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Lernen am Klienten
ORF.at

Strategien eines führenden „Corporate Office“.

12. August 2003
Die europäische Planungsszene ist heute einem raschen Wandel unterworfen, der sich in den USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in einem wesentlich längeren Zeitraum entfalten konnte. Der gemeinsame Markt wird, obwohl das Baugeschäft immer noch ein vorwiegend regionales ist, für bestimmte Planungsleistungen Zusammenschlüsse mehrerer Spezialisten erzwingen.

Umgekehrt werden die Kleinbüros nicht nur ihr Tätigkeitsfeld behalten, sondern in Nischen sogar noch zulegen können. Schwierig wird es für die „Mittelklasse“, wie Friedl Böhm, CEO und Miteigentümer von NBBJ, einer der größten Architekturfirmen der Welt, voraussagt. NBBJ ist unter anderem der weltweit größte Planer von Krankenhäusern. Headquarters der Firma mit sieben Standorten ist Columbus, Ohio, wo Matthias Boeckl mit Friedl Böhm sprach - unter anderem über den „idealen Bauherren“ und das wichtige Feedback der Klienten.

Frage: Können Sie die Philosophie Ihrer Firma beschreiben, ihre Ziele und ihr Selbstverständnis?

Böhm: Wir haben eine Vision für die Firma: Wir wollen die beste Designfirma der Welt sein. Ich verwende hier bewusst das Wort Design, nicht Architektur, weil Design für uns weiter reicht als Architektur, und alle Entwurfsgebiete umfasst, die mit der Umwelt zu tun haben, von der Landschaftsarchitektur bis zur grafischen Gestaltung. Wir sehen uns selbst als eine Firma, die unseren Klienten hilft, ihre Vorhaben so zu transformieren, dass ihnen das Projekt am Ende hilft, ihr Unternehmen besser zu führen.

Gleichzeitig versuchen wir auch, eine gewisse Arroganz, die ja den Architekten vielfach eigen ist, abzulegen - ich sage immer, das Ego muss bei uns vor der Tür liegen bleiben.

Frage: Was ist gute Architektur und woran wird sie gemessen?

Böhm:Gute Architektur ist sehr schwer zu beurteilen. Man muss dabei eine ganze Reihe verschiedener Kriterien anlegen. Es kommt darauf an, was unsere Bauherren glauben, was unsere Kollegen glauben, und in gewisser Hinsicht kommt es auch darauf an, was wir selber glauben.

Diese Kombination kann es uns meiner Meinung nach wissen lassen, ob die Architektur wirklich gut ist. Publikationen und Preise spielen ebenfalls eine Rolle.

Frage: Welche Rolle spielt dabei das Feedback der Klienten?

Böhm: Natürlich spielt der Klient eine ganz wichtige Rolle in der Beurteilung. Die Schwierigkeit liegt oft darin, die Beurteilung richtig zu verstehen. Wir machen ein Jahr, nachdem der Klient das Projekt übernommen hat, eine „Post Occupancy Review“. Das ist unsere Frage an den Klienten, was funktioniert und was nicht funktioniert. Es ist eine Möglichkeit für uns, Dinge, die leicht zu reparieren sind, rasch zu korrigieren.

Und gleichzeitig lernen wir sehr viel dabei, denn wenn wir einmal etwas falsch gemacht haben. Diese Review ist eigentlich mehr ein Vorteil für uns als für die Klienten - aber die Klienten lieben es alle. Die können es kaum glauben, dass ein Architekt nach einem Jahr zurückkommt, ohne dafür bezahlt zu werden.

Frage: Ihr idealer Bauherr?

Böhm: Der ideale Klient ist jener, der daran glaubt, dass wir als Architekten ihm oder ihr helfen können, eine wirkliche Veränderung in der eigenen Firma herbeizuführen. Jener, der nachher wirklich glücklich ist mit dem, was wir für ihn gemacht haben, der gut mit uns kommuniziert, der weiß, was er sich leisten kann, der ein Budget und einen Zeitplan von Anfang an wirklich versteht, sodass wir uns mit dem Wichtigsten beschäftigen können - und das ist der Entwurf und das Programmieren des Projektes für diesen Klienten.

Ich gebe Ihnen ein klassisches Beispiel: Wir haben im Oktober 2002 für Telenor, die große norwegische Telekommunikationsfirma, in Oslo ein Projekt fertiggestellt. Die haben uns eine interessante Aufgabe gegeben. Sie haben vierzig Firmen in einem Komplex zusammengelegt, der am alten Flughafen von Oslo liegt. Ein riesiges Projekt mit ca. 300.000 gm, das erste Bürogebäude der Welt, das total drahtlos funktioniert. Alles funktioniert mit Mobiltelefonen, mit kleinen und großen Computern, und es gibt nur sehr wenige zugeteilte Schreibtische in der gesamten Anlage. Man arbeitet in kleinen Gruppen von ca. 30 Leuten, und diese Gruppen haben jeweils ein Heim, das aus einer Reihe von Räumen besteht, Wohnraum, Arbeitsraum etc. Die arbeiten eigentlich mehr in einer Wohnung, als in einem „richtigen“ Büro. Für mich ist das eine Transformation, eine wirkliche Veränderung in der Firma.

Der Präsident von Telenor hat klar erkannt, dass es vierzig verschiedene Kulturen gibt, wenn man vierzig Firmen zusammenlegt. Um diese Fusion möglich zu machen, musste man die Planungsannahmen total ändern. Sonst ist jeder beleidigt, da ja nur ein kleines Stück seiner Kultur in das neue Ganze aufgenommen werden kann. Also muss man alle alten Kulturen über Bord werfen und eine völlig neue Kultur herstellen. Und das hat gut funktioniert - ein idealer Klient für uns. Und er ist begeistert und redet immer wieder mit uns

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