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Vom Preisen und Lobsingen
Spectrum

Es gibt mehr als 30 Architekturpreise im Land. Die sollen Kunde geben von der aktuellen Baukultur, vom Innovationspotenzial, von Pionierleistungen, von kommenden Persönlichkeiten. Doch: Wen ehren, wem dienen sie?

21. Dezember 2013 - Karin Tschavgova
Einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Berufslebens widmen Architekten unbezahlter Tätigkeit – dann, wenn sie an Wettbewerbsverfahren teilnehmen. Anders als Handwerker, die sich in der Erwartung von Aufträgen an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen und sich dafür eines maßgeschneiderten Computerprogramms bedienen können, muss der Architekt nicht nur jedes Mal von Neuem seine Kreativität einsetzen, um einen originellen Wettbewerbsbeitrag zu erfinden, sondern auch Mitarbeiterkraft. Das kostet Geld – viel Geld, das nicht wieder zurück in die Kasse fließt, wenn man nicht zum Sieger gekürt wird.

Es ist also gerechtfertigt und gut, Können von Architekten und Ingenieuren und ihr Engagement für eine bessere Umwelt und Gesellschaft mit Preisen zu belohnen. Auszeichnungen wie der diesjährige Aga-Khan-Architektur-Preis an Bernardo Bader für den islamischen Friedhof in Altach können nachhaltige PR für Architekten sein. Erstaunlich nur, dass die öffentliche Wahrnehmung selbst bei prominenten Preisen für Architektur weitaus geringer ist als beispielsweise jene für das Film- und Literaturschaffen, deren Preisverleihungen mit Spannung erwartet werden. Daher sollte es das Ziel jedes Auslobers von Baukulturpreisen sein, ein breites Publikum anzusprechen. So könnten Preise dazu beizutragen, dass Interesse an Baukultur – Architektur und Ingenieursbaukunst, Städtebau und Landschaftsplanung – Breitenwirkung entwickelt.

Der im Bundeskanzleramt angesiedelte Beirat für Baukultur listet allein für Österreich 30 Preise auf, die in unterschiedlichen Intervallen und Modalitäten vergeben werden. Dass es mehr sind und immer mehr werden, ist anzunehmen. Erst jüngst flatterte die Information über einen neuen Preis ins Haus. „Superscape 2014“, als Architekturpreis für innovative und visionäre Architekturkonzepte tituliert, wurde vor Kurzem in einem aufwendig inszenierten Auftaktevent in Wien vorgestellt.
Das führt sogleich zu einer Kernfrage: Wem dienen Architekturpreise wirklich? Den Architekten und ihren Teams, an die sie in der Regel verliehen werden, oder den Institutionen und Unternehmen, die sie verleihen? Das erklärte Ziel der meisten Auslober ist, allgemeines Interesse an Baukultur zu wecken und Verständnis für zeitgenössische Architektur zu fördern. Konkrete Absichten wie die Forcierung bestimmter Bauweisen oder Produkte zur Absatzförderung kommen seltener zum Ausdruck. Aber erreichen Architekturpreise überhaupt diese Ziele?

Allein in der Steiermark wurden in diesem Jahr schon mehrere Auszeichnungen verliehen: der Holzbaupreis, die Geramb Rose und jüngst der Architekturpreis des Landes Steiermark.
Architekturpreise sollten also auch ein Spiegel der aktuellen Baukultur eines Landes sein, sie könnten Kunde geben vom Innovationspotenzial, von Pionierleistungen und kommenden Persönlichkeiten. Architekturpreise werden von Jurys oder einzelnen Kuratoren ausgewählt. Ihnen kommt die Aufgabe zu, ihre Auswahl verantwortungsvoll und überlegt zu treffen, mit gleichermaßen fundierter Kenntnis von globalen Entwicklungen wie lokalen Diskursen und Bedingungen des Bauens. – Will man die beiden Vorgänger des diesjährigen Steirischen Landesarchitekturpreises Revue passieren lassen, so muss man sie tief aus der Versenkung holen, wo sie zu Recht ruhen. 2008 und 2010 wurde der große Preis der Steiermark jeweils an ein Einfamilienhaus vergeben – das erste nicht mehr als Mittelmaß, das zweite zwar originell und witzig, aber nicht als Prototyp geeignet. Als „Best of . . . “ für die Baukultur eines Bundeslandes, das von Jahr zu Jahr stärker durch Zersiedelung geprägt wird, waren sie eindeutig Fehlentscheidungen – getroffen jeweils von eigens eingeflogenen, in Fachkreisen hoch geschätzten Experten, dem deutschen Architekturkritiker Andreas Ruby und dem in der Schweiz tätigen Redakteur Hubertus Adam.

Zum raschen Vergessen der Ruby'schen Gewinner und Nominierten beigetragen hat wohl auch der Umstand, dass mediale Aufmerksamkeit für den Preis mit dafür ungeeigneter Bildgestaltung erreicht werden sollte. Die überhöht inszenierte Kunstfotografie von Livia Corona erwies der Vermittlung von Baukunst keinen guten Dienst, weil es der Fotografin augenscheinlich kein Anliegen war, Qualitäten des Gebauten herauszuarbeiten, die für Laien erkennbar sein können.
Die Art der Fotografie war kein Thema beim diesjährigen Landesarchitekturpreis, mit dem TMP Architekten für die Volksschule Hausmannstätten ausgezeichnet wurden. Erstmals wurde seine Überreichung im größeren Rahmen der Verleihung aller Kunstpreise des Landes zelebriert, was ein Weg zu breiterer öffentlicher Wahrnehmung sein könnte, wo bis dahin oft Fachleute unter sich blieben. Allerdings traf die diesmal bestellte Kuratorin Nathalie de Vries, als Architektin Partnerin bei MVRDV in Rotterdam, eine Wahl, die zeigt, dass sie vom österreichweit lange und heftig geführten Diskurs um eine grundlegende Reform der Schule wenig oder gar nichts weiß. Sie wählte unter zwei nominierten Schulen jene aus, die schon allein aufgrund ihrer Großform – einem in sich geschlossen wirkenden, dreigeschoßigen Kubus – künftige Erweiterungen und Anpassungen an die „Neue Schule“ erschweren wird. Einiges von dem, womit die Kuratorin ihre Entscheidung begründet, etwa die „enge Verbindung zur umgebenden Landschaft, nahtlose Übergänge zwischen Umgebung und Innenraum, der Unterricht im Freien und Räume, die ineinandergehen“, und „die bauliche Umsetzung eines zeitgemäßen pädagogischen Konzepts“ ist in der Volksschule von Feyferlik & Fritzer in Bad Blumau (siehe „Spectrum“-Artikel vom 15. September 2012), die bei dieser Prämierung leer ausging, konsequenter, radikaler und kindgerechter ausgeführt.
Halt!, schreien jene, die die Freiheit und Autonomie derartiger Entscheidungen auf ihre Fahnen heften, und Halt! jene, die einwenden, dass eine Jury es nie allen recht machen kann. Müde winken jene Abgeklärten ab, die überzeugt davon sind, dass hinter vielen Jury- oder Kuratorenentscheidungen der Einfluss von Seilschaften steht, gegen die man nicht ankomme. Und sie alle haben recht mit ihren Einwänden – aber sollte man nicht erwarten dürfen, dass in der Wahl des Architekturpreises für das Land Steiermark neben Gestaltqualitäten eines einzelnen Objekts auch der hierorts oft beschworene Wille zu Innovation und Erneuerung zum Ausdruck gebracht wird, der „State of the Art“? Architekturpreise sind immer auch ein Abbild des aktuellen Baugeschehens einer Region oder eines Landes und könnten darüber hinaus eine Spiegelung zeittypischer gesellschaftlicher Fragestellungen und Bauaufgaben sein.
Der Blick von außen kann hilfreich sein, wenn es darum geht, regionale Baukultur im Kontext internationaler Entwicklungen zu verorten. Innensicht und intime Kenntnis örtlicher Baugeschichte, der Rahmenbedingungen des Bauens und des aktuellen Diskurses sind hingegen notwendig, um Eigenheiten, Besonderheiten oder Schwächen der Bautätigkeit in einer Region erkennen und verstehen zu können.

Kein Zweifel, Architekturpreise sind, wenn sie das Werk in den Mittelpunkt stellen, wichtig und unverzichtbar. Sie bringen dem Gewinner Anerkennung und würdigen die Arbeit der Architekten und das Engagement von Bauherren dann angemessen und öffentlichkeitswirksam, wenn zum Beispiel alle eingereichten Projekte in einer Ausstellung gezeigt werden. Das ist beim steirischen Landesarchitekturpreis erstaunlicherweise genauso wenig selbstverständlich wie die Auflistung aller Teilnehmer in der dazu erscheinenden Publikation.
Anerkennung kann sich auch darin ausdrücken, dass Preisgeld bezahlt, ein Auftrag in Aussicht gestellt wird oder zumindest Reisekosten zur Teilnahme an der Preisverleihung refundiert werden. Die nachhaltigste Würdigung wäre wohl, wenn mit Preisen das allgemeine Interesse an Architektur steigen würde. So, wie es dem Film gelingt.

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