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Schifferl, fast versenkt
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Das brachliegende Werftgelände könnte Korneuburg ein besonderes Image verleihen, Ideen für eine Nachnutzung gibt es. Allein – es passiert nichts.

23. Juni 2012 - Judith Eiblmayr
Wenn man sich heutzutage im Raum Wien der Donau annähert, assoziiert man in erster Linie den Erholungsraum. Durch die Alte Donau und die Donauinsel bzw. durch Einrichtungen wie den Wasserskilift oder die Marina Wien werden die möglichen Freizeitaktivitäten am Wasser hervorgehoben, man setzt auf Regeneration am Donaustrom. „Licht, Luft und Sonne und ein bissl abwaschen, das ist's, was der Mensch braucht“, wie Florian Berndl, der Gründer des „ersten innerkontinentalen Strandbades Gänsehäufel“, bemerkte und dieserart die Donau als Freizeitparadies postulierte.

Aber zu Berndls Zeiten hatte der Donaustrom eine andere Primärfunktion, nämlich als Wasserstraße, über welche bereits jahrhundertelang die wichtigsten Güter mit Plätten, aus Holz gefertigt, nach Wien gebracht worden waren. Wien galt im Mittelalter als der wichtigste Warenumschlagplatz an der Donau. Anfang des 19. Jahrhunderts, im Zeitalter der Industrialisierung, war die Dampfschifffahrt entwickelt worden, und 1829 wurde die 1. DDSG – „Erste Donaudampfschifffahrtsgesellschaft“ gegründet. Siediente der Waren- und Personenbeförderung, und die zunehmende Frequenz ließ den Schiffsbau für Binnengewässer zu einer wichtigen Wirtschaftssparte werden.

Der Altarm bei Korneuburg war bereits vor der Donauregulierung als Winterhafen genutzt worden, daher war es naheliegend, diese geschützte Ausbuchtung als Schiffswerft auszubauen. 1852 wurde der Betrieb aufgenommen, der nicht nur dem Neubau von Schiffen diente, sondern vor allem der Wartung und Reparatur der Schiffsflotte, die zu diesem Zeitpunkt über 71 Dampfer und 233 Schleppkähne verfügte. Nachdem auch die „Vereinigten Ungarischen Dampfschifffahrts-Gesellschaften“ übernommen worden waren, galt die DDSG 1880 als das größte Binnenschifffahrtsunternehmen der Welt, und so musste die Korneuburger Werftanlage sukzessive vergrößert und mit Kraneinrichtungen, Werkstätten und Verwaltungsgebäude bebaut werden. Die Donau blieb nach dem ersten Weltkrieg wesentlicher „Lebensnerv“ des Transportwesens im verkleinerten Österreich, wie auch der Werftbetrieb dementsprechend wichtig war. Dass in den 1930er-Jahren noch modernisiert wurde, machten sich die Nationalsozialisten zunutze, und so gliederten sie den im Zweiten Weltkrieg florierenden Betrieb in die Hermann-Göring-Werke ein. Nach dem Krieg wurde die verkaufstechnische Strömung in die Gegenrichtung genutzt, indem nach dem Staatsvertrag enge Geschäftsbeziehungen mit der Sowjetunion gepflogen und seegängige Schiffe bis nach China exportiert wurden.

Nachdem in den 1980er-Jahren die Ostgeschäfte eingebrochen waren und keine anderen Aufträge an Land gezogen werden konnten, fand die Werftgeschichte im Jahr 1993 ihr vorläufiges Ende. Das Schulschiff, das in Wien vor Anker ging und bis heute am Ufer der Donauinsel liegt, war eines der letzten in Korneuburg gefertigten Objekte, bevor die Werft, die phasenweise bis zu 1500 Arbeitsplätze geboten hatte, „trockengelegt“ wurde. Es ist also eine bewegte Geschichte technologischer, politischer und soziologischer Natur, die den Ort Korneuburg geprägt hat und erzählt werden kann.

Während in einer kleineren Ortschaft wie Strasshof an der Nordbahn das Potenzial der nicht mehr benötigten Infrastruktur genutzt und im ehemaligen Heizhaus der Bahnanlagen das Eisenbahnmuseum eingerichtet wurde, existierte für die Industriebranche in Korneuburg die längste Zeit keine Idee einer Nachnutzung. Ein Schiffsbaumuseum war kein Thema, vielmehr zog man sich identifikatorisch vom Donauufer zurück und präsentiert Korneuburg via Homepage vielmehr als die „Rattenfängerstadt“. „Das wär für die Stadt selber nicht so schlecht, wenn wir da ein bisserl an der Identität arbeiten“, meint denn auch Korneuburgs Vizebürgermeister Christian Gepp, ÖVP, in einem Interview, das im Internet unter KO2100 nachzulesen ist – und da kann man ihm nur beipflichten. In Kenntnis finanzieller Gegebenheiten und ohne die Stadtgemeinde für den Niedergang der Werft verantwortlich zu machen, ist man über die Konzeptlosigkeit, die von politischer Seite für eine Nachnutzung des seit 2004 teilweise unter Denkmalschutz stehenden Werftgeländes zu herrschen scheint, doch einigermaßen erstaunt.

Bald nach Stilllegung der Anlage wurden eine ganze Menge auch bauhistorisch wertvoller Gebäude niedergerissen, wohl um sich zukünftige Wartungskosten zu ersparen beziehungsweise um Flächen für einen allfällig interessierten Investor freizumachen. Die WRG – Werft Revitalisierungs Ges.m.b.H., eine private Stiftung, kaufte das Areal und investierte in die Erhaltung einzelner Gebäude. Da das Gelände als kontaminiert galt, wurde ein teilweiser Rückkauf durch den SEFKO – Stadtentwicklungsfonds Korneuburg notwendig, und es erfolgte eine aufwendige Umweltsanierung aus Steuergeldern. Im Jahr 2004 wurde einerseits eine der Hallen als Veranstaltungshalle für kulturelle Zwecke umgebaut, andrerseits erhielten die „FHS – Freunde historischer Schiffe“ einen Zehnjahresvertrag, um ihre Schiffe im Hafenbecken andocken zu können. Ab diesem Zeitpunkt wurden an den historischen Slipanlagen nicht nur wieder Schiffe repariert und ausgestellt, sondern die verbliebenen Hallen mit parasitärer Nutzung erfüllt: Eine Oldtimer Werkstatt, ein Hundeabrichteklub, eine Tischlerei, eine Schlosserei und andere mieteten sich ein und etablierten wieder Leben an den Kaimauern, inklusive eines kleinen gastronomischen Betriebs. Vorigen Sommer wurde ein öffentliches Bad installiert, während das Florian-Berndl-Bad in Korneuburg wegen Sanierung geschlossen ist. In diesen Jahren entwickelten die FHS in Kooperation mit der TU Wien ein Konzept für eine nachhaltige Nutzung von Teilen des Areals in Form einer Museumswerft, wo sowohl die Industriegeschichte des Ortes und der DDSG didaktisch präsentiert und das Schiffsbauhandwerk weitergetragen werden sollen. Eine „Schauwerft“ mit historischen Schiffen im Wasser oder am Trockendock – eine Idee, die internationale Vorbilder hat und als Ausflugsziel wie auch als Arbeitsstätte funktionieren könnte.

Das Korneuburger Werftgelände ist der letzte authentische Schauplatz, wo sich das Konzept eines „interaktiven Kulturparks“ an der Donau realisieren ließe, alleine die Politik hat nicht reagiert. Im Gegenteil: Noch vor Ablauf des Vertrags wurden die FHS gekündigt, und die historischen Schiffe mussten im Dezember 2011 aus dem vermeintlich sicheren Hafen auslaufen.

Während andere Städte ihre historischenSchiffe an Land ziehen und publikumswirksam ein ganzes Museum drum herum bauen, wie das Vasa-Museum in Stockholm, spielt die niederösterreichische Kulturpolitik mit der Idee einer kurzweiligen, aber ernsthaften Bildungseinrichtung, der zusätzlich der Stadt Korneuburg „ein bisserl Identität“ bescheren würde, lieber „Schifferlversenken“. Wahrscheinlich will man das Gelände einfach für eine harmlose, aber gewinnträchtigere Option freihalten und spekuliert mit dem Gedanken: Ein Investor wird kommen ...

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