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Gutes Hausklima, geschontes Weltklima
Der Standard

Wohnen

Österreichs geförderter Wohnbau trägt durch kräftiges Energiesparen schon seit Jahren weit mehr zu den Kioto- Klimaschutzzielen bei als andere Wirtschaftszweige. Das Standard-Wohnsymposium widmete sich diesmal den Chancen von Passivhäusern und anderen Wohnbau-Innovationen im Spannungsfeld mit dem Bewohner - der Grenze jeder Technik.

27. Juni 2003 - Eric Frey
Vor fünf Jahren hat Österreich so wie viele andere Staaten das Kioto-Protokoll unterschrieben und sich damit verpflichtet, seinen Ausstoß von klimaschädigendem CO vom Basisjahr 1990 bis 2010 um 13 Prozent zu senken. Doch seither ist der Ausstoß nicht gesunken, sondern deutlich gestiegen. Viele Experten bezweifeln, dass Österreich sein Kioto-Ziel erreichen kann.

Während Verkehr und Industrie Jahr für Jahr mehr Treibhausgase in die Atmosphäre blasen, erweist sich der Wohnbausektor als grüner Musterschüler: Dank gezielter Förderung für thermische Altbausanierung durch die Wohnbauförderung und innovativen Energiesparkonzepten im Neubau ist in diesem Bereich der CO-Ausstoß im Sinken begriffen.

Und während Architekten Energieeffizienz lange Zeit als lästige Auflage betrachtet haben, entdecken immer mehr Planer den Reiz des Passivhauses, das auch im Winter fast keine Heizung benötigt, um wohlige Wärme zu bieten - und im Sommer die Räume schön kühl hält.

Doch nicht alles, was technisch möglich ist, erweist sich als wirtschaftlich sinnvoll und nutzerfreundlich. Das 16. Wohnsymposium über die „Zukunft des Wohnens“, das DER STANDARD am vergangenen Dienstag mit dem „Haus der Zukunft“, dem Wohnservice Wien und der Zeitschrift Wohnen Plus veranstaltete, widmete sich unter dem Titel „Das Haus im Klimawandel: Passiv oder Hightech“ der Frage, wie Energiesparen und nachhaltiges Bauen in der Praxis umgesetzt werden können.

Im 15. Stock des Generali-Towers am Donaukanal trafen Experten und Manager aus der Wohnungswirtschaft, den Banken und der Architektur zusammen, um Vorschläge für noch größere Beiträge des Wohnbaus zum Klimaschutz auszuarbeiten. Das Fazit: Die Politik muss die richtigen Anreize für ökologisches Handeln bieten, doch letztlich hängt es von Planern, Bauträgern und vor allem von den Bewohnern ab, ob am Ende wirksam Energie gespart wird.


Rolle der Politik

Infrastrukturminister Hubert Gorbach bekannte sich in seiner Eröffnungsrede zur Verantwortung der Politik. Er erzählte von den Widerständen gegen den Bau vom Kunsthaus Bregenz, den er als Vorarlberger Landesrat einst betrieben hatte. Heute ist das Museum ein Prunkstück des Kulturlebens am Bodensee. „Vieles kann die Masse am Anfang nicht richtig beurteilen, da muss die Politik vorangehen“, sagte er.

In Gorbachs Ressortzuständigkeit fällt das „Haus der Zukunft“, das die technische und sozialwissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet des nachhaltigen Bauens fördert - sowie deren Umsetzung in konkreten Bauprojekten. Doch zahlreiche Referenten warnten davor, sich allein auf technologische Innovationen wie das Passivhaus zu verlassen. Diese müssten von den Bewohnern akzeptiert werden, die wiederum ihr Verhalten auf die neue Bauweise anpassen müssten - etwa die automatische Lüftung, die das Fensteröffnen ersetzt.

Höhere Errichtungskosten würden zwar durch niedrigere Heizungskosten wieder hereinkommen, doch sei diese Rechnung vielen Kunden schwer zu vermitteln, sagten der Psychologe Alexander Keul und der Chef der Grazer Energie-Verwertung-Agentur, Boris Papousek. Gefährlich sei es auch, die optische Qualität bei der Passivhausweise zu vernachlässigen, warnte der Vorarlberger Architekt Dietmar Eberle. Doch wie viele neue Niedrigenergieprojekte im mehrgeschoßigen Wohnbau zeigen, lassen sich auch nachhaltige Häuser architektonisch interessant gestalten.

Vertreter des gemeinnützigen Sektors wie Herbert Ludl und Wilfried Haertl wiesen auf die kurz- und langfristigen finanziellen Einschränkungen hin, die dem Bauträger die Lust am Passivhaus nehmen können. Vor allem Ludl warnte davor, Energieeffizienz auf Kosten von Gemeinschaftseinrichtungen und anderen Zielen zu stark zu forcieren. Die wirkliche Chance für den Klimaschutz liege in der Altbausanierung, wo noch immer viel an Energieeinsparungen zu holen sei. Wie der Bauphysiker und Humanökologe Ardeshir Mahdavi ausführte, beträgt der jährliche Neubau bloß zwei Prozent des Gesamtbaubestandes, von dem viel noch nicht saniert ist.


Ökosünder Bauen

Und schließlich müsse man auch auf die Energiebilanz und ökologischen Kosten in der Bauindustrie schauen, die rund ein Drittel des gesamten Energieverbrauches in unserer Gesellschaft verschuldet. Daher war es kein Zufall, dass bei den von den neun Tischrunden ausgearbeiteten Vorschlägen für eine klimaschutzorientierte Wohnpolitik ein Aufruf für mehr Öko-Transparenz bei Baustoffen einen knappen Sieg davon trug. Die einprägsame Formulierung „Wie viel CO kostet das Haus?“ tat das ihre zum Erfolg.

Die politischen Parteien nehmen alle das Thema Klimaschutz und Kioto-Ziel ernst; das zeigte auch die Debatte zwischen SPÖ-Technologiesprecher Josef Broukal und ÖVP-Wohnbausprecher Wolfgang Großruck, die zumeist übereinstimmten. Über den besten Weg dorthin aber werden sich die Expertengeister aber noch lange scheiden.

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