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Schwechat oder: Was in Graz zu lernen wäre
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Wer meint, man müßte nur edles, teures Material verwenden und automatisch entstünde gute Architektur, der irrt gewaltig! Beweis? Franz Fehringers Zubauten zum Flughafen Wien-Schwechat.

25. Februar 1995 - Vera Purtscher
Wer meint, man müßte nur edles, teures Material verwenden und automatisch entstünde gute Architektur, der irrt gewaltig! So viel Naturstein, Chrom, Messing und Massivholz Franz Fehringer auch in Schwechats Flughafen gepackt hat, so miserabel bleibt das Endergebnis.

Nähert man sich via S-Bahn, so dringt man durch unterirdische „Gedärme“ vom dunklen zum hellen Niveau. Kommt man via Bus oder Auto, öffnen sich die Glastüren für ein Erlebnis der besonderen Art. Im alten Teil des Schwechater Flughafens durchbrechen hohe Fenster zwischen leicht geneigten Rahmen aus Stahlbeton die Fassade. Darunter sind jeweils die Schalter der Fluglinien und gegenüber Check-in-Schalter situiert. Dazwischen der längsgerichtete Raum mit grauschwarz gestreiftem Konglomeratgestein am Boden und einer homogen gelochten weißen Deckenuntersicht. Zwei Zugänge zu den Flugsteigen respektive zwei Paßkontrollen finden sich jeweils am Ende jener Hallen, die normal zur Zugangszone liegen.

Neuerdings führt in der Mitte zwischen den Check-in-Schaltern eine Treppe in die Höhe. Unter einem balkonartigen Pflanzentrog (wie gießt man hier wohl?) hindurch entführt eine Rolltreppe nebst blauer Keramik-Stiege zu drei verschiedenen Lokalen.

Was sich da an Karos tut: diagonal und gerade, in Bahnen und versetzt, im Dreieck endend oder Öffnungen in der Decke aussparend, die Lichtkuppeln vortäuschen sollen. Alles natürlich x-fach angereichert durch technische Einbauten wie Lautsprecher, Lüftungsgitter, Strahler, Notbeleuchtung und Brandmelder.

Flankiert ist der Rolltreppenaufgang von chromgefaßten Glasbausteinen, natürlich auch diese schräg gestellt und ihr Ende somit eine Zickzacklinie bildend. Das scheint das Motto hier zu sein: Wieder ist es ein unmotiviert im spitzen Winkel zum Boden geführtes Fliesen-Dreieck, das dorthin leitet, wo Glastüren in diverse „internationale“ Melange-Gourmettempel führen.

Ein kleines, rundes Glasdach – zum Kegel geformt – markiert den Gastbereich. Darin Tischchen, Spiegelchen. Gleich dahinter kommt es tatsächlich zur Melange: nichts, was sich hier nicht mit etwas anderem verbündete.

Wirklich weh tut es, wenn man am großen, kreisrunden Lichthof vorbeigeht: Der klare Glaskegel, diesmal in Großausführung, soll das Licht weiter hinunter führen. Glaswände ringsum verhindern das Stolpern Neugieriger. Dahinter Pflanzentröge, damit möglichst hermetisch abgeriegelt wird, was als matt-schmutzige Glasscheibe besagtes Licht doch tiefer führen soll.

Nun also befindet sich der Wartende vor diversen Selbstbedienungstresen, die er passiert, um zum freien Blick auf die Rollbahn zu gelangen. Nur nicht zurückschauen! Denn hier konkurrieren Decken-Untersichten mit Wandteilern, polierte keramische Fliesen mit grünen Teppichen, diese wieder mit den roten Stühlen. Hin und wieder stehen zwischen den Tischen in Holz eingespannte Glasscheiben, gewähren Durchsicht, wo sie glasklar sind, evozieren Intimität, wo sie matt ausgeführt wurden.

Kreisförmig quält sich dieser Zubau Richtung Flugfeld. Das mag ja eine maximale Außenwand mit Blickrichtung Rollfeld ermöglichen, ja könnte zu einer besonders ruhigen Gestaltung führen. Aber ruhig ist hier nur eines: der Fensterraster. Fix verglast zwischen den konstruktiven Stehern, tut sich hier (fast) nichts Überflüssiges (abgesehen vom gerafften, innenliegenden textilen Sonnenschutz).

Der Halbkreis um diese bevorzugten Fensterblick-Plätze wurde schalldämpfend „beteppicht“. Peinlich wird es dort, wo Säulen zum Teil auf Teppich, zum Teil auf rot-weiß kariertem keramischen Bodenbelag zu stehen kommen. Die Sesselleiste wird da eben in Spannteppichmaterial hingeschnuddelt – und an diesem bequemen Prinzip wird auch noch an jenen Stellen festgehalten, wo die Säulen zur Gänze aus dem Fliesenboden wachsen.

Spiegel gibt es hier, Grünpflanzen, blauen Naturstein bei den Selbstbedienungs-Tresen, Holzkassettierungen darunter, chrom- und messingfunkelnde Garderobenhaken und Säulen. Abgetreppte Deckensprünge markieren den Übergangsbereich vom Rundbau zum Hauptgebäude und bei Niveausprüngen. Spinnennetzartig markiert ein riesiges Deckenlicht das Zentrum des Selbstbedienungsbereichs. Einzige Erholung für das überstrapazierte Auge bietet der Blick auf das weite Rollfeld, wo ja äußerst selten etwas passiert.

Der Flüchtende versucht nun, eine andere Richtung einzuschlagen. Rechts ab geht es zum Restaurant mit Bedienung. Doch allfällige Hoffnungen trügen – auch hier hieß es, modisch, nicht modern zu sein! Daß die Gestaltung dieser Restaurant-Bereiche in die (Un-)Verantwortung englischer Innenraumgestalter fällt, wird doppelt die Frage auf, nach welchen Kriterien die Wiener Flughafenbetriebsgesellschaft ihre Planer aussucht.

Zurück also, via Rolltreppe in die alte Abflughalle. Nach links sich wendend, findet sich als augenfälligstes Merkmal der neuen Halle deren Deckenuntersicht: Schmale Halbtonnen strecken sich, leicht durchhängend, vom Eingangsbereich zum Flugfeld hin. Zwischen den Halbtonnen, dort, wo die Rippen aufeinandertreffen, entstehen verschieden breite Stege, die für Rasterleuchten Platz lassen. Ansonsten durchstoßen allerorten zylindrische Leuchtkörper den Hohlraum der Rippen und versehen die Decke mit zahlreichen Lichtpunkten, die sich im Steinboden spiegeln.

Ein nahezu unvergleichlicher Höhepunkt an architektonischer Lichtführung mißlang mittels kaum zu beschreibender Dachflächenfenster, die keine sind. Schneidet man die Tonne schräg an, ergeben sich schispitzenähnliche Dachfenster. Damit kein Loch entsteht, plante Fehringer ein weiteres parabolförmiges Fenster ein, das im rechten Winkel wieder zur Rippenaußenseite streben muß. Das Loch ist zu! Und doch dringt kaum diffuses Licht herein. Wozu die böse Untersicht, der schlimme Eingriff, die teure Ausführung? Der Architekt wird es wissen.

Am Ende der neuen Halle wird es enger: Eine Bar nimmt die Hälfte der Halle in Beschlag. An ihr vorbei gelangt man in einen zirka drei Meter hohen Raumtunnel und freut sich an einer Passage, die ein gläsernes Satteldach aufweist. Diese Stegkonstruktion führt zum noch unvollendeten Pier West. Die Metall-Sparren stehen allerdings für den durchschreitenden Fluggast dem Licht im Weg, sodaß der Gang zwar erhellt wird, die Lichtquelle jedoch verborgen bleibt.".

Teure Natursteinverkleidungen an den Wänden dürfen alle fünf Meter unter 45 Grad zurückspringen, gleich wieder den Rückweg antreten und so kleine Nischen bilden. Dort findet auch ein rotgestrichenes, metallisches Säulchen Platz, das als Kapitell drei Konsolen tragen darf, die dem gestalterischen Übermut eines Entwerfers entsprungen sein müssen, der hoffentlich in Zukunft keine öffentlichen Bauten mehr „ausschmücken“ darf.

Sie wollen nun all das hinter sich lassen, zücken Ihre Boarding Card und den Paß. Nach der Kontrolle öffnet sich die automatische Schiebetüre:4 &&gAuf tut sich das Abbild einer kleinkarierten Vorstellung von Internationalität. Fast erdrückt wird man von der Raumhöhe. Wer sich orientieren will, verliert sich zwischen Mozartkugeln und Daunenbettwäsche. Sie haben eben Vienna's International Labyrinth betreten, oder ist es ein Gang durch eine Shopping-Geisterbahn? Wo sternförmig sechs Gänge in einen runden „Platz“ münden, krönt eine gläserne, bunte Glaskuppel das Irdische mit einem Himmelszelt.

Später darf der erstaunte Fluggast die diversen modischen Gags an den „Fingern“ und am neuen Hauptgebäude des Flughafens bewundern. Zwischen Pier Ost und Pier West ragt leuchtend gelb eine tonnenförmige Stahlkonstruktion, an Seile gehängt, über einen runden Gelenksbau. Zu viel Schnickschnack und schlecht proportioniert, erwartet man darunter doch eine Freiluftplattform Richtung Rollfeld. Weit gefehlt! Der aufwendige Disney-World-Technologie-Effekt ist nichts weiter als mutwillige Dachgestaltung. Niemand wird je diese Untersicht bewundern können. Erst nach der darunterliegenden Decke, dem eigentlichen Dach, findet sich wieder ein Restaurant. Keiner ahnt dort, was über seinem Kopfe schwebt.

Über die Fassade treppt sich unerklärlich ein blaues Band. Ein Sprung im Gebäude nimmt zu guter Letzt schon vorweg, wohin diese Architektur gehört. In der bläulichen Glasfassade wagt es dieser Riß, sich auch noch farblich und plastisch besonders hervorzutun: Ein grüner Wulst quält sich der Linie nach.

Ob Pars pro toto oder vice versa: Der Flughafen Wien Schwechat ist eine Schande. Weniger Luxus an der Oberfläche und mehr Tiefe und Sensibilität im Entwurf hätten Österreich eine Blamage ersparen können. – Weltweit wurden im Zuge des zunehmenden Flugverkehrs Flughäfen gebaut. Die Liste der guten Beispiele ist lang, die Namen der Architekten sind einem geläufig. Bei Österreichs Haupt-Flughafen ist beides nicht der Fall.

Vielleicht sollte man sich angewöhnen, in Graz zu landen und dann mit dem Bus nach Wien zu fahren. Die Provinzstadt kann der Bundeshauptstadt in Sachen Flughafen nämlich noch einiges vormachen!

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