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Gelungene Vorreiter-Rolle
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„Erst durch mühsame Aufklärungsarbeit entstand aus dem bloßen Hochwasserschutz-Projekt schließlich ein Freizeit-Paradies“, so Marija Kirchner über die Entstehung der Donauinsel.

4. August 2003 - Matthias Osiecki
„Unser Planungs-Schwerpunkt war vor allem der Südteil der Insel. Es gab ja am Anfang ganz verschiedene Vorstellungen. So hat man u.a. auch eine starke Bebauung überlegt. Aber letztlich hat sich doch der Landschaftsgedanke durchgesetzt. Und Wien kam so viel stärker an die Donau - bis zu 60.000 Menschen können die Donauinsel besuchen. Das gibt es sonst nirgends in einer Großstadt“, erinnert sich die Wiener Landschaftsarchitektin Marija Kirchner.

Die Grün-Expertin war, zusammen mit ihrem 1995 verstorbenen Mann Wilfried Kirchner, wesentlich an der landschaftlichen Planung der Wiener Donauinsel, deren Hauptzweck der Hochwasserschutz ist, beteiligt. Heute wird die künstlich angelegte Insel allerdings vor allem als Freizeitparadies und als Veranstaltungsort für das inzwischen sehr gefragte Donauinselfest, das heuer zum 20. Mal stattfand, wahrgenommen.


Diskussionen um Hochwasser-Schutz

Donauinsel und Neue Donau liegen im Bereich des nach der Flussregulierung angelegten Überschwemmungsgebietes. Die Diskussionen um die Verbesserungen des Schutzes vor Überflutung begannen bereits nach dem katastrophalen Hochwasser von 1954. Die Debatte über die politische Entscheidung löste damals eine veritable Krise im Rathaus aus: Der Gemeinderat fasste 1969 den entsprechenden Beschluss gegen die Stimmen der ÖVP, die schließlich 1973 die Koalition mit der SPÖ verließ.

„Rückblickend muss man bewundern, wie gut die Logistik damals funktioniert hat. Es waren ja unzählige Experten - vom Ökologen über den Forstfachmann bis zum Wasserbau-Ingenieur - an diesem Großprojekt beteiligt. Und zur Umsetzung gab es ein kompliziertes Gefüge. Vor allem aber gab es damals den politischen Willen, der letztlich die Realisierung ermöglicht hat“, erklärt Kirchner.


Offizielle Benennung 1984

1972 begannen die Aushubarbeiten, 1984 erfolgte die offizielle Benennung und am 13. Oktober 1987 wurden die letzten Baggerarbeiten auf der neu entstandenen Insel beendet.

Die zwischen Donau und Entlastungsgerinne aufgeschüttete Donauinsel ist rund 20 Kilometer lang und durchschnittlich 400 Meter breit. Mittlerweile verfügt sie auch über einen eigenen U-Bahn-Anschluss.

Abwechslungsreiche Formen

Eine besondere Qualität dieses künstlich entstandenen Gebietes von Wien ist sein Abwechslungsreichtum, denn die ursprüngliche Konzeption sah sehr simpel aus:

„Ursprünglich waren nur eine Böschung, ein Treppelweg und oben die Erschließung mit Parkplätzen vorgesehen. Eine solche Gestaltung für ein Gebiet von 20 Kilometer Länge ist ja undenkbar. Also zerbrachen wir uns den Kopf, wie man die technischen Anforderungen mit den Ansprüchen der Landschaftsplanung vereinbaren kann. Wie kann ich hier einen gewissen Gestaltungsreichtum schaffen - und wie viel kostet das? Unsere Überzeugungsarbeit war enorm - und zum Glück hat doch die bewegte Topografie gesiegt“, sagt Kirchner.


Anhebung des Donaudamms

Nach der Errichtung der Staustufe Wien musste vor wenigen Jahren in der zweiten Bauphase, etwa ab 1985, ein Teil des rechten Donaudamms (zwischen „Holiday Inn“ und Kafkaweg) angehoben werden.

„Wenn man diesen Teil heute, nachdem sich auch die Natur ausgebreitet hat, betrachtet, kann man sehen, dass die Gestaltung zu einer großen Bereicherung beigetragen hat“, so Kirchner.


Ruder-WM 1991

Das Ehepaar Kirchner gestaltete aber auch das Donauinsel-Gelände für die Ruder-WM im Jahr 1991. Marija Kirchner erläutert dazu:

„Es gab eine kürzere Strecke für die Kanuten, eine längere für die Boote. Dabei war natürlich die Ziellinie sehr wichtig. Diese wurde nach einer ganz neuen Methode im Wasser verankert. Das haben wir in der Führung der Treppe visualisiert. Bei diesem Projekt musste die Landschaftsplanung ganz konkret auf die Bedingungen eines Rennbetriebes eingehen. Und wir hatten auch ganz stark die Nachnutzung bedacht.“


Marija Kirchner

Marija Kirchner, gebürtige Kroatin, leitet seit dem Tod ihres Mannes 1995 das Wiener Atelier für Landschaftsplanung. Nach abgeschlossenem Studium der Architektur an der TU Zagreb arbeitete sie zunächst im Büro von Professor Schwanzer.

Gleichzeitig inskribierte sie das damals neue Aufbaustudium „Raumplanung und Raumordnung“ an der TU Wien. 1972 trat sie in das Büro von Wilfried Kirchner ein.


Fachgebiete

Das heute insgesamt 7-köpfige Team befasst sich u.a. mit den Fachgebieten Landschaftsplanung auf Landes- und Gemeindeebene, Bearbeitungen auf dem Gebiet der Stadtplanung und Stadtgestaltung, Freiraumplanungen im Wohn- und Siedlungsbau.

Zu den weiteren Fachgebieten zählen u.a. landschaftsplanerische bzw. stadtgestalterische Bearbeitungen von Fließgewässern und Seen sowie von Verkehrswegen wie Straßen und Eisenbahnen.


Zahlreiche Projekte

Zu den bisher rund 250 ausgeführten Projekten des Ateliers Kirchner zählen u.a. das Landschaftsschutzgebiet Toter Grund, Grünraumplanung Rechter Donaudamm, Wien-Brigittenau sowie das Sommerbad Döbling.

Weitere Projekte waren die Rückbauung des Liesingbaches, Gestaltung des Nationalparks Donauauen/Lobau, die Freiraumgestaltung für die Wohnhausanlage Alt Erlaa sowie die Gestaltung öffentlicher Parks.

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