von Henke/Schreieck geht in die dritte Erweiterungsphase. Zwischen Unterem Stadtplatz und Fischergries nimmt ein Komplex mit Geschäfts-, Büro- und Wohnflächen, geplant von Daniel Fügenschuh, Form an. Johannes Wiesflecker zeichnet für die Erweiterung des Gymnasiums – erbaut 1907 vom Stuttgarter Willy Graf – verantwortlich.

Das Herzstück des Kufsteiner Erneuerungsbooms wurde im Frühjahr fertiggestellt: die Sanierung und Erweiterung des Rathauses durch Rainer Köberl in Arbeitsgemeinschaft mit dem Büro von Thomas Giner und Erich Wucherer. Schon bei der Adaptierung des Sudhauses des Innsbrucker Adambräus von Lois Welzenbacher zu einem Architekturzentrum – abgeschlossen im Jahr 2004 – bewies sich diese Konstellation als baukulturell segensreich. In Kufstein überzeugen sie nun mit dem alten neuen Rathaus, das aus einem 2008 ausgelobten Wettbewerb hervorging. Das bestehende, im Kern aus dem Mittelalter stammende Rathaus am Unteren Stadtplatz erfuhr seine letzte wesentliche Umgestaltung 1923/1924 von Willy Graf. Längst war es zu klein geworden und entsprach nicht mehr den Anforderungen eines modernen Amtshauses. Die Aufgabenstellung bestand darin, diesen Bestand einer Generalsanierung zu unterziehen und mit dem an der Rückseite angrenzenden und dem Oberen Stadtplatz zugewandten Bildsteinhaus sowie dem in Richtung Pfarrkirche angrenzenden Paramentenstöckl zu einem zeitgemäßen Verwaltungsgebäude zu verbinden.

Die Jury unter Vorsitz von Walter Angonese konnte sich damals nicht durchringen, einen ersten Preis zu vergeben. Köberl/Giner/Wucherer landeten zwar ganz vorne, aber eben bloß auf dem zweiten Platz. Grund dafür war wohl, dass sie die Vorgabe ignorierten, den bestehenden Ratssaal zu erhalten, und stattdessen mit einem neuen Saal das Bildsteinhaus bekrönten.

In der Überarbeitung des Konzepts gewann es an Homogenität und inhaltlicher Schlüssigkeit, wobei aber doch alle wesentlichen vorgeschlagenen Maßnahmen erhalten blieben und dem Wunsch der Auslober entsprochen wurde, den bestehenden gewölbten Rathaussaal zu erhalten. Mit seinen zwei Zugängen und dem alten Gewölbe, das von neuen, zurückhaltenden Interventionen wie einem hellen Terrazzoboden betont wird, versinnbildlicht er die Planungsphilosophie, die hinter dem Gebäude steht. „Nicht unsympathisch, sondern besonders – aber doch lapidar“ sollte die Anmutung des Hauses sein, formulierte Rainer Köberl in einer Notiz während der Planungsphase. Das ist gelungen und vor allem dem bewussten Umgang mit Materialien und der detailplanerischen Sorgfalt an allen Nahtstellen zwischen Alt und Neu zu danken.

Die essenziellste Überlegung bestand darin, den Haupteingang vom Unteren Stadtplatz in den neu hinzugekommenen Teil am Oberen Stadtplatz in unmittelbarer Nachbarschaft zum Aufgang zur Pfarrkirche zu verlegen und dem Rathaus ein neues Gesicht zu geben. Ein Vorbau, der den Platz einengte und den Aufgang zur Kirche verstellte, wurde entfernt, dem Gebäude eine hellgraue Farbe verpasst. Über dem Gesims thront eine neue Gebäudekrone in Form ei- ner Wand aus weißen, im Zickzack angeordneten Lamellenwänden aus Metall, die den dahinter liegenden Rathaussaal beschatten und ab der Dämmerung hinterleuchtet zu einem schlichten, aber doch signifikanten urbanen Zeichen werden. Das Rundbogenportal mit verglasten Seitenteilen führt in ein Foyer, in dem ein Serviceschalter als erste Kontaktstelle fungiert. Dieser tonnengewölbte Raum geht über in das neu geschaffene Verbindungs- und Verteilergelenk des Komplexes. Die Treppen begleiten den eine vertikale Spange nach oben schaffenden Lichthof, wo es das Aufeinandertreffen der Konstruktionen aus unterschiedlichen Epochen zu lösen und das ganze Gefüge in ein Gleichgewicht zu bringen galt.

Der grob strukturierte Putz der alten Rathausfassade wurde ins Innere gezogen und sorgt nun in vertrauter Ockerfarbe für eine subtile und leicht deutbare Orientierungshilfe. Sonst dominieren Weiß an Böden und Wänden und Sichtbeton bei allen Maßnahmen, die dem alten Gemäuer konstruktiven Halt geben. Sobald die Raumfunktionen individueller gewidmet sind, kommt als Oberflächenmaterial robuste Kupfereiche dazu, aus der einzelne vom Innsbrucker Tischlermeister Gerhard Höckner ausgeführte Möbelstücke angefertigt wurden. Ein verglaster Liftschacht mit einer Intervention des Kufsteiner Fotokünstlers Nikolaus Schletterer und mannigfaltige Durchblicke über die Bauteile hinweg ermöglichen von jedem Geschoß aus Ausblicke in alle Richtungen. Alle Anschlüsse zwischen den verschiedenen Bauteilen und Materialien sind sehr präzise ausgeführt. Zuweilen verschwimmen die eindeutigen Grenzen zwischen Alt und Neu, weil man nicht die Strategie verfolgte, hundertprozentig alles Neue neu wirken zu lassen. Der Homogenität des Ganzen war diese Suche nach dem atmosphärisch Richtigen sicher förderlicher als eine sture, von korrekten archäologischen Kriterien bestimmte Strategie.

Fast alle Bürotüren sind transparent gehalten. Das fördert nicht nur die Kontaktaufnahme zwischen den Mitarbeitern, sondern auch zu den Besuchern, die nun nicht mehr anklopfen und fragen müssen, ob man eintreten dürfe, sondern schon vom Vorbereich aus erkennen, ob Warten angesagt ist.

Die Realisierung hat die Versprechungen des Wettbewerbsprojekts mehr als erfüllt. In der Zwischenzeit durften sich Köberl/Giner/Wucher auch mit der Verbesserung des unmittelbaren Umfelds, der Gestaltung des Unteren Stadtplatzes, befassen, die 2012 abgeschlossen sein wird.

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