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Alpin ohne Jodeln
Spectrum

Trotz großen Volumens kein Fremdkörper im kleinen Ort: Am Hotel „Travel Charme Bergresort Werfenweng“ in Salzburg ist erkennbar, was der persönliche Bezug des Architekten zu einem Bauort ausmachen kann.

9. März 2013 - Iris Meder
Ort der Handlung: Werfenweng im Pongau. Im 45 Kilometersüdlich von Salzburg gelegenen 900-Einwohner-Ort, der vor allem vom Tourismus lebt, hat man sich seit 1997 einem touristischen Konzept der sanften Mobilität verschrieben. Unter dem Namen SAMO soll es das Anreisen mit der Bahn oder zumindest das Stehenlassen des Autos am Urlaubsort fördern, das die kostenfreie Nutzung von Elektroautos, Elektro-Scootern und Segways beinhaltet. Für die Gemeinde, die Partner des internationalen Projekts STARTER(Sustainable Transport for Areas with Tourism through Energy Reduction) ist, gehört dazu etwa auch die vermehrte Nutzung von Solarenergie.

Der Architekt Hermann Eisenköck kennt die lokalen Verhältnisse seit mehr als 30 Jahren. Dies trug mit dazu bei, dass das von Eisenköck geplante, vor wenigen Wochen eröffnete neue „Travel Charme Bergresort Werfenweng“ im Ort trotz seines Volumens nicht als Fremdkörper wirkt und auch nicht so empfunden wird. Eisenköck fungierte bei dem Projekt einerseits als eine Hälfte der „Werfenweng Hotelerrichtungs- und Besitzgesellschaft mbH“, als Auftraggeber und Bauherr und andererseits als verantwortlicher Planer des Architekturbüros ArchitekturConsult ZT GmbH, als Architekt und Generalplaner. Den Betrieb des Vier-Sterne-Plus-Hotels übernahm eine deutsche Kette. Mit ihren großteils an der deutschen Ostseeküste gelegenen Häusern fiel sie bisher nicht durch überdurchschnittliche Architektur auf – was sich nun mit der Expansion nach Österreich ändert.

Als Baugrund wurde ein annähernd 30.000 Quadratmeter großes Gelände imOrtszentrum zwischen Gemeindeamt, Feuerwehr, Volksschule, Kirche und Kindergarten ausgewiesen; am Garten des Hotels führt ein öffentlicher Fußweg vorbei. Eisenköck plante das Resort mit einer bebauten Fläche von insgesamt gut 6000 Quadratmetern als lose Gruppierung von drei Zimmer-Blöcken in Form liegender Quader, die über einem ein- bzw. zweigeschoßigen Sockelbereich dreistöckig aufragen. Das Erdgeschoß nimmt zwei Restaurants mit 230 respektive 50 Sitzplätzen, eine Bar, Bibliothek, Shop, Raucherlounge und einen Seminarraum auf. Auf dem zum Ort hin leicht abschüssigen Terrain ist der gut 1700 Quadratmeter große Spa-Bereich auf der Ebene unter der Lobby platziert, mit ebenerdigem Ausgang zu Freibecken und Garten.

Ergänzt wird dieser Bauteil durch drei zurückhaltend gestaltete holzverkleidete „Residenzen“. Die mit flachen Satteldächern gedeckten Bauten nehmen insgesamt 46 wie die Hotelzimmer und -suiten ausgestattete Eigentumsapartments auf, die vom Hotel mitbetrieben und vermietet werden, wenn die Eigentümer sie nicht selbst nutzen. Zusätzlich wurde eine auf dem Gelände befindliche ehemalige Pension als Wohnhaus für das Personal adaptiert. Insgesamt verfügt die Anlage mit ihren 120 Zimmern und Suiten und den Apartments über Kapazitäten für 400 Übernachtungsgäste, die von gut 80 Mitarbeitern betreut werden.

Der persönliche Bezug des Architekten zum Ort erwies sich als Vorteil. Die Baukörper wurden so gegeneinander versetzt und in der Höhe gestaffelt, dass ihre großen Volumen nicht als solche in Erscheinung treten. Leichtigkeit, Luftigkeit und die Inszenierung der Bergpanoramen in Kombination mit traditionellen Materialien sind in der gesamten Anlage spürbar. Schon beim Betreten des Gebäudes zelebriert die verglaste Lobby die spektakuläre Lage des Hauses, und der matte dunkle Boden aus geräucherter Eiche schafft eine einladende Stimmung. Hier hat sich auch die Zusammenarbeit mit dem auf Hoteleinrichtungen spezialisierten Innenarchitekten Lorenzo Bellini bewährt. In der Möblierung von Lobby und Zimmern greift Bellini auf die große Tradition der Moderne in den Tiroler Hotel- und Gastronomiebauten der Zwanzigerjahre zurück, was der Atmosphäre des Hotels sehr gut bekommt. Kombiniert werden Bellinis Massivholzmöbel mit Bergen von farbigen Kissen und Details, die leicht ironisch an die Sechzigerjahre erinnern.

Im ganzen Haus wird auf regionaltypische, alpine Materialien wie unbehandelte, gewachste und geräucherte Eiche, geölte Lärche, Wollstoffe und Filz gesetzt, einzelne farbige Akzente ergänzen die matten, holzigen Grundtöne. Die mit Lärchenholzlatten verkleideten Zimmertrakte sind so gegeneinander abgewinkelt, dass sich von den großzügigen Loggien aller Zimmer und Suiten Ausblicke auf Hochkönig, Tennen- und Hagengebirge bieten. Ein optisches Highlight des Hauses ist auch die von dunklem Holz geprägte Bar im Erdgeschoß. Neben Barhocker- und Fauteuil-Zonen, die durch unterschiedliche Fußbodenniveaus immer ein Kommunizieren mit den Barkeepern auf Augenhöhe ermöglichen, verfügt sie über ein „begehbares Weinregal“ in Form eines durch eine Glaswand vom Barbereich abgetrennten Extrazimmers mit Fenstern nach draußen. Trotz der warmen Atmosphäre der Bar ist hier jeder Alpinkitsch vermieden.

Sollte das alles irgendwem zu zeitgenössisch sein, gibt es noch eine Alternative: Aus dem Besitz der Familie Eisenköck stammt ein 400 Jahre altes Rauchhaus, das an seinem ehemaligen Standort ab- und auf dem Hotelgelände wiederaufgebaut wurde. Hier kann man im althergebrachten historischen alpinen Holzambiente schwelgen. Dieses wurde allerdings auf seine schöne, schlichte bauliche Substanz reduziert – platte Lederhosen-Jodel-Details aus der Geisterbahn des Wintertourismus wird man auch hier vergeblich suchen.

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