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Von der Freiheit der (Bau-)Kunst
Der Standard

In dem US-Bundesstaat, wo ein Österreicher nach Gouverneurswürden strebt, verwandelte der Architekt E. O. Moss einen Stadtteil seiner Heimatstadt Los Angeles vom verödeten Industriegebiet in ein belebtes Büroviertel.

23. August 2003 - Helga Langer
Culver City ist ein beispielgebendes Stadtsanierungskonzept, das der fruchtbaren Symbiose von Samitaur Constructs (Fredrick und Laurie Samitaur-Smith), dem Architekten Eric Owen Moss und einer experimentierfreudigen Stadtverwaltung entsprang. In den Dreißigerjahren waren hier die großen Filmstudios zu Hause. Als der Visionär Smith in den Achtzigern dann in Culver City investierte, waren die Bahngleise stillgelegt, Lagerhäuser und Werkstätten verlassen, die Grundstückspreise für die verfallenen Gebäude demnach günstig. Der Architekt Eric Owen Moss sollte eine Umgestaltung vornehmen. Was inzwischen bereits bei gut einem Dutzend der Gebäude geschah. Die Grundmauern der Lagerhallen sind meist erhalten geblieben. Aber die neuen Bauten heißen nun „Beehive“, „The Box“, „The Umbrella“, „Slash/Backslash“, „The Stealth“ und sind alles moderne Skulpturen, dynamische Formen, die Gegensätze verbinden und dustere Lagerhäuser in lichte, belebte Räume verwandeln.

„Freiheit der (Bau-)kunst“ könnte auf dem Eingangsschild zu dem 40.000 m² großen Areal, einer Schaubühne aus architektonischen Ungewöhnlichkeiten stehen. Jedes Gebäude ein exaltiertes Einzelstück, das fantasievolle gedankliche Abwege zulässt. Eine Freiheit des Geistes, die nach der Theorie des Erbauers gerade und symmetrische Bauten nicht gestatten.

Turn-over, das englische Wort hat hier mehrfache Bedeutung: Umsturz bringt Umsatz. Man spricht von einer über 500-prozentigen Wertsteigerung der Immobilien - Umsatz für den Erbauer, aber auch für die Mieter. Studien besagen, dass hier 6500 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Und Moss wagte den Umsturz in der Architektur. Denn im Gegensatz zur Freiheit der Kunst wird die Architektur durch Komponenten wie Durchführbarkeit, Baubestimmungen und Erwartungen der Nutzer begrenzt. Grenzen, die Moss mit seinen architektonischen Kunstwerken aufzulösen scheint.

Wie schon vor ihm Gaudi, Mies von Rohe, Le Corbusier hat sich auch Eric Owen Moss mit der Form und der Funktion des Bienenstockes auseinander gesetzt. Der Bienenstock, Raum einer gut organisierten sozialen Gemeinschaft von honigbringenden Insekten, hat Symbolcharakter. Moss konstruierte seinen „Beehive“ für ein zeitgemäßes Büro- und Konferenzzentrum in Culver City: eine moderne Skulptur, die gleichzeitig für Statik und Dynamik, Arbeit und Geselligkeit, Organisation und Transformation steht. Als Teil der - wie Moss es ausdrückt - „ausgeglichenen Unausgeglichenheit“.

Bei seinen Umbauten kreierte der Architekt immer wieder Aufsehen erregende Skulpturen als Fassaden für normative Büroarbeitsplätze. Moss' Kommentar zu seiner Arbeit: „Wenn ein Gebäude Gegensätze in sich vereinigen kann und von Bewegung oder der Bewegung von Ideen handelt, ist es möglicherweise beständiger.“

Der Bienenkorb vermittelt Sicherheit und Geborgenheit und ist umhüllt von gebogenen Paneelen aus Titanzink der deutschen Marke Rheinzink (die Firma hat auch eine Tochter in Österreich), partiell verbindet eine Verglasung Innen- und Außenwelt. Die Gestalt verändert sich je nach Blickwinkel. Bestimmend sind auch die Treppen, die sich durch das ganze Bauwerk ziehen und als verdichtete Abstraktion eines Amphitheaters das pyramidale Dachfenster umschließen. Treppen setzen Verbindungen, vom Eingangsbereich, der Rezeption bis zum verglasten Konferenzraum und weiter hinauf zum Dach.

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