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Wider den Kleingeist
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Baustelle Parlament: Sanierung und Denkmalpflege? Das muss kein Widerspruch sein. Mögen die Parlamentarier endlich den Mut aufbringen, einem der wichtigsten Baudenkmäler in Österreich eine würdige Zukunft zu bereiten.

4. Januar 2014 - Franziska Leeb
Man könnte es als gutes Zeichen werten: In keiner anderen Legislaturperiode sind im österreichischen Parlament so oft die Begriffe „Architektur“ und „Baukultur“ gefallen wie in der im vergangenen Herbst abgelaufenen. Das ergibt zumindest eine Recherche auf der Website des Hohen Hauses, bedeutet aber noch lange nicht, dass tatsächlich Substanzielles zur Materie debattiert wurde. Der nach den Wahlen neu gebildete Nationalrat wird in dieser Hinsicht schon bald mehrfach stärker gefordert sein.

Seit einem Jahr läuft das zweistufige Vergabeverfahren um die Generalplanerleistungen für das österreichische Parlament. Im Sommer soll feststehen, welches der zehn für die zweite Stufe ausgewählten Architekturbüros den Zuschlag erhält. Noch ehe diese Entscheidung bekannt ist, also während die Architekten und Architektinnen noch das umfangreiche Programm ausarbeiten, gilt es im Parlament zu entscheiden, wie umfangreich und gründlich die Baustelle Parlament bearbeitet werden soll. Dazu wurde bekanntlich den Parlamentsklubs im November eine vom mit der Projektsteuerung beauftragten Zivilingenieurbüro Vasko+Partner ausgearbeitete Entscheidungsgrundlage vorgelegt, die den Parlamentariern insgesamtsechs mögliche Varianten über den weiteren Umgang mit dem sowohl baulich als auch funktional sanierungsbedürftigen Parlamentsgebäude vorgibt. Deren Bandbreite reicht von einer Restnutzung des bestehenden Parlamentsgebäudes ohne weitere Maßnahmen, was de facto einer Nicht-Entscheidung und Vertagung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag gleichkäme, bis zur Errichtung eines neuen Gebäudes und Umnutzung des bestehenden Baues von Theophil Hansen aus dem Jahr 1883.

Zwischen diesen beiden Extremvarianten gelangen vier Varianten unter der Überschrift „Sanierung“ zur Abstimmung. Realistischerweise werden sich die Parlamentarier wohl für eine dieser Lösungen entscheiden. Für all jene, denen die rund 80-seitige Entscheidungsgrundlage eine umfangreiche Lektüre ist, wurde auch ein handlicher Folder mit dem Titel „Sanierung Parlament – Quo vadis?“ ausgearbeitet. Beides ist auf der Website des Parlaments abrufbar und enthält auch eine klare Empfehlung für eine „nachhaltige Sanierung“, die über die akut notwendige Herstellung eines den Gesetzen entsprechenden Zustandes des Gebäudes, Schadensbehebungen und absolut notwendige funktionale Verbesserungen hinausgeht. Sie enthält neben der Aktivierung vorhandener Raumreserven wie etwa des beeindruckenden Dachbodens weitere Verbesserungen der räumlichen Bedingungen für alle, die im Parlament arbeiten und es besuchen.

Als finanziell aufwendigste Sanierungsvariante wird auch ein „architektonisches Zeichen“ nach außen angeboten. Diese stößt unter gestaltungswilligen Baukünstlern und bei all jenen, die gern den Vergleich mit der touristisch attraktiven Kuppel von Norman Foster auf dem Berliner Reichstagsgebäude herstellen, auf große Sympathien und klingt nicht völlig absurd. Aber abgesehen davon, dass der Hansen-Bau von ungleich höherer Grandeur und Großzügigkeit ist, als es das Berliner Pendant war, und zudem der Denkmalschutz die Beibehaltung der Konturen verlangt, ist der Hansen-Bau auch nach heutigen Maßstäben repräsentativ und zeichenhaft genug. Ohnehin ist so eine spektakuläre Lösung auch nicht Gegenstand des laufenden Generalplaner-Verfahrens. Hier werden im Grunde die Varianten „Grundsanierung“ und „nachhaltige Sanierung“ abgefragt.

Ersteres wäre wohl eine sehr pragmatische Reparaturlösung, ohne auf besondere Antworten auf zeitgemäße Ansprüche inhaltlicher Natur hinzuarbeiten. Die „nachhaltige Sanierung“ hingegen würde sehr wohl Spielräume für eine umfassende Neustrukturierung und Neudefinition des Parlaments erlauben. Unter einem vorparlamentarischen Regime vor 130 Jahren entstanden, hat sich seine Nutzung ebenso intensiviert, wie sich der Parlamentarismus verändert hat. Die Herausforderung, dies architektonisch auf höchstem Niveau – mit Respekt vor dem Baudenkmal, aber dem Bewusstsein für heutige Ansprüche – umzusetzen, ist eine durchaus beachtliche. Es ist also, wie auch der Vorsitzende der Auswahl- und Bewertungskommission Architekt Ernst Beneder betont, in der Ausschreibung mehr verlangt als eine bloße Reparatur. Politisch offensiv kommuniziert wird dies allerdings kaum. Zu groß scheint die Angst zu sein, der Verschwendungssucht geziehen zu werden.

Dabei wäre dies – nach den viel zu wenig wertgeschätzten Interventionen von Max Fellerer und Eugen Wörle aus den 1950er-Jahren – die längst fällige Chance, das österreichische Parlament zu erneuern und seine Geschichte weiterzuschreiben: was die Baulichkeit und das demokratische Selbstverständnis angeht. Auch das 2005 fertiggestellte Besucher- und Pressezentrum von Geiswinkler & Geiswinkler hat gezeigt, dass Sanieren durchaus denkmalverträglich mit neuen Impulsen Hand in Hand gehen kann.

Leider besteht derzeit die Gefahr, dass vorlauter Kleingeist und als Zeichen des Sparwillens bei der Abstimmung über das weitere Schicksal des Gebäudes das Pendel in eine andere Richtung – nämlich die einer reinen Notlösung – ausschlägt. Dies könnte nicht nur den zehn Architekturbüros, die derzeit ihre Vorschläge bearbeiten, die Motivation nehmen, alle Spielräume auszuschöpfen und sorgfältig durchgearbeitete Beiträge abzuliefern, sondern wäre auch ein Armutszeugnis für unsere Republik. Seit dem abgesagten Umbau des Plenarsaals, der bereits 2008 Gegenstand eines Architekturwettbewerbs war, zugunsten einer größeren Lösung wurde auf allen möglichen Seiten bereits genug Porzellan zerschlagen. Mögen die Parlamentarier endlich den Mut aufbringen, einem der wichtigsten Baudenkmäler in diesem Land eine würdige Zukunft zu bereiten. Der monströse juristische Aufwand, mit dem das Projekt betrieben wird, und die Kontrolle durch Transparency International können im besten Fall für Rechtssicherheit und Korruptionsfreiheit sorgen. Architektonische Qualität ermöglicht oder verhindert in erster Linie das Wollen oder das Desinteresse der Entscheidungsträger.

Seit ein paar Wochen erhalten die Abgeordneten regelmäßig „Urlaubsgrüße aus Österreich“. Die von der Plattform Baukultur verschickten Postkarten zeigen keine Bilder, die den Schmäh von der gern beschworenen Idylle des Umweltmusterlandes Österreich untermauern, sondern solche, die veranschaulichen, in wie vielen Bereichen eine verantwortungsvolle Bau- und Raumordnungspolitik dringend nottäte. Missstände wie die fortschreitende Zersiedelung und Flächenversiegelung verschandeln nicht nur die Landschaft, sondern stellen auch enorme Kostenfaktoren für die Allgemeinheit dar, gegen die der Preis einer ordentlichen Parlamentssanierung eine Petitesse ist. Die Baukultur hat im Plenum des Nationalrates zwar keine große Lobby, vernunftbegabte Menschen an den entscheidenden Positionen sollten aber langsam erkennen, dass es Handlungsbedarf gibt, und daher den schönen Worten zur Baukultur Taten folgen lassen.

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