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Genug Bier für die Zukunft
Spectrum

Im oberösterreichischen Freistadt gilt Bierbrauen seit jeher als Bürgerrecht. Warum der Umbau der Braucommune nicht nur wichtig für die diesjährige Landesausstellung ist.

20. April 2013 - Romana Ring
Freistadt, Verwaltungssitz des gleichnamigen Bezirkes, ist nicht ohne Grund Austragungsort der auch heuer wieder grenzüberschreitend konzipierten oberösterreichischen Landesausstellung. Der aus dem Mittelalter stammende und im Barock signifikant überformte historische Kern der Stadt ist mehr als ein touristisch verwertbares Ziel. Er verdankt seinen guten Erhaltungszustand großteils dem Glück, von kriegerischen Zerstörungen verschont geblieben zu sein. Doch hat erst das vorbildhafte Zusammenwirken von Stadtpolitik und -verwaltung mit dem Bundesdenkmalamt und einer engagierten Architektenschaft jenes andere, nicht weniger schmerzhafte Zerstörungswerk in Schranken gehalten, das vielerorts in kurzer Zeit des Friedens und der wirtschaftlichen Prosperität vernichtet, was lange Perioden der Unsicherheit und des Mangels überdauert hat. Am Beispiel Freistadts und einer Vielzahl hier realisierter, mit zahlreichen Preisen gewürdigter Revitalisierungsprojekte kann man lernen, wie man eine kleinteilig strukturierte, historisch gewachsene Substanz durch unsere Ära des rückhaltlosen Bekenntnisses zum motorisierten Individualverkehr ökonomisch sinnvoll für die Zukunft erhält.

Die Braucommune Freistadt wird heuer neben drei weiteren Standorten in Bad Leonfelden, Ceský Krumlov und Vyšší Brod die Ausstellung „Alte Spuren – Neue Wege“ beherbergen. Die Braucommune ist mit ihrer Produktion von rund 60.000Hektolitern Bier und 20.000 Hektolitern alkoholfreier Getränke die größte Brauerei des Mühlviertels. Ihre Existenz geht auf das 1363 verbriefte Recht jedes Freistädter Bürgers, Bier zu brauen, zurück. Mit der 1770 als Qualitätssicherungsmaßnahme begonnenen Errichtung eines gemeinsamen Brauhauses außerhalb der Stadtmauern wurden alle 149 Hausbesitzer der Innenstadt Mitglieder der Braucommune und sind es bis heute geblieben. Das Areal der Braucommune liegt südwestlich des historischen Stadtkerns, von dem es die in diesem Abschnitt „Promenade“ genannte Bundesstraße 310 trennt.

Mit dem Umbau des Hauptgebäudes der Braucommune jedenfalls hat die Projektgemeinschaft der in Freistadt ansässigen Architekten Pointner Pointner und Christian Hackl ihre Fähigkeit zur denkmalpflegerisch sensiblen Ertüchtigung historischer Bausubstanz erneut bewiesen. Sie haben das dreigeschoßige, in seiner Erscheinung von massiven, verputzten Mauern, kleinen Fenstern und einem mächtigen Walmdach geprägte Gebäude in seinem Charakter bestärkt, nicht verändert. Seine Umformung vom reinen Brauhaus zu einer Mischung aus (Schau-)Brauerei, temporärem Ausstellungsgebäude, Büro-, Seminar- und Kulturhaus sowie zum Standort einer großen Gastronomie haben sie mit sparsamen Eingriffen bewältigt, die dem Wesen des Bestandes nicht geschadet haben. Dieser hat als echter Industriebau schon manche Veränderung gesehen: Einige der jetzt vorgenommenen Maßnahmen haben gezeigt, dass hier ein Zustand erneut hergestellt wurde, den es im Lauf der Jahrhunderte längst gegeben hat.

Das Herzstück des heutigen Brauhauses ist eine zweigeschoßige Halle links des Durchganges, der den Straßentrakt etwa in seiner Mitte teilt und die Promenade mit dem Hof der Braucommune verbindet. Während der Landesausstellung wird die Halle als Foyer und Ausgangspunkt der Führungen genutzt, später wird sie der Braucommune als Schau-Sudhaus dienen. Die Planung der eigentlichen Brauanlage oblag dem technischen Büro Weihenstephan, für dessen Konzept die Architekten in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt die räumliche Entsprechung gefunden haben. Vier mächtige Pfeiler tragen die gewölbte Decke der Halle. Eingestemmte Nischen erinnern an die Betondecken, die hier einmal aufgelegen sind. Aus dem Keller ragen drei Sudkessel in den Raum. Ein vierter Kessel ist in einem kleinen Anbau an der Südseite des Hauses untergebracht, der mit seiner an der Innenseite halbkreisförmig gerundeten Rückwand Anleihen beim Sakralbau nimmt. Diese Anmutung ist zu einem guten Teil dem von Arik Brauer entworfenen Glasbild geschuldet, das durch einen vom selben Maler geschaffenen Brunnen im Hof ergänzt wird. Man kann, wie Architekten nur zu gut wissen, nicht alles haben.

Auch den jenseits der Mittelachse untergebrachten Braugasthof haben Pointner Pointner und Christian Hackl nur in seiner logistischen Struktur entwickelt. Die Ausstattung der Räume ist an einen Gastronomieplaner vergeben worden. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn es dieser Zunft endlich einfallen wollte, ihr Einrichtungswerk eher in den Dienst erträglicher akustischer Verhältnisse denn kurzlebigen Lifestyles zu stellen. Nach dem Abbau der Landesausstellung wird die im Nordtrakt untergebrachte Küche jedenfalls nicht nur den Gastgarten, sondern über zwei bestehende Stiegen auch die Kellerräume beliefern, die von den Architekten unter Schonung der ursprünglichen Erscheinung trocken gelegt wurden. Während das erste Obergeschoß des Brauhauses hauptsächlich von den Büros der Braucommune eingenommen wird, gibt es im zweiten Obergeschoß wieder multifunktional angelegte, kulturell wie gastronomisch nutzbare Räume. Doch auch die ureigene Funktion des Bierbrauens bleibt mit den Hopfenlagern im Nordtrakt des Gebäudes präsent.

Die barrierefreie Erschließung der gesamten Anlage wird über den einzigen von außen ersichtlichen Eingriff in den Bestand ermöglicht. Die aus Stahlblech gekanteten Stiegenläufe sind um den im Auge situierten Aufzug angeordnet; daneben haben Sanitärräume Platz gefunden. Im zweiten Stock öffnet sich das Stiegenhaus auf eine kleine Terrasse mit Ausblick auf den Süden der Stadt. Hier ragt der alte Schlot auf, dessen jährliche Kehrung noch als ein mit beträchtlichem Bierkonsum verbundenes Ereignis im Gedächtnis der Freistädter verankert ist. In diesem Stockwerk hat eine weitere traditionsreiche Einrichtung Freistadts, das Bürgerkorps, seinen Proberaum. So wird aus den unterschiedlichsten Funktionen ein Netz gewoben, das dem Brauhaus die Zukunft weit über die Landesausstellung hinaus sichert – sodass es seinen Besuchern weiterhin mit vielen sorgfältig freigelegten Details Blicke in die Vergangenheit ermöglichen wird.

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