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Hightech und Nachhaltigkeit
Neue Zürcher Zeitung

Der britische Architekt Richard Rogers wird siebzig

23. Juli 2003 - Hubertus Adam
Die schimmernde Riesenmaschine des Lloyd's Building, 1978 bis 1986 in der City of London errichtet, darf heute mehr denn je als Richard Rogers' Meisterwerk gelten: Dieses wohl eigenwilligste Hochhaus der Themsestadt wurde zum Fanal des britischen Hightech. Die Trennung von bedienten und bedienenden Räumen, wie sie Louis I. Kahn mit dem Richards Medical Research Center in Philadelphia entwickelt hatte, ist hier ins Radikal-Technizistische übertragen. Dabei ging es indes nicht allein um die Optimierung von Funktion und Infrastruktur, sondern zugleich um eine adäquate Ästhetik, die sich vom Futurismus und Konstruktivismus ebenso inspiriert zeigt wie von den utopischen Entwürfen der Architektengruppe Archigram.

War das Lloyd's Building auch das erste wichtige Gebäude, welches das 1977 gegründete Büro Richard Rogers Partnership errichten konnte, so begann die Karriere des am 23. Juli 1933 in Florenz als Sohn britischer Eltern geborenen und an der Architectural Association in London sowie in Yale ausgebildeten Architekten doch viel früher: In den sechziger Jahren war er Mitbegründer des Team 4, dem auch sein späterer Hauptkonkurrent, Norman Foster, angehörte. Gemeinsam mit Renzo Piano schuf Rogers anschliessend mit dem 1976 vollendeten und im Jahr darauf eröffneten Centre Pompidou in Paris eines der Schlüsselwerke der Architektur des 20. Jahrhunderts.

Als einer der Protagonisten des britischen Hightech hat Rogers in den vergangenen 15 Jahren eine Reihe wichtiger Bauten im Grossraum London errichtet. Dazu zählen der innerstädtische Sitz des Senders Channel 4 (1990-94) ebenso wie die Reuters-Zentrale in den Docklands und schliesslich der Millennium Dome, für den immer noch eine Nutzung gesucht wird. Die expressive Übersteigerung des Ingenieurtechnizismus wurde dabei schrittweise zurückgenommen, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (1989-95) und ein distinguiert gläsern auftretendes neues Gebäude für Lloyd's in der Fenchurch Street (2000) beweisen.

Inzwischen ist Rogers weltweit tätig: Er plant Teile der «Solarcity» Linz, Hochhauskomplexe in Schanghai oder den Flughafen Madrid. Dabei reduziert sich der Architekt im Gegensatz zu einer Reihe seiner Kollegen nicht auf die Rolle des pragmatischen Global Players, sondern bezieht auch im politischen und urbanistischen Diskurs Position. «Cities for a small planet» von 1997 zählt zu den wenigen ernsthaften, von einem Architekten verfassten Auseinandersetzungen mit Problemen des heutigen Urbanismus. Bedeutend ist überdies die Funktion des mit Tony Blair befreundeten Rogers als Vorsitzender der von Labour eingerichteten «Urban Task Force» in London.

Das Büro von Rogers befindet sich seit 1987 in einem umgebauten Lagerhaus in Hammersmith, unmittelbar an der Themse. Bekannter noch als das Atelier aber dürfte in der britischen Öffentlichkeit das ebenfalls dort angesiedelte «River Café» sein, das Rogers' Frau Ruth betreibt und das als bestes italienisches Restaurant der Stadt gilt. Das «River Café Cook Book», von dem inzwischen drei Bände vorliegen, wurde zum phänomenalen Erfolg in Grossbritannien; es hat - im wahrsten Sinne des Wortes - geschmacksbildend gewirkt. Derart viele Leser fanden die nicht weniger inspirierenden «Städte für einen kleinen Planeten» bisher leider nicht.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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