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Perle des tschechischen Funktionalismus
Der Standard

In der südmährischen Industriestadt Zlin ist der Startschuss für die Generalrenovierung des ersten tschechischen Wolkenkratzers gefallen. Die Exzentrale des Bata-Konzerns gilt als Juwel der Architektur der Zwischenkriegszeit.

30. August 2003 - Natascha Kames
Der neu entstandene Kreis Zlin sucht schon länger einen Sitz für seine Hauptverwaltung. So entstand der Gedanke, den Amtsitz im dominantesten Gebäude der Stadt - Batas Wolkenkratzer - anzusiedeln und somit die längst überfällige Wiederherstellung dieses Denkmals moderner Architektur anzugehen. Die Auswahl des Generalunternehmers wurde inzwischen beendet, die lokale Baugesellschaft Zlinstav ausgesucht.

Der tschechische Schuhindustrielle Tomá Bata hat in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts sein großzügiges Investitionsvorhaben in Zlin verwirklicht. Das Resultat ist bis heute Magnet für Bewunderer des Funktionalismus aus der ganzen Welt. Man ist durch die Einfachheit und den Einfallsreichtum der städtebaulichen Lösung fasziniert, eines gemeinsamen Werkes der Architekten Gahura, Corbusier, Kotera und Karfík. Durch den Untergang der Schuhindustrie in Zlin haben die ehemaligen Industrieareale ihren Zweck verloren. Ob es gelingt, diese wieder ins Leben zu rufen und wie die Fabrikkomplexe, welche an die ruhmreiche Bata-Epoche erinnern, weiter genutzt werden sollen, ist auch heute noch die Frage.

Das Verwaltungsgebäude der Firma Bata gehört zu den glanzvollen Hauptwerken des modernen tschechoslowakischen Konstruktivismus der Zwischenkriegszeit. Das Hochhaus ist als Projekt des Architekten Vladimir Karfík im Jahre 1938 in Zlin fertig gestellt worden. Es ist im zentralen Verzeichnis der Kulturdenkmäler eingetragen. Daher wird die ganze Rekonstruktion in enger Zusammenarbeit mit den Fachleuten des Denkmalamtes durchgeführt. Die schrittweise Rekonstruktion der ehemaligen Bata-Fabrik soll ebenfalls ein Bestandteil dieses ganzen Vorhabens sein.


Hoch hinaus

Der Unternehmer Bata hatte ein neues Verwaltungsgebäude bereits 1936 in Erwägung gezogen, als die Anzahl der Mitarbeiter in der Verwaltung proportional mit der Produktion gewachsen war. Ursprünglich hatte man drei jeweils dreistöckige, miteinander verbundene Objekte geplant. Als Architekt Karfík ein Hochhaus vorschlug, begeisterte sich Bata sofort für diese Idee.

Das 77,5 Meter hohe Gebäude war vor dem Krieg das höchste Haus in der Tschechoslowakei. Der Bau ist in der Umgebung von anderen Fabrikobjekten platziert, er dominiert den Platz der Arbeit, dessen Nordseite er abschließt. Das einzelne Stockwerk hat ein Flächenmaß von 80 mal 20 Meter und besaß keine Trennwände, was später im Fachjargon als „Großraumbüro“ bezeichnet wurde. Falls doch eine Trennwand irgendwo nötig war, wurde sie nicht gemauert, sondern aus Fertigteilen montiert und verglast. So war eine maximale Flexibilität puncto Raumaufteilung möglich, wie sie für die rasante Entwicklung der Firma Bata nötig war. Die Arbeitsfläche war frei gestaltungsfähig, da jegliche vertikale Infrastruktur (Stiegenhaus mit Liften sowie die Sanitäreinrichtungen und die Klimatisierung) aus diesem Raum ausgegliedert wurde.

Die Tragkonstruktion des Objektes ist aus Stahlbeton, den Mantel bilden doppelte Stahlfenster und Ziegelverkleidung. Die Fassade sollte sich dem Charakter der anderen Industriegebäude angleichen. Die technische Ausstattung des Gebäudes war für damalige Zeiten ein Wunderwerk. In jedem Quadrat von drei mal drei Metern Bodenfläche sind Rohrpost sowie Bodensteckdosen und Telefonanschlüsse eingebaut.

Die Heizung und Klimatisierung wurde bereits damals durch modernste Technik gelöst, das Haus war mithilfe eines Systems der Firma Carrier voll klimatisiert. Alle Fenster sind deshalb nur kippbar. Die 16 Geschoße sind durch vier automatische Schnelllifte verbunden, die sich mit der damals unglaublichen Geschwindigkeit von 3,5 Metern pro Sekunde bewegten. Darüber hinaus gab es einen Paternoster, einen Lastenaufzug und einen Aufzug für Gäste.


Klimatisiertes Büro

Ein wirkliches technisches Zuckerl ist das Büro des Firmenchefs, welches sich in einem separaten Aufzug befindet. Das Büro ist sechs mal sechs Meter groß, klimatisiert und mit einem Waschbecken ausgestattet. Interessant ist auch die Geschwindigkeit, mit welcher der ganze Bau ausgeführt wurde. Das Skelett haben 40 Bauarbeiter innerhalb von 160 Tagen errichtet, d.h. in jeweils zehn Tagen wurde ein Geschoß fertig gestellt. Das Konzept des Gebäudes hat im Laufe der Jahre sowohl einen hohen Nutzwert als auch Variabilität bewiesen.

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