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Auf der Suche nach anderen Klimahebeln
Der Standard

Energieverbrauch dürfe nicht das einzige Kriterium für effizienten Klimaschutz sein, sagen Experten. Raumordnung, Bauvorschriften und bessere finanzielle Modelle sollten mehr Aufmerksamkeit erhalten.

23. Oktober 2013 - Eric Frey
Was bringt dem Klima ein Passivhaus in Neusiedl am See, wenn der Bewohner jeden Tag mit dem Auto nach Wien pendelt? Auf diese Frage reduzierte Planungs- und Energieexperte Wolfgang Vasko auf dem Wohnsymposium das Dilemma einer Klimaschutzpolitik, die das Problem nicht ganzheitlich angeht.

Auch die Architektin Renate Hammer, Sprecherin der Plattform Baukultur, ging in ihrem Beitrag auf das Thema Raumordnung ein, das in Österreich viel zu kurz komme: Die Zersiedelung sei einer der Hauptursachen für hohen CO2-Ausstoß. „Darüber müssen wir reden und nicht über die Effizienz der Haustechnik“, forderte sie. Im Bereich des eigentlichen Wohnbaus werde heute für geringe Steigerungen der Effizienz ein immer größerer Aufwand betrieben.

Aber auch das Thema Wohnkosten müsse aus Hammers Sicht umfassender als üblich behandelt werden - nämlich als Zeichen einer wirtschaftlichen Fehlentwicklung. Hammer: „Wenn wir von Menschen hören: ,Wir können uns die Wohnung nicht mehr leisten', ist dann das Wohnen zu teuer geworden oder die Menschen zu arm?“

Hammer verwies auch auf die zahlreichen anderen Auflagen der Bauordnung, die die Errichtungskosten hinauftrieben - etwa beim Brandschutz. Um den Spagat zwischen maximalem Klimaschutz und erträglichen Kosten zu schaffen, müssten Planer viel mehr Flexibilität erhalten, als sie es vor allem unter den Bedingungen der Wohnbauförderung hätten. „Wir wissen, dass wir nicht 30 Prozent CO2, sondern 80 Prozent einsparen müssen, sonst haben wir als Generation völlig versagt“, sagt Hammer. „Aber das geht nicht, wenn man mit den Vorschriften konform geht. Wir müssen viel mehr experimentell bauen dürfen.“

Bilanz im Lebenszyklus

Auch Franz Vogler, Leiter der Baupolizei Tirol und Vorsitzender des Sachverständigenbeirats im Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB), fordert weniger starre Vorgaben und wünscht sich vor allem eine „lebenszyklusorientierte Bilanz des Energieverbrauchs“ eines Gebäudes, die auch etwa die Errichtungsphase und den späteren Abbruch mit einschließt. Dies werde nach dem Nationalen Plan auch möglich werden, sagte er. „Wir reden immer nur über die Reduktion des Energieverbrauchs und nichts anderes. Ich habe das Gefühl, da steckt Lobbyismus dahinter“, sagte er mit einem Seitenhieb auf die Dämmstoffindustrie.

Ein ständiges Problem sei auch, dass eine Seite die Ausgaben des Klimaschutzes zu tragen hätte, aber andere den Nutzen daraus ziehen, vor allem niedrigere Heizkosten, betonte Waltraud Schmid (Kompetenzentrum für Energie). Hier müssten noch neue Ideen entwickelt und angewandt werden, etwa Contracting-Modelle, die entsprechende finanzielle Anreize für Klimaschutzinvestitionen bieten.

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