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Ein Loft auf dem Lande
Spectrum

Erst Wohnhaus mit Schießstätte und Ausschank, dann Motel, schließlich Nahversorgermarkt: die kuriose Karriere eines Gebäudes, das nun Platz für sieben Wohnungen bietet. In Schwanenstadt, Oberösterreich.

3. August 2013 - Romana Ring
Wohnen im ländlichen Raum: Das ist für die einen der Traum vom Eigenheim imGrünen, für die anderen die häufig als weniger traumhaft empfundene Mietwohnung im Genossenschaftswohnblock. Dazwischen hat der Wohnungsbau abseits der großen Zentren nicht allzu viel zu bieten. Ein kleines, von der in Wien und Schwanenstadt ansässigen Architektin Marie-Theres Süßner geplantes Objekt in Schwanenstadt ist in diesem Zusammenhang eine erfrischende Ausnahme. Es zeigt, dass ungewöhnliche Konzepte des Wohnens nicht der Großstadt bedürfen, um warmen Anklang zu finden.

Ursprünglich stand auf dem kaum 500 Meter vom Schwanenstädter Stadtplatz entfernten Grundstück an der Kaiserschützenstraße das, was die Adresse bereits andeutet: ein Wohnhaus mit angeschlossener Schießstätte und Ausschank. In den 1950er-Jahren genehmigte die Gemeinde die Errichtung eines Motels im Norden des historischen Wohngebäudes. Später, nach dessen Niedergang und Abbruch, siedelte sich ein Nahversorgermarkt hier an, der jedoch die erste sich bietende Gelegenheit wahrnahm, an den Stadtrand zu ziehen.

Zurück blieb ein ebenerdiges Gebäude, das so dicht an die Grenzen seines Bauplatzes heran gebaut war, wie dies wohl kaum jemals wieder genehmigt werden würde. Damit aber wurde der Erhalt des Bestandes – so wenig Liebreiz man dem ohne erkennbaren gestalterischen Willen errichteten Gebäude auch abgewinnen mochte – zu einer wirtschaftlichen Überlebensfrage. Auch der Entschluss, das aufgegebene Marktgebäude als Wohnhaus zu revitalisieren, war angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten der innerstädtischen Handel- und Gewerbetreibenden, sich gegen den Kaufkraftabfluss an die Peripherie zu stemmen, wohl vernünftig.

Im Norden und Süden von jeweils einem Altbau in die Zange genommen, erhält der ehemalige Supermarkt von zwei Seiten Licht und erhebliche räumliche Großzügigkeit. Denn im Westen öffnet sich ein großer, von einigen Bäumen bestandener innerstädtischer Parkplatz, während das im Osten an die Kaiserschützenstraße grenzende Feld gänzlich unverbaut ist. Eine weitere Qualität des Bestandes, die darin gegebene Raumhöhe von vier Metern, wurde zur zweiten Konstante auf der Suche nach einer neuen Ordnung des Vorgefundenen. Die von Ost und West annähernd gleichwertige Belichtungs- und Aussichtssituation und die Tiefe des Baukörpers von etwa 20 Metern legten die Entscheidung zu einer zweihüftigen Anlage nahe.

So betritt man nun den Trakt mit den neuen Wohnungen über eine schmale, von einem elegant in Schwebe gehaltenen Vordach beschirmte Fuge zum alten Wohnhaus und befindet sich in einem von Lichtkuppeln erhellten Mittelgang, der insgesamt sieben Wohnungen erschließt. Der Gang mündet im Norden in einer Lagerfläche mit Stauräumen für die einzelnen Wohnungen. Diese sind unter kleinen, der jeweiligen Lage im Gebäude entsprechenden Anpassungen der Grundrisse sehr ähnlich ausgebildet.

Alle Wohnungen werden durch ein großzügig zum Boden geführtes, mehrteiliges Fensterelement belichtet, das nahezu die gesamte Breite ihrer nach Osten respektive Westen schauenden Fassade einnimmt. Marie-Theres Süßner hat die tragende Stahlbetonstruktur des Bestandes übernommen, die ehemalige Außenwand des Supermarktes jedoch nach Entfernen der Parapete zur Grenze überdachter Loggien umgedeutet. Die thermische Hülle der Wohnungen liegt um etwas mehr als einen Meter nach innen versetzt. Somit verfügt jede Wohnung über eine Terrasse, die durch das Einbeziehen des jeweiligen Vorgartenstreifens respektable Tiefe gewinnt; zu den Nachbarn und zum Parkplatz hin sind die Freiräume durch geschlossene Leichtbauwände vor neugierigen Blicken geschützt; im Osten wiederum wird der Ausblick auf das ländlich-idyllische Umfeld durch einen Maschenzaun nicht behindert.

Die Wohnungsgrundrisse sind durchwegs offen angelegt: Ein in allen Dimensionen großzügiger Raum wird durch eine Nasszelle in unterschiedliche Nutzungsbereiche geteilt. Die frei im Raum stehende Box hat die Tiefe einer Badewanne und fasst ein Badezimmer, das auch Platz für eine Waschmaschine bietet sowie ein räumlich vom Bad getrenntes WC. Die in Trockenbauweise errichtete Box weist eine der Proportion ihrer Grundrissfläche angemessene Raumhöhe auf. An den oberen Längskanten überbrücken hölzerne Balken ihren Abstand zu den Wohnungstrennwänden. Auf diesen Balken liegt die Decke der Nasszelle, die in einigen Abschnitten aus lichtdurchlässigen Kunststoff-Stegplatten, in anderen Bereichen aus beschichtetem Sperrholz gefertigt ist. Somit liegt in jeder Wohnung über der Nasszelle ein Bereich, der, beispielsweise als Hochbett genutzt, die Grundrissfläche kostenlos erweitert.

Diese umfasst auf der unteren Ebene in jeder Einheit einen Wohn- und Essbereich mit Ausgängen auf die vorgelagerte Terrasse, einen Vorraum, der das Wohnzimmer vom Eingang trennt und eine Küchenzeile, die als Durchgangsraum den entsprechend bemessenen Abstand zwischen Bad und Wohnungstrennwand auf der anderen Seite der Wohnung nutzt. Der Bereich zwischen der Nasszelle und der dem erschließenden Mittelgang zugewandten Innenwand kann bei Bedarf vom Rest der Wohnung durch die Holzbalken entlanglaufende Schiebewände – optisch – getrennt werden. Hier, in der geschützten, von einer Lichtkuppel zusätzlich erhellten Tiefe des Raumes findet ein Schlaf- oder Arbeitsbereich seinen angemessenen Platz.

Die Variabilität der Raumnutzung wird durch eine bewusst ins allgemein Gültige zurückgenommene Wahl der Materialien und Farben unterstützt. Weiße Wände und Decken, von Betonträgern strukturiert, ein hellbrauner Holzboden, keramische Beläge ähnlichen Farbtones in der Mittelzone,durchscheinende Stegplatten und dunkel beschichtetes Sperrholz ergeben einen Hintergrund, vor dem sich Lebensentwürfe unterschiedlichster Art entfalten können. Marie-Theres Süßners ebenso robuste wie gestalterisch anspruchsvolle Detailausbildung festigt in Verbindung mit Licht und Abstand jene Anmutung von Großzügigkeit, die der handelsüblichen Kleinwohnung doch viel zu selten beschieden ist.

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