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Bühne frei für das Familienstück!
Der Standard

Einfamilienhaus klingt einfach - doch eine Familie ist eine komplexe Sache. Wie man sie dennoch unter einen Hut bringt, zeigt ein täuschend einfaches Haus von FRANZ Architekten.

28. September 2013 - Maik Novotny
Eichgraben - Ein eigenes Haus baut man sich nur einmal, heißt es oft. Wie aber gelingt es, dass ein Haus alle möglichen Konstellationswechsel von Klein- zur Großfamilie und wieder zurück bewältigt, ohne teure, aber ungenutzte Kubikmeter zu produzieren? Erwin Stättner hat sich genau diese Gedanken gemacht, als er mit Frau und kleinem Kind von Wien aufs Land ins niederösterreichische Eichgraben zog. Da er praktischerweise selbst Architekt ist (Büro FRANZ, mit Sitz in Wien), hat er die Lösung gleich umgesetzt. „Wir haben ein kleines altes Haus gesucht, denn wenn ein Architekt sein eigenes Haus komplett selbst plant, braucht das Jahre, und wir wollten rasch einziehen.“

Nicht lange danach kam das zweite Kind, ein Jahr später das dritte. Die Bauherrenmutter bot sich zur Betreuung an und brauchte daher auch zumindest einen temporären Wohnraum. Ein Anbau musste her.

Nach eineinhalb Jahren Planen, Finanzieren und Bauen war es 2012 so weit: Eine knapp über der Grasnarbe schwebende, mit diagonalen Holzlamellen verkleidete Box hat sich dem simplen Satteldachhaus dazugesellt. Dafür war ein Stück Eigenleistung vonnöten: Die Holzfassade, die sich sogar über Dach und an der Unterseite um die Box wickelt, entstand mit tatkräftiger Hilfe der Kollegen. Insgesamt sechs Kilometer Holzlatten wurden ausgemessen, zugeschnitten und montiert.

Das sieht von außen einfach aus, birgt aber eine Flexibilität, die eine ganze Menge familiärer Zukunftsszenarien in sich aufnehmen kann. Szenario Gegenwart: drei Kinder, die in einem 90-Quadratmeter-Spielzimmer herumtollen, darunter eine Einliegerwohnung für die Großmutter.

„Das Erdgeschoß kann später in vier Zimmer geteilt werden“, erklärt Bauherr-Architekt Erwin Stättner, „es hat Anschlüsse für Hochbetten und Bäder, im Boden gibt es eine Sollbruchstelle für eine Stiege ins Untergeschoß und in der Wand für eine Tür in den Garten.“ Clevere Bautechnik im Dienste der Nestwärme: Schließlich soll den Kindern in allen Phasen des Aufwachsens der richtige Raum geboten werden.

„Der Altbau ist ein bescheidenes Haus, dafür sollten die Kinder im Zubau mehr Platz haben, damit sie vielleicht länger bei uns bleiben“, so Stättner. Zurzeit schlafen die Kinder, wenn sie des Spielens müde sind, noch im Altbau unterm Dach, Bauherr und Gattin in einer Nische im Stiegenhaus.

Für die nächsten Schritte ist die Bühne bereit - auch eine Praxis für die Frau des Bauherrn, von Beruf Ärztin, ist möglich. „Man kann die Zukunft nicht vorausplanen, also muss das Haus eben alle Stücke spielen können.“

Ein Jahr nach dem Einzug kündigt sich schon der nächste Akt im Familienstück an: Die älteste Tochter wird zum zehnten Geburtstag nächstes Jahr ihr eigenes Zimmer bekommen. Weitere Bewegungen auf der Bühne werden folgen. Irgendwann, so Erwin Stättner, gebe es dann vielleicht nur noch den Kühlschrank als verbindendes Element zwischen dem Altbau-Nest und der Box für den flügge werdenden Nachwuchs.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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