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Respekt statt Routine
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Ungünstig gelegener Bauplatz, schwieriges Umfeld, hoher Kostendruck: Was kann daraus schon werden? Kaum zu glauben, aber wahr: Qualität im Wohnbau. Nachrichten aus Linz.

29. Juni 2012 - Romana Ring
Nehmen wir einen Bauplatz ungünstigen Zuschnitts in einem städtebaulich schwierigen Umfeld. Fügen wir das Wissen um die systembedingte Trägheit des geförderten Wohnungsbaus hinzu, und würzen wir das alles mit jenem Kostendruck, der Bauaufgaben der Kategorie „Sozial-“ stets belastet. Wer wollte es uns da übel nehmen, wenn wir sagten: Unter solchen Umständen hat Qualität im sozialen Wohnungsbau – leider, leider – keine Chance? Deutlich mühevoller, den künftigen Bewohnern aber unmittelbar nützlicher ist es, sich bei aufrechtem Einsatz zur Veränderung der Rahmenbedingungen ihren Widrigkeiten zu stellen und mit vielen kleinen, wenig glamourösen Maßnahmen eben doch Qualität zu erzeugen.

Die GWG der Stadt Linz ist eine gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft, die ihre Planungsaufträge zuweilen über Wettbewerbe oder freihändig an inhaltlich und gestalterisch anspruchsvolle Architekturbüros vergibt. Der in der Steiermark und in Oberösterreich mit hochrangigen Architekturpreisen ausgezeichnete Linzer Klaus Leitner gehört zu dieser, im oberösterreichischen Wohnungsbau nicht eben überrepräsentierten Schar. Er hat in Arbeitsgemeinschaft mit dem in Wien ansässigen Architekten Walter Hans Michl für die GWG auf einer „Laskahof“ genannten Restfläche unter hohem Planungsaufwand eine Anlage von 90 Wohnungen mit einem viergruppigen Kindergarten entwickelt, die den Mehrwert von Architektur in einem weitgehend visionslos gewordenen Aufgabenfeld dokumentiert.

Der Laskahof liegt im Südwesten von Linz unmittelbar neben einem Park. Da dieser Park aber von drei stark befahrenen Straßen flankiert wird, zeichnet den Bauplatz ungeachtet der Lage am Grünraum vor allem seine hohe Immissionsbelastung aus. Gelänge es von dieser abzusehen, bliebe dennoch das wenig ansprechende Umfeld der von Drive-ins, Gewerbebauten und den Resten kleinstmaßstäblicher Wohnhäuser geprägten Randzone, die an das klarer aufgebaute Siedlungsgebiet der Neuen Heimat grenzt. Aber es bleibt: der Park. Wenngleich sein Wert durch eine den Verkehrslärm mildernde Bebauung entlang der Salzburger Straße enorm steigen würde, macht er hier mit seinem schönen alten Baumbestand eine Wohnbebauung erst denkbar.

Die klugerweise in Passivhausqualität mit kontrollierter Raumlüftung ausgeführte, also auch bei stets geschlossenen Fenstern funktionstüchtige Anlage schirmt folglich den Grünraum von den Straßen im Süden und Osten ab. Der die Krümmung der Laskahofstraße begleitende Trakt ist fünfgeschoßig, jener an der Dauphinestraße setzt die geschlossene Bebauung nur in einem Sockelgeschoß fort, über dem sich drei Pavillons mit jeweils vier Obergeschoßen erheben. Ein vierter, ebenerdiger Pavillon ist in die an dieser Stelle ein wenig größere Tiefe des Bauplatzes geschoben. Er fasst die vier Gruppenräume des Kindergartens, die sich mit großzügigen Verglasungen und über vorgelagerte überdachte Freibereiche zum Garten hin öffnen. Die mit sorgfältig detaillierten Einbauschränken aus hellem Holz ausgestatteten Gruppenräume haben eine etwas erhöhte, zweigeschoßig ausgebildete, von einer Laterne erhellte Mitte und eine korrespondierende Mulde im Boden. So wird der Umgang mit unterschiedlichen Raumebenen und -qualitäten zu einer anregenden Alltagserfahrung für die Kinder. Die Gemeinschafts-, Verwaltungs- und Nebenräume des Kindergartens sind im straßenbegleitenden Trakt untergebracht, jedoch wie die Gruppenräume weitgehend zum Garten hin orientiert. Zwei Geschäftslokale und die drei Stiegenhäuser zur Erschließung der Wohngeschoße nehmen den Rest des Sockelgeschoßes ein.

In den Stockwerken darüber liegen die über großflächige Glasfassaden natürlich belichteten Treppen in der Mitte der Baukörper und erschließen so pro Ebene drei respektive vier Wohnungen. Die verringerte Bebauungsdichte der Wohngeschoße geht mit der Erweiterung des Freiraums und der Steigerung der Nutzungsqualität einher: Keine der Wohnungen ist ausschließlich zur Straße hin orientiert, das Dach des Sockelgeschoßes ist überdies als Terrasse den daran liegenden Wohnräumen zugeordnet. Der zweite, die Laskahofstraße flankierende Trakt wird von einem anderen Wohnungstyp geprägt, in dem die Teilhabe am Grünraum jedoch mit ähnlichem Sinn für Gerechtigkeit behandelt wird. Die Wohnungen im etwas aus dem Terrain gehobenen Erdgeschoß öffnen sich allesamt zum begrünten Innenhof und verfügen über einen kleinen Garten, während der straßenseitige Teil des Erdgeschoßes mit Nebenräumen belegt ist. In den Obergeschoßen aber liegen Maisonetten, die auf jeweils einer ihrer beiden Ebenen von der Straße, auf der anderen aber vom Hof her belichtet werden. Damit haben Leitner/Michl den ausdrücklichen Wunsch der GWG, rein straßenseitig belichtete Wohnungen zu vermeiden, erfüllt und gleichzeitig in zwei Geschoßen die horizontalen Erschließungsflächen eingespart.

Ein zweites Anliegen: Die Ergänzung jeder Wohnung durch einen privaten Freiraum prägt auch das Erscheinungsbild der Anlage. Die mit einer dicken Schichte aus Wärmedämmung und orangem Verputz Witterung und Stadtraum trotzenden Baukörper gewinnen durch eine Vielzahl an dicht und bewusst unregelmäßig gesetzten Loggien eine fröhlich anmutende Plastizität. Die schiere Menge und das unbekümmerte Nebeneinander rufen Erinnerungen an die dichten Siedlungen südlicher Gefilde wach, was, je nach Hintergrund, „Urlaub oder Heimat“ bedeuten mag. Der Respekt vor der Sehnsucht vieler Menschen nach dem eigenen kleinen Stück grüner Wiese und blauen Himmels erschöpft sich im Laskahof aber nicht in einigen wenigen Mietergärten und in Loggien für alle. Es spricht für die Beweglichkeit der GWG, dass sie den Vorschlag der Architekten, die flachen Dächer der Häuser in kleine Gartenparzellen zu teilen, umgesetzt hat. Hier oben, weit über dem Lärmen des Stadtrands, pflegen die Mieter ihre Blumen und Gemüsestauden. Vielleicht ersparen sie es sich dadurch sogar, eines Tages den ohnedies nie versiegenden Strom der Pendler in das vermeintliche Idyll des Speckgürtels zu speisen.

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