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Consulter eruieren die Bedürfnisse und Wünsche der Bauherren - vor der Ausschreibung.

12. August 2003
Der große Stahl-Glas-Palast des Terminal 2 am Frankfurter Flughafen wurde erst vor wenigen Jahren errichtet - und wird schon wieder umgebaut. Denn die mangelnde Flexibilität lässt ihn nicht auf Änderungen im Flugaufgebot reagieren.

In Frankfurt wurde man aus diesem Fehler klug und hat vor der Wettbewerbsausschreibung für Terminal 3 gleich einen Consulter hinzugezogen - den Architekten Peter Königshofer aus Wien.


Flexibel reagieren

Königshofer hat mit seinem Konzept einer modulweisen Erweiterbarkeit zunächst einmal die Flächenanforderung um 150.000 Quadratmeter reduziert - „einfach durch das Optimieren der erforderlichen Teilflächen, auch durch flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten von Gates und Berücksichtigungen der unterschiedlichen Passagierströme. Es wurde sichergestellt, dass man schon in der Ausschreibung des Wettbewerbs flexibel auf Veränderungen reagiert.“

Grundlage für den neuen Wettbewerb waren somit Frequenzerhebungen in Sachen Flüge, Passagiere und Gepäck, die wie Aktienkurse abzulesen sind. Der Consulter eruiert somit gemeinsam mit dem Bauherrn dessen Bedarf und Wünsche. Was auch den ausführenden Architekten sehr zugute kommt.


Bauherren meist überfordert

So begrüßt etwa Dietmar Feichtinger, Österreichischer Architekt mit Büro in Paris, die Wettbewerbserstellung durch Consulter. Denn Bauherren sind durch Ausschreibungen meist überfordert, wie er meint: „Den Vorteil am Consulting, den wir sehen, ist, dass es essentielle, programmatische Definitionen im Vorfeld eines Projekts gibt. Das hilft dem Architekten sehr, wenn das mit dem Bauherrn abgeklärt ist. Das betrifft nicht nur das Projekt an sich, sondern auch den Zeitplan, die Baukosten und ähnliches. Das ist ein Vorteil, wenn sich jemand darauf spezialisiert, weil Architekten sehr oft nicht in allen Bereichen diesen Zugang haben.“

Obwohl Dietmar Feichtinger eher ein traditioneller Allrounder ist, der gleichzeitig an so unterschiedlichen Projekten wie einer Brücke über die Seine und dem LKH Klagenfurt arbeitet, sieht er sich keineswegs zu einem Konkurrenzverhältnis zu der neuen Spezies der Architektur-Consulter, sofern sie nicht die ästhetische Komponente außer Acht lassen und nicht ausschließlich Termin- und Kostendruck regieren.

Marktlücke für Architekten

Ist es gut, wenn Consulter Architekten sind? „Ich bin der Meinung, dass das ein wichtiger und interessanter Tätigkeitsbereicht für Architekten ist, die als solche ausgebildet sind und tatsächlich diese Art der Überlegungen mittragen können“, so Feichtinger.

Gerade für junge Architekten ist das Consulting eine Hoffnungsbranche. So hat etwa Peter Königshofer erst vor zwei Jahren für den Flughafen Wien sein erstes Leistungsbild erstellt und formatiert heute Flughäfen in Panama, Malta, Madagaskar oder Teheran, um nur die großen zu nennen.


Starkes Auslandsgeschäft

Auch die Firma Bene-Consulting, die auf den Büromarkt spezialisiert ist, ist in zehn Jahren auf einen Jahresumsatz von 2,8 Millionen Euro gewachsen und erwartet für das laufende Jahr ein Umsatzplus von zehn Prozent. Karl Friedl, der Gründer dieser Firma, erklärt: „Wir machen sehr viele Projekte in Deutschland, etwa 60 Prozent unseres Umsatzes haben wir dort, zehn Prozent in der Schweiz und Osteuropa und etwa 30 Prozent in Österreich.“


Erfolg der Consulter

Für Friedl entspricht der Erfolg der Consulter einer konkreten wirtschaftlichen Erfordernis. Hat man in den letzten 100 Jahren den Produktionsbereich vor allem in Hinblick auf die Effizienz durchleuchtet, ist heute der Organisationsbereich dran. Niemand würde mehr auf die Idee kommen, einfach eine Produktionshalle hinzustellen, um sich dann erst die Produktionsabläufe zu überlegen.

Auch in der Büroarchitektur baut der Bauherr, der up to date ist, von innen nach außen: „Zuerst steht die Organisation im Vordergrund, und zwar vom kleinsten Glied der Organisation, des Mitarbeiters, über Raumstrukturen, Gebäudestrukturen und verschiedene Büroformen. Vielleicht hat man bisher in einem Zellenbüro gearbeitet und denkt jetzt über mehr Kommunikation nach und kommt auf Formen wie das Kombibüro. Der Kunde soll für sich selbst das richtige Prinzip für die Zukunft herausfinden. Durch diesen Prozess der Beschäftigung mit sich selbst entwickelt er, bevor der Architekt noch einen Strich gemacht hat, eine ganz klare Vorstellung von dem, was er eigentlich will.“


Es wird zu viel gebaut

Für Friedl ist klar: Im Büro-Bereich werden noch immer 20 bis 30 Prozent an Fläche zu viel gebaut - und auch schlecht überlegt. Für ihn ist das der Grund, warum demnächst in Wien 600.000 Quadratmeter an Bürofläche leer stehen werden. Daher steigt die Nachfrage nach professioneller Unterstützung. Nicht nur beim Neubau, sondern auch beim Umzug oder der laufenden Wartung von großen Gebäuden.

Kommen die Mitarbeiter unvorbereitet in neue Räume, ist die Enttäuschung oft groß. Vor allem in Betrieben mit hochqualifizierten Mitarbeitern bedeutet das einen finanziellen Verlust für das Unternehmen. Im Zuge von Umzügen gibt es eine bestimmte Rate an Mitarbeitern, die den Umzug nicht mitmachen und kündigen. Baustellenführungen durch einen Consulter sollen auf den Umzug vorbereiten. Das Interesse der Belegschaft für Architektur und die Vorfreude auf den neuen Arbeitsplatz können dadurch gesteigert und das Consulter-Honorar eingespielt werden.


Ein Fall für den Consulter

Die immense Investition Architektur kann in vielen Fällen besser kommuniziert werden. Denn auch die Öffentlichkeit sollte mit einbezogen werden. Bestes Beispiel: Wien Mitte. Ein klarer Fall für den Consulter.

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