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„Ich schaue und lese die Landschaft“
Der Standard

Für die chilenische Landschaftsarchitektin Teresa Moller ist die Geschichte eines Ortes für die Gartengestaltung essenziell.

13. Oktober 2012 - Christine Schatz
STANDARD: Haben Sie selbst einen persönlichen „best private plot“?

Moller: Natürlich! Der Ort, den ich am meisten liebe, ist mein kleines Waldstück in Kawelluco im Süden von Chile. Ich habe dort eine kleine Holzhütte. Dort experimentiere ich, indem ich im Wald mit Objekten und Dingen ganz einfache Räume gestalte, um Menschen durch diese Landschaft zu geleiten. Kawelluco ist mein eigener Spielplatz, um Ideen zu haben, die ich dann in anderen Projekten verwende.

STANDARD: Ihr Heimatland Chile ist landschaftlich einzigartig und reicht von Wüste bis Regenwald. Welche Herausforderungen müssen Sie als Landschaftsarchitektin bewältigen?

Moller: Ich bin sehr glücklich, mit einer solchen Vielfalt an Umgebungen und Pflanzen arbeiten zu dürfen. Die Herausforderung besteht darin, in der Lage zu sein, die verschiedenen Arten von Ausdruck an jedem Ort zu lesen.

STANDARD: Das bedeutet?

Moller: Wenn ich ein Projekt beginne, dann muss ich zunächst den Ort verstehen. Das ist der Anfang. Ich stelle mir nichts vor, bevor ich nicht vor Ort bin. Ich schaue dann, ich träume, ich lese die Landschaft, ich übe sie.

STANDARD: Und dann?

Moller: Ich suche nach den vorhandenen Schätzen. Ich bemerke Dinge, die für andere Menschen schwieriger zu sehen sind. Mein Bestreben ist es, diese sichtbar zu machen. Das ist eine Art von Enthüllen und Aufwerten, denn meist sehen wir nicht, was wir alles haben.

STANDARD: Beim Symposium „public spots on private plots“ haben Sie über Ihre Arbeit als „Einladung zu einem Spaziergang“ gesprochen. Wie sieht diese Einladung aus?

Moller: Die Essenz meiner Arbeit ist, Natur zugänglich zu machen. Das ist meine Einladung. Ein Bespiel: Beim Projekt in Punta Pite haben mich die Eigentümer einer Wohnhausanlage gebeten, die Küstenlandschaft, die aus dunkelgrauen, zerklüfteten Felsen besteht, zu gestalten. Alles sehr wild, ohne Eingriffe von Menschenhand. Mit der Hilfe von Steinmetzen haben wir Treppen, kleine Brücken und einfache Wegen geschaffen. Alles von Hand gebaut. Jetzt sind die Menschen in der Lage, die Landschaft zu entdecken und die Natur zu erforschen. Auf ihrem Weg hinunter können sie zwar die Felsen berühren, aber sie müssen nicht.

STANDARD: Was macht europäische Gärten für Sie interessant?

Moller: Europa ist für uns das Mutterland der Landschaftsarchitektur! Ich lerne viel auf meinen Reisen.

STANDARD: Wie wichtig ist die ökologische Nachhaltigkeit bei der Arbeit als Landschaftsarchitektin?

Moller: Nachhaltigkeit ist in unserer Arbeit, also bei der Gestaltung von Freiräumen, ein Schlüsselbegriff. Wenn wir mit Landschaft und Natur arbeiten, ist ein respektvoller Ansatz wesentlich. Es geht nie darum, alles zu verändern, damit es besser, größer oder schöner wird. Es geht darum, den Ort dorthin zurückzubringen, wo seine Geschichten stattgefunden haben.
[ Teresa Moller (54) arbeitet in Santiago de Chile und zählt zu den bedeutendsten Landschaftsarchitektinnen der Welt. ]

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