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Profil

Studium der Kunstgeschichte in Wien und Innsbruck
1996 – 2003 freie Mitarbeiterin bei der Tageszeitung Der Standard
1998 – 2001 Chefredakteurin des Fachmagazins architektur
2003 – 2006 Geschäftsführerin von ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich
seit 2006 freie Mitarbeiterin Spectrum/Die Presse
seit 2012 freie Mitarbeiterin bei architektur.aktuell
2015 – 2016 Chefredakteurin von KONstruktiv
seit 2019 Vorsitzende von ORTE Architektur Netzwerk Niederösterreich
arbeitet als freie Architekturpublizistin in Wien

Lehrtätigkeit

2003 – 2012 Abteilung für Wohnbau und Entwerfen am Institut für Architektur und Entwerfen der TU Wien

Mitgliedschaften

Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs
ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich

Publikationen

Ordnung und Öffnung, in: Das österreichische Parlamentsgebäude - Facetten einer Erneuerung, Hrsg. Republik Österreich/Parlamentsdirektion, Park Books, Zürich 2023
ORTE – Architektur in Niederösterreich 2010-2020, Park Books, Zürich 2021 (mit Eva Guttmann und Gabriele Kaiser)
querkraft - livin' architektur/architektur leben, Birkhäuser Basel, 2019 (hrsg. mit Gabriele Lenz)
Architektur von Dietrich|Untertrifaller, Birkhäuser Basel, 2017 (hrsg. mit Gabriele Lenz)
Generationen Wohnen. Neue Konzepte für Architektur und soziale Interaktion | Alter(n)sgerechtes Planen und Bauen, Edition Detail, München 2015 (mit Christiane Feuerstein)
Walter Zschokke.Texte, Park Books, Zürich 2013 (hrsg. mit Gabriele Lenz und Claudia Mazanek)
ORTE – Architektur in Niederösterreich 2002-2010, Springer, Wien 2010 (mit Eva Guttmann und Gabriele Kaiser)
Wohnen, pflegen, leben – Neue Wiener Wohn- und Pflegehäuser, Bohmann Verlag, Wien 2009

Artikel

16. Dezember 2008 zuschnitt

Holz mit Holz fälschen

Vom Furnier und seinen Verwandten

Laut einem Bericht der Wochenzeitung »Die Zeit« am 6. Oktober 1967 hatte die deutsche Arbeitsgemeinschaft Holz damals einen großen deutschen Möbelhersteller auf Unterlassung der Bezeichnung »Kunststoff-Furnier« für die vom Unternehmen eingesetzten Laminate verklagt, da der Ausdruck Furnier, so die Begründung, auf Holz hindeute. Das Verfahren ging bis zum Bundesgerichtshof. Der Duden bot keine klare Hilfe, die Synonyme, die er für das Wort »Furnier« anbot, lauteten: Blattholz, Belag, Deckblatt. Dass es Holz sein müsse, war daraus also nicht abzuleiten.

Der Begriff »Furnier« kommt vom italienischen fornire – ausstatten oder dem französischen fournir – aufbringen. (Aber Vorsicht: Das französische Wort für »Furnier« lautet »feuille de placage«.) Inzwischen definiert der Duden den Begriff eindeutig: dünnes Deckblatt aus wertvollem [gut gemasertem] Holz, das auf Holz von geringerer Qualität aufgeleimt wird.

Dennoch bleibt die Terminologie auf dem Gebiet der unterschiedlichen Varianten, weniger wertvolles Holz oder Holzwerkstoffe mit dünnen Schichten optisch wertvollen oder wertvoll scheinenden Materials zu belegen, höchst unübersichtlich. Und selbst dem geschulten Auge bereitet es Probleme, die verschiedenen Qualitäten und Materialien einwandfrei auseinanderzuhalten.

Schon 3000 v. Chr. kannte man im mit Wäldern wenig gesegneten Ägypten ein Verfahren, weniger ansehnliche Untergrundmaterialien mit dünnen Brettern aus raren, edlen Hölzern zu belegen. Ihre Blütezeit erlebte die Furniertechnik in Renaissance, Barock und Rokoko. Das deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm nennt einen Georg Renner aus Augsburg, der im 16. Jahrhundert eine Furniermühle »zum Schneiden von Furnierplatten« erfunden hat.

Das erste Patent auf die maschinelle Herstellung von Furnieren hatte der englische Ingenieur Marc Isambard Brunel inne, der Anfang des 19. Jahrhunderts eine dampfbetriebene Furnierschneidemaschine entwickelte und so Arbeitszeit und Verschnitt verringerte. Mit der Industrialisierung blieben Furniere nicht mehr den wirtschaftlichen Eliten vorbehalten, sondern wurden für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich und dominierten vor allem mit dem zunehmenden Einsatz von Spanplatten nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre die Oberflächen in Möbelbau und Innenausbau. Eine ernste Konkurrenz bekamen sie von Oberflächenbeschichtungen in Form von Laminaten, bestehend aus bedruckten Papierbahnen und Melaminharzen oder von Dekorfolien aus PVC.

»Anything goes« scheint heute im Überfluss der Möglichkeiten die Devise zu lauten. Dabei ist nicht alles aus Holz, was danach aussieht, und nicht alles pure Synthetik, was keine eindeutige Holzoptik aufweist. So genannte Fineline-Furniere werden aus Schälfurnieren von hellen Hölzern wie Pappel oder Abachi hergestellt. Von Verwachsungen und Ästen befreit, werden sie gebleicht und gefärbt, um danach in einer per Computer errechneten Reihenfolge gemäß der gewünschten »Holzart« oder Struktur zu Blöcken gepresst zu werden, aus denen schließlich die fertigen Furniere gemessert werden. So entstehen – in großen Mengen in konstanter optischer Qualität verfügbar – Nachbildungen aller denkbaren Holzarten oder jede andere gewünschte Ornamentik: Vom dezenten Streifenmuster über Fischgrätenmuster, Karos oder malerisch wolkige Dekors und Blumenmuster ist alles möglich. Es handelt sich um Furnier aus echtem Holz, sieht aber oft nicht danach aus.

Kai Stania ist beim Büromöbelhersteller Bene seit zwölf Jahren maßgeblich für Design und Entwicklung der meisten Serienprodukte des Unternehmens mitverantwortlich. Zu seinen Aufgaben zählt auch vorherzusehen, welche Farben und Furniersorten in einigen Jahren gefragt sein werden. Wie geht der »Dottore Colore«, so der Spitzname des erfolgreichen Produktdesigners, mit dieser unendlichen Vielfalt an verfügbaren Oberflächen um? Alle zwei Jahre ändert sich die Mode, und meistens ist es ein Wechsel zwischen hellen und dunklen Hölzern. Während seiner Anfänge bei Bene war Ahorn in, dann kamen bald die dunklen Töne. In der Bürowelt passiert der Trendwechsel allerdings langsamer als in der Wohnwelt, für die Stania auch tätig ist. Große Unternehmen legen schließlich Wert darauf, dass ein Produkt auch nach zehn Jahren noch lieferbar ist. Daher ist es wichtig, sowohl Hölzer und Farben im Programm zu haben, die kurzfristige Moden überdauern, als auch mit ausgewählten Produkten Akzente zu setzen und aktuelle Trends aufzunehmen.

Modehölzer wie Zebrano oder Makassar – dessen Beliebtheit übrigens schon wieder im Abflauen begriffen ist – seien weniger dazu geeignet, einen ganzen Raum zu tapezieren. Wichtig sei die Farbwirkung als Ganzes, egal ob es sich um echtes Holz oder bloß um ein Imitat handelt. Oft käme übrigens beides zugleich in gleicher Optik zum Einsatz. Das Echtholz-Furnier bleibt dabei meistens den Mitgliedern der Führungsetage vorbehalten, denen so das Bewusstsein vermittelt wird, auf echtem Holz zu sitzen.

Im Back-Office gibt es dann oft die gleiche Produktlinie in gleicher Optik, allerdings in der Laminat-Ausführung. Alles machen zu können, was man will, sei nicht das Thema. Wesentlich sei vielmehr, zu wissen, was man erreichen will. Berührungsängste hat Stania sehr wohl: zum Beispiel mit Absurditäten wie Laminaten, die eine Holzoptik vortäuschen und dann zum Beispiel eine Birnenmaserung mit der Farbe einer Eiche kombinieren. Farben haben viel mit Kommunikation zu tun, sie transportieren Unternehmenskultur und deshalb, so Stania, »versuche ich, den ehrlichen Weg zu gehen«.

23. November 2008 Spectrum

Gönnen wir uns was Neues!

Ökonomisch? Ökologisch? Oder doch was fürs Auge? Und am Ende alles viel zu teuer? Experten debattieren über Zustand und Perspektiven des Wohnbaus.

28. September 2008 Spectrum

Kein Bankomat und sieben Ziegen

Es gibt sie, die Ausnahmen im Einerlei der globalisierten Geschäftsarchitektur. Zwei Beispiele: eines aus Wien und eines aus Innsbruck.

Eva Fuchs hatte Sehnsucht nach etwas Neuem. Vor 14 Jahren hat sie ihr Geschäft „eva fuchs – einkleidung“ in der Wiener Neubaugasse eröffnet. Eingerichtet haben es Eva Ceska und Fritz Priesner. Das Geschäft ist gut gepflegt und schaut aus wie neu. Nicht nur physisch gibt es keine Abnutzungserscheinungen, auch gegen das Unmodernwerden zeigte sich der Laden resistent. Dennoch, es musste etwas Neues her, nicht statt dem Alten, sondern zusätzlich.

Ceska und Fuchs – beide Wiener Tschechinnen – kennen sich von Kindheit an aus dem tschechischen Turnverein. Sie seien unterschiedliche Persönlichkeiten, aber mit großen Ähnlichkeiten tief im Innersten, erzählen sie unisono. Konflikte gibt es immer wieder. Aber nie, wenn es ums Bauen geht. Und daher war es keine Frage, dass Eva Fuchs sich auch für das neue Vorhaben an „Ceska Priesner Architektur“ wandte. „Ich kann mich verlassen auf die zwei“, weiß sie aus Erfahrung. Auf jeden Fall brauchte sie ein Lager, weil die bisher dafür genutzte Wohnung aufgelassen werden musste. Gefragt war daher eine Räumlichkeit, die anfänglich als Depot dienen und das Entwicklungspotenzial haben sollte, zu einem zweiten „richtigen“ Geschäft zu werden.

Ums Eck, in der Neustiftgasse, fand sich ein Gassenlokal. Der Zustand war nicht desaströs, aber ausgesprochen trist. Ceska und Priesner setzten ihre baulichen Interventionen mit Bedacht. Irgendwie wirkt das Lokal so, als sei es schon immer so gewesen. Nach außen hat sich wenig verändert. Das alte Holzportal wurde bloß einer kosmetischen Bearbeitung unterzogen. Im Inneren wurden die hohen, schmalen Räume neu zoniert. Rampe, Podest und Brüstung reichten aus, um drei Bereiche zu schaffen, die emotional und funktional unterschiedlich besetzt sind. Vorne wird die Ware präsentiert. Kleiderständer und Spiegel stammen vom Vater der Bauherrin, der Schneidermeister war. Eine lange Rampe leitet durch den Mauerdurchbruch auf ein Podest im hofseitigen Raum des Ladens. Die Fuchssche „Kommandozentrale“ liegt links davon, abgeschirmt von einer mit weißem Kunstleder bezogenen Brüstung. Im Podest wurde Präsentations- und Ablagefäche gewonnen. Obendrauf entstand eine bequeme Ecke mit Sitzgruppe. Zum Hof hin leistete man sich eine neue Glastür, und wenn nachts im Hof das Licht brennt, leuchtet es bis in die Auslagen.

Zur Zeit nennt Frau Fuchs das Geschäft „Edellager“, weil sie dort vergangene Kollektionen abverkauft. „einkleidungzwei“ wird sich noch verändern. Was aber bleiben soll, ist die Stille. Es gibt keinen Bankomaten und vor allem kein Radio. Der unprätentiösen Raumgestaltung von Ceska und Priesner kommt diese Konzentration auf das Wesentliche nur entgegen.

Etwas Neues wollte auch Bernd Mühlmann, Schneider in Außervillgraten, Osttirol. Als 28-Jähriger hat er vor fünf Jahren den Betrieb übernommen, den sein Vater ab den 1960er-Jahren aus einem Ein-Mann-Betrieb zu einem Unternehmen mit etwa 60 Angestellten aufgebaut hat, das als reiner Konfektionsbetrieb für andere Firmen schneiderte. Als diese aus Kostengründen reihenweise die Produktion ins Ausland verlegten, waren neue Standbeine gefragt. Bernd Mühlmann schuf seine eigene Kollektion, und um die unters Volk zu bringen, schien ihm ein Laden in der Innsbrucker Altstadt der geeignete Anfang. Als er ein Geschäftslokal in der Seilergasse als potenziellen Standort in Augenschein nahm, wusste er noch nicht, wer die Einrichtung planen würde. Es war purer Zufall, dass Architekt Rainer Köberl, der den jungen Modemacher von früheren Begegnungen kannte, just zu diesem Zeitpunkt des Weges kam.

„Bernd, was machst du da?“ – „Ich überlege, ob ich das Geschäft hier mieten soll.“ – „Hast schon einen Architekten?“ – „Noch nicht.“ – „Wenn du etwas Gescheites willst, musst du mich nehmen!“

Heute sagt Mühlmann, er hätte Rainer Köberl vielleicht ohnedies gefragt, weil dessen Architektur auch seinen Vorstellungen entspricht und ihm schon klar war, dass das Geschäft etwas Besonders werden sollte. Jedenfalls spazierte der Architekt im richtigen Moment über die Straße, und bald darauf haben sich die beiden viel und oft miteinander unterhalten, „weil er mich, glaube ich, besser kennenlernen wollte“, so Bernd Mühlmann.

„Flagship“ tauften die beiden das Projekt, weil es das erste Geschäft und Aushängeschild des Modemachers ist, der dort neben der eigenen Kollektion auch eigenwillige, weniger bekannte Marken verkauft. Köberl und seiner Mitarbeiterin Daniela Kröss dienten allerdings nicht die von den internationalen Architekturstars gestylten Flaggschiffe bekannter Designer als Vorbild, sondern ein Beduinen-Kleidermarkt in der Wüste, der mit primären baulichen Elementen wie schlichten Kleiderstangen das Auslangen findet.

Schwarz durfte das Geschäft nicht werden, stellte der Bauherrn dem Architekten, dessen ?uvre bereits eine schwarze Buchhandlung, einen schwarzen Supermarkt und ein schwarzes Restaurant aufweist, als einzige Bedingung.

Also wurde alles weiß lackiert: der alte Fliesenboden, die Stahlbetonrippendecke und die neue Stahlstruktur. Die Arbeitsflächen wurden mit hellem Kautschuk überzogen. Bloß eine Schublade ist aus Eiche und auch die Stange, mit der man die Kleider von der als Depot dienenden hochgelegenen Kleiderstange herunterholt. Die wichtigere Stange, auf der die Mode griffbereit zur Auswahl hängt, wurde mit Ziegenfell nobilitiert. Sechs kurzhaarige Ziegen aus dem Tiroler Oberland und – damit es nicht zu eintönig wird – eine langhaarige Ziege aus dem Unterland haben dafür herhalten müssen.

Platz für eine Nähmaschine, um Prototypen zu fertigen oder Änderungen gleich vor Ort durchzuführen, findet sich auf der stählernen Plattform, die dem Raum Dynamik verleiht und mit den Rundungen der Portalbögen in Dialog tritt. Ein Türflügel macht den Raum vor der Stiege zur platzsparenden Umkleidekabine.

Oft heißt es, ein Geschäft wirkt erst im eingeräumten Zustand gut. Bei „einkleidungzwei“ und „Mühlmann“ haben auch die leeren Geschäfte schon fertig ausgeschaut. „Das Geschäft muss wachsen können“, sagt Eva Fuchs und meint damit nicht die Maximierung von Verkaufsfläche und Umsatz. Und deshalb darf eine Architektur nicht von kurzlebigen Gütern diktiert werden. Bernd Mühlmann nennt es „nachhaltig“ und meint damit, dass eine Architektur die aktuelle Mode überdauern muss, sonst sei das Risiko, dass man ohnedies mit einem Geschäft eingeht, noch größer.

Die zwei kleinen Läden sind wohltuende Ausnahmen im Einerlei der globalisierten Ladenarchitektur der Geschäftsstraßen. Beide sind gebaute Porträts der Geschäftsleute, die jeweils jene Architekten und Architektinnen gewählt haben, denen sie zugetraut haben, Räume zu schaffen, die noch länger brauchbar sind, auch wenn in Tirol der Zufall ein nützlicher Wahlhelfer war.

7. September 2008 Spectrum

Grüne Ruhe vor dem Tosen

Entweder Lärm & Leben oder Ruhe weitab vom Schuss? Nicht unbedingt. Ein Mietshaus in Wien-Favoriten versucht den Kompromiss. Eine Gratwanderung zwischen grün und günstig.

Wohnen in der Stadt, mittendrin, wo das Leben pulsiert und die Wege zur Erledigung der alltäglichen Notwendigkeiten kurz sind, ist gleichbedeutend mit Leben in Lärm, schlechter Luft und ohne Natur.

Wohnen im Grünen gestaltet sich ruhiger und in besserer Luftqualität, verursacht aber durch die weiten Entfernungen zu den Arbeits- und Ausbildungsplätzen, den Einkaufsmöglichkeiten, medizinischen Einrichtungen und kulturellen Angeboten eben diese Umweltverschmutzungen, unter denen jene, die in der Stadt wohnen, zu leiden haben.

Lebenswerte Wohnungen für Normalverbraucher sind innerhalb der Kernstadt Mangelware. Wer auf städtisches Wohnen mit exzellenter Infrastruktur inklusive dichtem öffentlichem Verkehrsnetz Wert legt und zugleich private Freiflächen in Form von halbwegs brauchbaren Loggien, Terrassen oder gar Gärten als unverzichtbaren Bestandteil seiner Wohnung ansieht, muss tief in die Tasche greifen. Günstig und grün zugleich gibt es fast nur am Stadtrand. Umso bemerkenswerter und wertvoller ist daher jede Verdichtung innerhalb der Stadt, die zu erschwinglichen Mieten und moderaten Baukosten – besonders Letzteres ist ja aktuell ein heißes Thema unter Fachleuten – Wohnungen anbietet, die mit Ruhe, viel Licht und ein bisschen eigenem Grün das Leben im Wirbel der Stadt erträglich machen.

Die verkehrsumtoste Ecke Herndlstraße/Quellenstraße im zehnten Wiener Bezirk scheint für solche Sehnsüchte nicht gerade der ideale Standort zu sein. Der unlängst fertiggestellte kleine Mietwohnungsbau, den Architekt Ernst Linsberger hier im Auftrag der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte errichtet hat, wartet dennoch mit Eigenschaften auf, die an so einem Ort nicht zu erwarten waren.

Am weißen Kubus fallen die im Schachbrettmuster angeordneten Loggien auf. Am Übergang zur Nachbarbebauung an der Herndlgasse sind sie – um der Wiener Bauordnung Rechnung zu tragen – in die Fassade eingeschnitten, ansonsten kragen sie aber als erkerartige plastische Körper aus der weißen Putzfläche aus, akzentuieren den Baukörper und verleihen ihm eine gewisse Präsenz im Stadtbild. Was für die Bewohner aber vermutlich wichtiger ist als das passable Äußere, ist der eigentliche Zweck dieser vor die Fassade gesetzten Körper aus Betonfertigteilen und Glas. Sie gewähren Aussicht, leiten viel Licht in die Tiefe der Grundrisse und schotten durch die doppelte Verglasungsschicht gegen den Straßenlärm ab. Es ist erstaunlich, wie ruhig die Wohnungen dadurch im Inneren sind und wie beim Blick aus den Wohnzimmern das Treiben an der Straße wie ein Stummfilm vorüberläuft.

Schiebefenster an der äußeren Hülle erlauben die vor allem in der heißen Jahreszeit unbedingt notwendige Lüftung der Pufferzone. Die „graue Filterschicht“, wie Linsberger sie nennt, kann aber noch mehr. In etwa der Hälfte der vorkragenden Loggien birgt sie integrierte Pflanztröge, deren Vegetationsfläche sich auf Fußbodenniveau befindet und so das Gefühl vermittelt, ebenerdig ins Grüne gehen zu können. Die an ein Entwässerungssystem angebundenen Erdkoffer sind jeweils 70 Zentimeter tief und erlauben damit auch durchaus ambitionierte Bepflanzungskonzepte. Von Seiten des Bauträgers wurde ein Teil der Tröge bereits bepflanzt, über den Rest wurde vorläufig der Plattenbelag der Loggien weitergezogen. Den Bewohnern steht es frei, den Streifen als grüne Lunge zu aktivieren oder sich für eine größere Loggienfläche zu entscheiden. Wie sich jetzt einige Wochen nach Besiedelung zeigt, eignen sich die Bewohner und Bewohnerinnen die Loggien ganz gut an. In einigen grünt es üppig. Manche ziehen Topfpflanzen der Begrünungdes vorhandenen Troges vor oder konnten sich noch nicht entschließen.

Drei Wohnungen mit durchschnittlich etwas über 90 Quadratmeter Grundfläche fanden pro Geschoß Platz. Jene an den Ecken haben den Bonus, über jeweils mindestens zwei Loggien zu verfügen. Eine davon ist immer weniger tief und fast zur Gänze vom Blumentrog in Beschlag genommen, der aber damit unmittelbarer als Teil der Wohnung wahrgenommen wird. Die andere ist dafür so geräumig, dass auch ein Tisch mit ein paar Stühlen Platz findet. Eine Loggia pro Wohnung ist dabei von zwei Zimmern aus zugänglich – ein einfacher Kniff, um auch in einer Nicht-Luxus-Wohnung ein wenig Großzügigkeit zu erzeugen. Alle anderen Wohnungen haben jeweils eine Loggia an der Straßenseite, zusätzlich auch Fenster zum ruhigen Hof und können gut quer durchlüftet werden.

Man spürt zwar an allen Ecken und Enden, dass gespart werden musste. Besondersedle Details sucht man vergeblich. Aber manspürt auch, dass es dem Architekten gelungen ist, die wichtigsten Elemente in die Realisierung zu retten und das vorhandene Budget dort einzusetzen, wo es für die Gesamtqualität der Wohnungen wirklich wichtig ist. Nichts wäre einfacher gewesen, als die Erdkoffer in den Erkern wegzulassen und einfach gewöhnliche Loggien auszuführen. Vermutlich hätte sich niemand beschwert, weil die kleinen grünen Lungen mangels Wissen um die Möglichkeit niemandem gefehlt hätten. Wahrscheinlich wäre immer noch ein ganz erträglicher Wohnbau übrig geblieben, für den sich auch so Mieter gefunden hätten. Besonders wäre er nicht mehr gewesen, und das Leben an der Kreuzung wäre auch weitaus weniger attraktiv gewesen. Da verzichtete Linsberger schon lieber auf den Bodenbelag im Stiegenhaus, wo die Betontreppen aus Kostengründen einfach einen roten Anstrich erhalten haben.

Es mag schon stimmen, dass manche Extravaganzen im Wohnbau kaum zu finanzieren sind. Deshalb aber gleich von vornherein jede Innovation im Keim zu ersticken und die Wirtschaftlichkeit als oberstes Gut zu propagieren geht an den Notwendigkeiten vorbei. Sicher sind Kisten mit Löchern, ohne Balkone, ohne Gemeinschaftsflächen, ohne Möglichkeit, sich gärtnerisch zu betätigen, billiger als ambitionierte Architekturen, mit all diesen das Wohnen attraktiver machenden Extras. Aber dann treibt es die Leute zwangsläufig aus der Stadt ins Grüne, entweder in eine Siedlung mit schlechter Infrastruktur am Stadtrand oder an die Holzhütte aus dem Baumarkt am niederösterreichischen Baggerteich. Dazu brauchen sie ein Auto, mit dem sie den Lärm und Dreck verursachen, unter dem sie in der Stadt so leiden. Hat irgendjemand schonnachgerechnet, was das an Kosten und Folgeschäden verursacht?

27. Juli 2008 Spectrum

Kein Topf, kein Nest, kein Kessel

Der diesjährige Plischke-Preis wurde verliehen. The winner is: das Fußballstadion Letzigrund in Zürich. Zu Recht. Wie sich eine Jury einer aktuellen Doktrin widersetzt.

Eine differenzierte Architektur des zweiten und dritten Blicks“ zu würdigen ist Absicht der Initiatoren des Ernst-A.-Plischke-Preises. Ausgelobt hat ihn die vor fünf Jahren zum 100. Geburtstag des Architekten und langjährigen Lehrers an der Akademie der bildenden Künste gegründete Ernst-A.-Plischke-Gesellschaft, die mit dem Preis das Erbe Plischkes vergegenwärtigen möchte. Verliehen wurde er im Anatomiesaal, im Souterrain der Akademie der Bildenden Künste, wo Plischke von 1963 bis 1973 jeden Dienstag seine Vorlesung hielt. Etwas improvisiert, ein wenig schrullig, aber dennoch trotz großer Hitze recht würdevoll und herzerwärmend sympathisch zelebriert, glich die Veranstaltung einem großen Familientreffen, zu dem Mitglieder, Freunde und Sympathisanten der Plischke-Gesellschaft auch von fern angereist waren.

Bewerben kann man sich für den Preis nicht, sondern man wird dafür von den Mitgliedern des Vereins nominiert. Das wirkt vorerst eigen und riecht ein wenig nach Freunderlwirtschaft. Wer wen nominiert hat, ist jedoch aus der anlässlich des Preises im Verlag Anton Pustet erschienenen Publikation ersichtlich. Sogar die Termine der Jurysitzungen und Besichtigungsfahrten (und wer daran teilgenommen hat) sind festgehalten. Man kann sich ein unterhaltsames kleines Spiel daraus machen, Beziehungen oder gar Naheverhältnisse zwischen Nominierenden und Nominierten aufzuspüren, und muss schlussendlich anerkennen, dass die Entscheidungen für die acht Anerkennungen und den mit 10.000 Euro (die übrigens von den Vereinsmitgliedern aufgebracht wurden) dotierten Plischke-Preis mit Sorgfalt getroffen wurden. Es sind nicht nur aktuellste Bauten, die vorgeschlagen wurden. Manche von ihnen gingen schon vor über zehn Jahren durch die Medien, wie „La Congiunta“, das Haus für die Skulpturen des Bildhauers Hans Josephsohn im Tessin von Peter Märkli, oder das Domizil für einen Pianisten in Tirol von Margarethe Heubacher-Sentobe. Diese Gebäude erhielten ebenso eine Anerkennung für hohe Qualität wie die bedächtig nach und nach aus traditionellen Materialien in den Hang der Kinderalm in St. Veit im Pongau gefügte Anlage des Frauenklosters „Maria im Paradies“ von Matthias Mulitzer, das Badehaus Schörfling am Attersee von Luger & Maul, die Generali Foundation von Jabornegg & Palffy, das Wohnhaus B-B im Burgenland von Artec, die Seebühne Lunz am See von Hans Kupelwieser und Werkraum Wien und die Grenzstation Tisis von den Aix Architects aus Feldkirch.

Der Hauptpreis ging an das Stadion Letzigrund in Zürich, geplant von Marie-Claude Bétrix & Eraldo Consolascio mit Frei & Ehrensperger Architekten. Es ist kein Topf, kein Nest, kein Kessel mit hermetisch nach außen abgeschlossener Hülle, die als Wahrzeichen und Werbeträger oder anderweitig kommerziell genutzt werden könnte. Die Zürcher widersetzten sich dieser aktuell gültigen internationalen Doktrin und setzten statt dessen eine zur Umgebung hin offene Struktur, die in erster Linie auf die Interessen der Bürger und Nutzer und weniger auf jene der internationalen Fußballverbände abgestimmt ist.

Das Stadion ersetzt den bereits 1925 eröffneten Vorgängerbau, eine im Lauf der Zeitmehrmals ausgebaute multifunktionale Anlage, die neben Fußballveranstaltungen das jährliche Leichtathletik-Meeting ebenso beherbergte wie Konzertveranstaltungen. Um als Austragungsort für Großveranstaltungen konkurrenzfähig zu bleiben, entschloss man sich im Hinblick auf die Fußballeuropameisterschaft für einen Neubau.

Eigentlich sollte der ja an Stelle des Hardturm-Stadions in Form eines Megaprojekts mit kommerzieller Mantelnutzung entstehen, wogegen sich die Bevölkerung jedoch erfolgreich wehrte. Bauherrin und Eigentümerin des Letzigrund ist die Stadt Zürich, die darauf bedacht war, das innerhalb eines Wohnquartiers gelegene Stadion trotz erhöhter Sicherheitsanforderungen weiterhin als Identitätsträger für die Bevölkerung zu positionieren. Man wünschte sich eine Anlage, die auch die Bedürfnisse der regionalen Bevölkerung einbezieht.

Bétrix und Consolascio konzipierten eine Sport- und Veranstaltungsarena, die an drei Seiten zum angrenzenden Quartier hin durchlässig ist. Indem sie die Spielfläche etwa acht Meter unter das bestehende Gelände absenkten, sodass die obersten Tribünenreihen sich etwa auf Straßenniveau befinden, konnten sie das überirdische Gebäudevolumen stark reduzieren. Erschlossen wird über eine umlaufende Rampe. Darüber liegt auf sich nach oben hin verjüngenden Stützenpaaren aus Cortenstahl das schlanke Band des leicht geknickten und geneigten Daches. Anstatt eines Topfes, der keinerlei Bezug zur Umgebung hat, setzte man auf eine Art Amphitheater mit leichtem Sonnensegel, das sich organisch in das Quartier einfügt und nicht nur Ein- und Ausblicke erlaubt, sondern tatsächlich auch als städtischer Freizeitraum außerhalb von Veranstaltungen für die Bevölkerung zugänglich ist. Natürlich gibt es aus Sicherheitsgründen eine robuste Einzäunung. Die ist aus vertikal angeordneten Corten-Flachstählen gebildet und visuell durchlässig. Acht Durchgänge gewähren Einlass und werden nur im Fall einer Großveranstaltung mit Drehkreuzen geschlossen.

Ein Stadion für die Bürger also, schließlich haben die es auch aus ihren Steuergeldern finanziert. Bétrix & Consolacio haben die städtischen Vorgaben virtuos in Architektur gegossen.

„Ein Stadion muss auch dann gut aussehen, wenn es nicht voll ist“, sagt Eraldo Consolascio. Das Rot der Sitze, das Rostbraun von Cortenstahl, die Dachuntersicht aus Robinienholz und die extensiv begrünte Dachfläche, in die auch noch Solarpaneele mit einer Gesamtfläche von 2500 Quadratmetern aufnimmt, sorgen für ein angenehmes, Harmonie ausstrahlendes Flair und machen die Anlage zu einem Ort, der auch dann Stimmung vermittelt, wenn er unbespielt ist.

Bauten, die nicht nur auf eine spektakuläre äußere Erscheinung setzen, sondern wo Konstruktion und Bauplastik im Einklang stehen und das Ganze eine Synthese von Gestalt und Zweck ergibt, wollten die Auslober des Plischke-Preises vor den Vorhang holen. Solche Bauten erschließen sich nicht gleich beim oberflächlichen Hinschauen, sondern bedürfen eines zweiten und dritten Blicks. Das Stadion Letzigrund erfüllt diese Kriterien gleichermaßen mit Hausverstand wie Grandezza.

16. Juni 2008 zuschnitt

Nachhaltig wohnen

Ein hoher ökologischer Anspruch und die Ausführung in Holzmischbauweise waren die Vorgaben beim Bauträgerwettbewerb für die Holzbaumodellsiedlung am Mühlweg, den der Wohnfonds Wien in Kooperation mit der Holzforschung Austria auslobte.

Die Novelle der Wiener Bauordnung im Jahr 2001 hat auch in der Bundeshauptstadt die Realisierung großvolumiger Holzbauten erleichtert. Drei Hauptgeschosse und ein Dachgeschoss bzw. vier Hauptgeschosse, wobei das Erdgeschoss im Wesentlichen aus nicht brennbaren Materialien bestehen muss, dürfen seither in Holz ausgeführt werden. Drei verschiedene Architekturbüros – Hermann Kaufmann und Johannes Kaufmann, Hubert Rieß und Dietrich|Untertrifaller –, alle mit Know-how und Routine im Bauen mit Holz, realisierten auf den drei Grundstücken des Floridsdorfer Vorzeigeprojekts ihre jeweils unterschiedlichen Gebäudekonzepte (siehe auch Zuschnitt 20).

Ideale Umstände

Das in energetischer Hinsicht konsequenteste Konzept bewerkstelligten Helmut Dietrich und Much Untertrifaller. Ihr in vier kompakte Häuser gegliederter Kopfbauteil wurde im Passivhausstandard ausgeführt – unter idealen Umständen, wie Much Untertrifaller betont. Das Grundstück ist eben, die städtebaulichen Vorgaben an der Stadtkante erlaubten es, Lage und Volumen der Baukörper zu optimieren und so die Verhältnisse von Gebäudeoberfläche zu Wohnnutzfläche sowie Erschließungsflächen zu Wohnnutzfläche bestmöglich zu gestalten. Und zudem war die Bereitschaft aller Beteiligten, Know-how, Engagement und auch Finanzmittel in das prestigereiche Musterprojekt zu investieren, dem Erfolg höchst förderlich. Spielraum für architektonische Extras sei dennoch wenig geblieben.

Holz verhüllt

Die vier im Karree angeordneten quaderförmigen Baukörper – drei gleich ausgerichtet, der vierte um 90 Grad gedreht, um den Freibereich mit Spielplatz stärker nach Süden zu öffnen – verfügen über vier Regelgeschosse und ein Attikageschoss mit umlaufender Dachterrasse.

Das Äußere präsentiert sich betont schlicht und auf den ersten Blick gar nicht holzlastig. Bloß die weit auskragenden angehängten Loggien und das oberste Geschoss zeigen Holz. Der Hauptkörper hingegen ist in blassem Erbsengrün verputzt und gibt das Darunter nicht preis. Es besteht aus einer Tragstruktur aus massiven Platten und Scheiben aus Brettsperrholz, die an den Stahlbetonkern des Treppenhauses gehängt ist. Innen sind Wände und Decken aus Gründen des Brandschutzes mit Gipskarton verkleidet. Sichtbar sind die Brettsperrholzelemente nur im Bereich der Loggien.

Konzept im Detail

Konstruktionstechnische Fehler und Ungenauigkeiten sind der Tod jedes Passivhauskonzepts, denn schließlich steht und fällt das ganze System mit dem Grad der Luftdichtigkeit der hoch wärmegedämmten Hülle. Alle Wandelemente wurden daher unter idealen Bedingungen im Werk vorgefertigt und bereits mit Fenstern, Dämmung (auf Holzfaserbasis) und Grundputz vor Ort versetzt.

Kurze Wege – sowohl für die Bewohner als auch für die Haustechnikleitungen – sind besonders im Passivhaus ein wichtiger Kostenfaktor. Es liegen alle Versorgungsschächte um den Betonkern, pro Haus gibt es eine Be- und Entlüftung. Die Luftführungen erfolgen wegsparend in den abgehängten Decken der Nebenräume. Komfort für die Nutzer bietet die Kombination aus stufenweiser Regelung in Normalbetriebslüftung und »Partystatus«, der Möglichkeit, in der Küche kurzfristig die Zu- und Abluftmenge zu steigern, und einer raumindividuellen Temperaturregelung mittels Kleinstradiatoren.

Vereinbar und konkurrenzfähig

Auch wenn die Architekten den mangelnden Spielraum für baukünstlerische Besonderheiten beklagen mögen, belegt die Anlage doch, dass die Themen Passivhaus und gestalterische Qualität vereinbar sind, wenn Planer am Werk sind, die beides verinnerlicht haben. Wie wohl kaum ein anderer Wiener Wohnbau der jüngeren Vergangenheit wurde die Wohnhausanlage am Mühlweg gründlich dokumentiert und evaluiert. Ein guter Ausgangspunkt, um daran weiterzuarbeiten, dass das nachhaltige Bauen mit Holz bald stärker systematisiert und somit besser konkurrenzfähig wird.

15. Juni 2008 Spectrum

Leicht, sachlich, elegant

Ein neuer Stadtteil entsteht in der Wiener Krieau: „Viertel Zwei“, attraktiver öffentlicher Freiraum. Das erste Gebäude, ein Hotel von Zechner & Zechner, ist geglückt. Leider nicht sein Interieur.

In der Krieau im Wiener Prater entsteht derzeit eines der in mehrfacher Hinsicht interessantesten Stadtverdichtungsprojekte. „Viertel Zwei“ wurde es benannt, schon allein das klingt angenehmer als die diversen Cities, Gates und Montes, die allesamt schon dem Namen nach mehr nach cleverem Marketing diverser Investoren klingen als nach Architektur und Städtebau von Qualität und Haltung.

Vermarktet wird das Viertel Zwei auch gut. Aber man scheint in diesem Fall auch der Architektur Wertschätzung entgegenzubringen. Das äußert sich schon darin, dass die beteiligten Architekten und Architektinnen – obwohl es sich nicht um internationale Superstars handelt – auf Plakaten, Informationstexten oder in einem Werbefilm genannt sind. Klar wird hier unter den gleichen Rahmenbedingungen wie anderswo entwickelt. Ein hoher Kostendruck und das Streben nach Rendite geben den beteiligten Planern zwar auch nicht unbegrenzte Freiheiten, aber man spürt, dass die Architektur nicht nur Masche ist, sondern ein ernsthaftes Anliegen.

Dass der Bauherr, die IC Projektentwicklung GmbH, mehr als nur flott vermarktbare Objekte im Sinn hat, sondern im größeren Kontext denkt, artikuliert sich weiters darin, dass man große Bemühungen in die Gestaltung des Freiraums zwischen den Gebäuden legt. Entgegen der ursprünglichen Vorgabe der Stadt, den Grünraum am Rand des Areals vorzusehen, erhielt er schließlich nach den Plänen der Hamburger Landschaftsarchitekten WES & Partner seinen Schwerpunkt in der Mittelachse des Areals. „Das Interesse an der Gestaltung des Außenraumes geht über das hierzulande übliche Ausmaß weit hinaus“, so Dieter Henke von Henke/Schreieck Architekten. Noch herrscht dort, wo sich künftig ein 5000 Quadratmeter großer See samt Uferpromenade und Steg erstrecken wird, reger Baustellenbetrieb. Man darf sich aber schon darauf freuen, dass hier ab kommendem Jahr ein attraktiver öffentlicher Freiraum mit großer Aufenthaltsqualität zur Verfügung stehen könnte.

Es ist im Wesentlichen eine neue Bürostadt, die hier auf einer Fläche von vier Hektar, dank der Verlängerung der
U-Bahn-Linie 2 bestens an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen, heranwächst. Der Projektentwickler hat dafür in enger Kooperation mit der Stadt Wien im Jahr 2004 neun Architekturbüros zum Wettbewerb für ein Bürohochhaus an der Ecke Vorgartenstraße/Trabrennstraße geladen, der von Henke/Schreieck gewonnen
wurde. Im Jahr darauf folgten Wettbewerbe für ein weiteres Bürohaus südöstlich des Turms (Gewinner: Martin Kohlbauer) und ein Hotel an der Trabrennstraße, den Zechner & Zechner für sich entscheiden konnten. Zur Teilnahme geladen waren jeweils vier Büros aus dem Kreis der Teilnehmer am ersten Verfahren. In Bau sind weitere vier im Grundriss kipferlförmige Bürohäuser von Henke Schreieck, ein weiteres Bürogebäude von Kohlbauer und ein kleineres Wohngebäude von Zechner&Zechner am Abschluss des Areals an der Vorgartenstraße.

Rechtzeitig vor der Fußball-Europameisterschaft wurde das rund 250 Zimmer umfassende Hotel eröffnet, das von Zechner & Zechner geplant werden musste, ohne den zukünftigen Betreiber zu kennen. Der Hotelbau antwortet mit einem bumerangförmig geschwungenen, achtgeschoßigen Zimmertrakt, der über einem eingeschoßigen Sockelbau auskragt, auf die konkav-konvexe Figur des benachbarten Hochhauses. Eingangshalle, Restaurant, Konferenzräume und die Büros der Hotelverwaltung liegen in der rundum geschoßhoch verglasten Sockelzone.

Die gerundet um die Ecken gezogene Glasfassade sorgt dafür, dass ein Teil des Hotelbetriebs vom öffentlichen Raum aus wahrgenommen werden kann, und erweitert umgekehrt den Innenraum nach außen, sodass selbst dann, wenn witterungsbedingt die zur künftigen Seepromenade orientierte Restaurantterrasse nicht genutzt werden kann, eine lichte und luftige Atmosphäre herrscht.

Auch wenn Gebäudefigur und städtebauliche Situierung den Hauptzugang in der nördlichen Gebäudeecke am Eingang zum begrünten Zentrum des Viertels nahegelegt hätten – und ursprünglich war er auch dort vorgesehen –, liegt er jetzt zentral an der Westfassade, um die Zufahrt mit Bussen und Taxis über zwei parallel zur Trabrennstraße liegende Fahrspuren einfacher zu bewerkstelligen.

Für die Fassadengestaltung stand das Prinzip der Barcodes mit abwechselnd hellen und dunklen schmalen Streifen
Pate. Helle Aluminiumblechpaneele und dunkle Fensterfelder wechseln einander ab. Geschoßweise horizontal verschoben, ergibt sich aus diesem Wechselspiel ein nüchtern schlichtes, aber keineswegs langweiliges Fassadenbild, das vor allem in der Fernwirkung sehr apart zum Tragen kommt. Sowohl zu der vom gegenüberliegenden Messegelände und den neuen Bürobauten geschaffenen Stimmung einer Businessstadt als auch zum Freizeitcharakter, den die Umgebung durch die benachbarte Trabrennbahn, das Stadion und den Prater im Allgemeinen hat, passt das von Leichtigkeit und sachlicher Eleganz geprägte Hotel sehr gut. Kein aufdringlicher Schnickschnack, sondern in guter Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Ästhetik ausformulierte Architektur, die dem Zweck und dem Ort in angenehmer Weise entspricht.

Wie bereits angedeutet, hat sich der Hotelbetreiber erst in der späten Bauphase gefunden, der seine eigenen Vorstellungen von der Innenraumgestaltung hatte. Weltweit gibt es 750 Courtyard Hotels der Marriott-Gruppe. Klar, dass die Kette entsprechende Richtlinien für die Raumgestaltung vorgibt, um einen gewissen Standard sicherzustellen. Schade aber, dass die Architekten, die das Gebäude konzipierten, innen so gut wie nichts mehr mitzureden hatten. Während Zechner & Zechner Klarheit und Eleganz ohne Protz umgesetzt haben, bietet sich nun im Inneren ein Sammelsurium an gestalterischen Einfällen, die stellenweise an den Schauraum eines zeitgeistigen Möbelhauses erinnern.

Die meisten Hotelgäste wird das nicht stören, man kennt das schließlich aus unzähligen anderen Hotels dieser Kategorie. Vermutlich würde es aber umgekehrt ebenso niemanden verärgern, wäre man beim Interieur einen Weg gegangen, der spezifischer auf den Charakter des Gebäudes eingeht. Man kann aber nicht einmal ernsthaft von einer vertanen Chance reden, weil sich diese Chance, realistisch betrachtet, unter den gegebenen Umständen nie aufgetan hat.

Das benachbarte Hochhaus von Henke/Schreieck und den Bürokomplex von Martin Kohlbauer wird im kommenden Jahr zur Gänze die OMV besiedeln. Hier erfolgt die Einrichtungsplanung unter Einbindung und Rücksprache mit den Architekten. Es lebt also die Hoffnung, dass hier Innen und Außen besser in Einklang stehen werden, als es beim Hotel möglich war. In etwas mehr als einem halben Jahr werden wir es genauer wissen.

11. Mai 2008 Spectrum

Wurzeln statt Wellness

Wo sich ein alter Park und ein neuer Kurbetrieb umarmen: das neue Kurhaus in Bad Gleichenberg. Geplant von den norwegischen Architekten Jensen & Skodvin.

Für Jan Olav Jensen und Børre Skodvin ist Architektur keine Frage des Stils, „denn ein bestimmter Stil wird irgendwann wieder unmodern“. Ihr Ziel ist es, „kulturelle Statements“ zu bauen und Konventionen zu hinterfragen. „Wenn du einen Roman schreiben willst, kopierst du dafür auch keinen anderen. Architektur bedeutet, für jede neue Bauaufgabe eine neue Geschichte zu finden“, umreißen sie ihr Bemühen, nicht von vornherein das bereits Erprobte auch andernorts automatisch als richtigen Ansatz anzusehen.

Im steirischen Bad Gleichenberg ließen sie sich auf das Abenteuer ein, ein ambitioniertes Gesundheits- und Hotelprojekt in Architektur zu gießen. Geholt hat die Skandinavier Christian Köck, Vorstand der Health Care Company, die auch Bauherrin der Anlage ist, nachdem ein Architektenwettbewerb kein Ergebnis brachte, mit dem man sich zur Gänze identifizieren konnte. Mit dem modischen Begriff „Wellness“ will der bekannte Gesundheitsökonom nichts zu tun haben – und mit den geisterbahnhaften Bade- und Erholungswelten, die auf diesem Sektor wie die Schwammerl aus den mit Thermalwasser getränkten Böden schießen, auch nicht. „Heilen bedeutet ganz machen“, und deshalb war es wichtig, dass bei diesem Projekt medizinische Qualität, ortsgerechte hochwertige Architektur und ein gesundheitsförderndes Ambiente eine Synthese eingehen, kurzum ein „Kulturprojekt bilden – und kein Spaßbad“.

Um die heilende Wirkung des Gleichenberger Wassers sollen bereits die Römer gewusst haben. Den heutigen Kurort begründete 1934 Mathias Constantin Capello Graf von Wickenburg. Prachtvolle Villen und der Kurpark zeugen noch heute von den goldenen Zeiten, als sich der Hochadel zur Erholung nach Gleichenberg zurückzog. Die edlen Überbleibsel der Pionierzeit werden bedrängt von einer Fülle an Bauten, bei denen die Errichter oft weidlich wenig Gespür für den Genius Loci an den Tag legten.

Seit zwölf Jahren betreiben Jensen & Skodvin ihr Büro in Oslo. Mittlerweile zählen sie zu den profiliertesten Architekten Norwegens. Ihre Bauten sind uneitel und wurzeln tief im Kontext ihrer unmittelbaren Umgebung. Ob bei den touristischen Infrastrukturen entlang der malerischen Sognefellstraße, der Mortensrud-Kirche in Oslo oder einem Zisterzienserinnenkloster auf der Insel Tautra – das gedeihliche Miteinander von Architektur und Natur zieht sich als roter Faden durch ihr bisheriges Oeuvre.

„Ganz am Anfang haben wir uns gefragt, wie eine so großvolumige Architektur diplomatisch sein und zugleich soziale Intelligenz aufweisen kann“, erinnern sich Jensen & Skodvin an ihre erste Annäherung an das Projekt in Bad Gleichenberg. Sie entwickelten ein geometrisches System, das Raum für die geforderten Inhalte bot und so robust war, dass es ohne Einbußen inhaltliche Änderungen im Laufe der Planungsphase mitmachen konnte.

Die am denkmalgeschützten Kurpark gelegene Anlage umfasst neben einem Thermalbad, das auch für Tagesgäste zugänglich ist, ein Vier-Sterne-Hotel, Therapiebereiche für Hotelgäste und Externe, entsprechende Gastronomieeinrichtungen und darüber hinaus das zur Versorgung all dessen notwendige Hinterland.

Zu Straße hin als monumentaler langer Riegel ausgebildet, entwickelt sich der Komplex zum Park hin in Form mäandernder, auf Stützen stehender Gebäudeschleifen und geräumiger Terrassenlandschaften, die den wertvollen Baumbestand umschiffen und neue innere Gärten und Höfe bilden. Drei Materialien bilden die äußere Hülle: schuppenförmig angeordnete Basaltplatten als Referenz zu der Vulkanregion, eine feingliedrige vertikale Lärchenholzschalung, die sich gut in die Parklandschaft einfügt und viel Glas, das dem Dialog zwischen Landschaft und Architektur dienlich ist.

Während die 110 Hotelzimmer, die gas- tronomischen Einrichtungen und das Bad jeweils starken Bezug zum Außenraum haben, sind die therapeutischen Bereiche nach innen orientiert. Der Gast steht im Zentrum und soll sich auf sich und die Gesundheit seines Körpers konzentrieren können. Naturbezug gibt es dennoch auch dort in Hülle und Fülle. Die Wartebereiche liegen entlang großer, raumhoher Glasfronten mit Ausblick zu den internen Gärten und vermitteln das Gefühl, sich mitten im Park auf die Behandlungen einzustimmen.

Alle Einrichtungen sind im Rundgang zu erreichen. Sackgassen gibt es nicht.

Großzügig und ebenfalls in engem Bezug zur Parklandschaft sind sowohl die Restaurantbereiche als auch der Hoteltrakt angelegt. Geräumige überdeckte und offene Terrassenflächen gewähren ein reichhaltiges Angebot, sich der Stimmung und Witterung entsprechend viel außerhalb der geschlossenen Räume aufzuhalten, ohne das Haus verlassen zu müssen. Unter den aufgeständerten Gebäudeschleifen entstanden schattige Gärten und Wandelpfade. Die historische Anlage des Kurparks, von der etwa zwei Drittel der Fläche direkt zum Kurhaus gehören, integriert sich in die Architektur und wird darunter und dazwischen fortgeführt.

Nur schade, dass Jensen & Skodvin sich bei der Innenraumgestaltung kaum einbringen konnten. Diese wurde unter der Ägide der auf Corporate Design spezialisierten Agentur Satek durchaus gefällig umgesetzt. Man spürt das Bemühen, ein angenehmes Ambiente in dezenten Farben zu schaffen, und dass die Gäste je nach Vorliebe unter Hotelzimmern mit Holzboden oder Teppichbelag wählen können, ist eine lobenswerte Idee. Die norwegischen Architekten hätten sich vielleicht weniger geschmeidig dem Geschmack einer genussorientierten Gesellschaft angepasst. Betrachtet man ihre anderen Bauten, kann man davon ausgehen, dass manches wohl spartanischer ausgefallen wäre. Die Stimmung wäre vermutlich kontemplativer und der Einklang mit der Architektur naturgemäß ein anderer.

Architektur und Ambiente sind werthaltig und erweisen der Tradition des Ortes ihre Reverenz. Und auch wenn das neue Kurhaus, was Flair und Qualität angeht, mindestens auf gleicher Augenhöhe mit der reizvollen Sommerfrische-Architektur des 19. Jahrhunderts agiert, biedert es sich ihr in keiner Weise an. Jensen & Skodvin liefern eine zeitgemäße Interpretation eines Kurhauses, das anspruchsvollen Gästen einen kultivierten Ort der Rekreation anbietet.

23. März 2008 Spectrum

Schaurig schön im Kühlhaus

Wie verwandelt man einen alten Schlachthof in ein Laboratorium für Gegenwartskunst? – „Matadero“, ein Lehrbeispiel aus Madrid.

Der städtische Schlachthof (Matadero) von Madrid entstand ab 1910 im südlichen Stadtbezirk Arganzuela zwischen der Plaza Legazpi, dem Paseo de Chopera und dem Manzanares-Fluss. Das Ensemble der 20 pavillonartigen Gebäude der Schlacht-, Kühl- und Lagerhäuser und der angeschlossenen Verwaltungsgebäude sind ein wichtiges Beispiel für die Industriearchitektur des frühen 20. Jahrhunderts in der spanischen Hauptstadt. Von Anfang an war der Komplex darauf ausgelegt, zu wachsen und funktionell anpassungsfähig zu sein. Ab den 1970er-Jahren wurden einzelne Trakte nach und nach für diverse andere Funktionen adaptiert.

Als der Schlachthof 1996 endgültig stillgelegt wurde, bildeten sich Bürgerinitiativen, die sich für die Erhaltung des Matadero einsetzten. Universität, Kino- und Restaurantkomplex, Oldtimermuseum und diverse Kultureinrichtungen waren mögliche Nutzungsszenarien. Im Jahr 2003 entschloss sich die Stadt dazu, das gesamte Ensemble instand zu setzen. Und dies nicht, um es profitträchtig an private Investoren zu verscherbeln, sondern um ein riesiges Laboratorium für Gegenwartskunst zu etablieren, das zugleich der Bevölkerung des Bezirks zugute kommt.

Arganzuela ist ein Arbeiterbezirk mit hohem Anteil an Migrantinnen und Migranten. Lokales Kulturzentrum gab es bislang keines. Unter den vielen Dächern des Matadero, so der Ehrgeiz der städtischen Kulturpolitik, sollen Kulturinstitutionen angesiedelt werden, die hier im interdisziplinären, interkulturellen Austausch forschen und experimentieren und zugleich die Bewohner der angrenzenden Barrios zum Kommen und Mittun animieren.

Im Sommer vergangenen Jahres nahmen die ersten Institutionen ihren Betrieb auf. Bis 2011 soll das Projekt vollendet sein und auf rund 15 Hektar Gesamtfläche neben Produktions- und Ausstellungszentren für bildende Kunst, einem Theater, und einem Designzentrum auch ein Literaturhaus, das erste Architekturzentrum Madrids und weitere kulturelle Einrichtungen beherbergen. Die Revitalisierung des Matadero verlängert die „kulturelle Stadtachse“ Paseo del Prado – Paseo de Recoletos nach Süden und ist eingebunden in das große Stadtprojekt „Madrid Río“, wo nach einem Masterplan des niederländischen Landschaftsarchitektur-Studios „West 8“ entlang der Ufer des Manzanares der 14 Kilometer lange „Parque Lineal de Manzanares“ im Entstehen ist.

Die Ziegelarchitektur des Schlachthofes wurde von mehreren Architekten über die Jahre adaptiert. Keine große architektonische Geste drängt sich in den Vordergrund. Hauptakteur ist die historische Ziegelarchitektur. Das Neue ergänzt sie auf unterschiedliche, aber stets angemessene Weise. Wandelbarkeit, effiziente Nutzung von Ressourcen, der Verzicht auf jegliche Exaltiertheit und die Zentralisierung zahlreicher Einrichtungen an einem Ort sollen der Nachhaltigkeit des Projekts zuträglich sein.

Die Architekten Arturo Franco und Fabrice van Teslaar zeichnen gemeinsam mit dem Innenarchitekten Diego Castellanos für die Gestaltung des Foyers und der Räume von Intermediæ, einer Institution zur Förderung zeitgenössischer künstlerischer Produktion im Austausch mit der Öffentlichkeit, verantwortlich. Sie setzten Alt und Neu in einen Dialog, der den Besuchern die verschiedenen Baugeschichten des Ortes gleichberechtigt erzählt. Die ursprüngliche Substanz mit den Gebrauchsspuren an den Oberflächen ist ebenso geblieben wie Wunden, die Baggerschaufeln beim Umbau geschlagen haben. Dazu kommen schließlich die klar ablesbaren aktuellen Zutaten, die das Alte nur sanft berühren. Im Wesentlichen kamen industrielle Materialien in Standardmaßen zum Einsatz. Unbehandelte Stahlprofile unterschiedlicher Dimension wurden zu Bänken, Tresen oder Fensterrahmen. Die Raumtrennungen und Türen sind aus klarem Glas, wodurch das Volumen der historischen Räume wahrnehmbar bleibt. Die Eingriffe entsprechen in ihrer schnörkellosen Klarheit dem rauen Charme des Bestandes ebenso, wie sie seinen poetischen Gehalt unterstützen. Bei aller scheinbaren Lässigkeit sind die Details sorgfältig geplant und ausgeführt.

Ein ehemaliges Kühlhaus blieb völlig im Urzustand erhalten. Seine Wände, Stützen und Gewölbedecken sind noch schwarz vom Ruß der offenen Feuer, an denen sich Hausbesetzer in den unwirtlich kalten Hallen wärmten. Hier gibt es kein Beleuchtungssystem, keine Stellwände, keinen neuen Bodenbelag. Der Raum bietet Gelegenheit, das Potenzial der einzigartigen Architektur künstlerisch auszuloten. Noch bis 6.April bespielt den Raum die brasilianische Künstlerin Fernanda Gomes mit subtilen, präzise gesetzten, aber wie beiläufig wirkenden Interventionen aus wenig Licht und belanglosen Materialien. Sie führt den Betrachter durch den Raum und evoziert Unsicherheit ebenso wie schaurig-schöne Erlebnisreisen durch die dunkle Welt des Kühlhauses.

Ebenso bereits in Betrieb sind die „Naves des Español“, drei zu einem multifunktionalen Theater (Architekt: Emilio Esteras) zusammengefasste Lagerhäuser. Bühne und Tribünen des großen Theatersaals können beliebig arrangiert werden, das Foyer kann auch zum Aufführungsort für kleinere Produktionen mutieren. Auch das Centro de Diseño, das José Antonio García Roldàn – zu einem großen Teil unter Verwendung diverser Recyclingmaterialien – adaptiert hat, ist dank drehbarer Wände zwischen den bestehenden Stützen vielseitig bespielbar.

Allen neuen architektonischen Eingriffen ist gemeinsam, dass sie frei von marktschreierischer Attitüde sind. Dazu passt es wunderbar, dass der Zutritt zum Matadero kostenlos und das gesamte Areal ein für alle zugänglicher öffentlicher Raum ohne Konsumzwang ist. Und die Nachbarn aus der Gegend sind auch da: Sie flanieren durch die Höfe, besuchen die Ausstellungen, tratschen mit den jungen Künstlern in den Ateliers des Intermediæ und nutzen Internet und Bibliothek. Dieser Tage gibt es für sie noch mehr zu tun, wenn die Landschaftsarchitekten des französisch-deutschen Ateliers Le Balto zur Mitarbeit im „Avant-Garden“ rufen. Im der langen schmalen Schlucht zwischen der straßenseitigen Umfassungsmauer und den Schlachthofgebäuden entwickelten sie einen zeitgenössischen Rosengarten, der nun unter Mitwirkung der Bevölkerung des Bezirks bepflanzt und später auch gepflegt werden wird.

17. Februar 2008 Spectrum

Coole Hunde – arme Schlucker

Die Lage der Architekten: prekär. Die der Architektinnen: ein erschütterndes Sittenbild. Eine Studie hat das Berufsfeld Architektur unter die Lupe genommen.

Die Architekten und Architektinnen sind ein bisschen unzufrieden. Wenn man aber schaut, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird, hätten sie Grund, sehr unzufrieden zu sein“, fasst Oliver Schürer eine Studie zu den Arbeitsbedingungen im Architekturberuf einprägsam zusammen. Der Assistent an der Technischen Universität Wien initiierte gemeinsam mit Kollegin Katharina Tielsch eine Bestandsaufnahme, die Karrieremöglichkeiten, Arbeitsbedingungen und Arbeitsbereiche von Architekturschaffenden in Österreich unter die Lupe nahm. Demnach ist die Situation offensichtlich weniger rosig, als es das in den Massenmedien gezeichnete Architektenbild der Öffentlichkeit suggeriert. Denn während die Stars der Branche von den mächtigen Entscheidungsträgern der Konzerne, Investoren, Staaten und Städten hofiert werden und gemeinsam mit ihren Auftraggebern mittels schicker Monumente um Aufmerksamkeit buhlen, herrscht außerhalb des Architektur-Jetsets eine Arbeitssituation, die, nüchtern betrachtet, die Alarmglocken schrillen lassen sollte.

Im Grunde bestätigt die Studie nur, was in der Branche ohnedies allen bekannt und vertraut ist. Schon 2006 wurden im österreichischen Baukulturreport die harten Produktionsbedingungen dargestellt, und von einer Studie zur Situation der Wiener Kreativwirtschaft wurde belegt, dass Architektinnen und Architekten im Vergleich mit anderen Berufsgruppen der sogenannten „Creative Industries“ schlechter abschneiden. Mit durchschnittlich 48 Stunden arbeiten sie am längsten, und das für ein unterdurchschnittliches mittleres Jahreseinkommen von 18.000bis 24.000 Euro. Zusätzliche „artfremde“ Tätigkeiten oder Nebenjobs sind oft unabdingbar, um das Einkommen aufzubessern. Atypische Beschäftigungsverhältnisse und damit fehlende soziale Absicherungen sind im Arbeitsgebiet Architektur typisch. Viele Büros können es sich schlichtweg nicht leisten, Mitarbeiter fix anzustellen, wenn sie wettbewerbsfähig arbeiten wollen. Dementsprechend schlecht sind für Berufseinsteiger die Aussichten, in einem Angestelltenverhältnis die Karriereleiter hochzuklettern. Scheinselbstständigkeit ist eher die Regel als die Ausnahme.

Eine zusätzliche Grauzone entsteht dadurch, dass österreichische Absolventen vonArchitekturhochschulen als Einzige in der Europäischen Union nicht die Berufsbezeichnung Architekt oder Architektin führen dürfen. Nachgewiesene drei Jahren Praxis in einem (schwer zu bekommenden) Dienstverhältnis, die sogenannte Ziviltechnikerprüfung und die (für viele zu teure) Mitgliedschaftin der Architektenkammer samt eigenem Pensionssystem braucht es, um offiziell das sein zu dürfen, was man eigentlich schon ist.

An die Öffentlichkeit oder ernsthaft in das Bewusstsein politisch Verantwortlicher ist dieMisere der womöglich nur scheinbar boomenden Branche noch nicht gedrungen. Auch weil viele Architekten und Architektinnen die Zustände weniger drastisch wahrnehmen, als sie es, objektiv betrachtet, sind. Viele Studierende würden im Vorfeld viel zu wenig über die Perspektiven des Berufes informiert, bedauert Oliver Schürer, wobei aber eine hohe Selbstmotivation dabei helfe, den Leidensdruck zu ertragen. „Intrinsische Motivation“ nennen es die Soziologen, wenn Arbeit aus innerem Antrieb erbracht wird und der externe Anreiz, also die Bezahlung, nicht ausschlaggebend für den persönlichen Einsatz ist. Im „Berufsfeld Architektur“ ist davon enorm viel vorhanden.

„Lieber stehe ich in der Öffentlichkeit als ein cooler, reicher Hund da als wie ein armer Schlucker“, so ein Architekt über das schwierige Berufsbild. Der Tiroler Architekt Wolfgang Pöschl stellt die hohe Lebensqualität, die der Beruf mit sich bringen kann, in den Vordergrund und sieht aus seiner Warte wenig Grund zur Klage. Seit seinem 16. Lebensjahr habe er immer genug Einkommen gehabt, um ohne Einschränkungen zu leben. „Prekär ist die Lage jener, die für 1200 Euro im Monat den ganzen Tag im Dreck arbeiten müssen.“ Es sei ein Privileg, nicht zwischen Arbeitszeit und Freizeit unterscheiden zu müssen, „sondern das tun zu dürfen, was man tun muss“.

Selbstverständlich habe er früher nebenbei gejobbt, um sich seinen Beruf als Architekt leisten zu können, und es sei wichtig, die Anfangszeit zu nutzen, um bewusst die Weichen dafür zu stellen, für wen man später arbeitet. Zu viele Kollegen würden Großaufträgen nachlaufen, für die sie nicht die Substanz haben, worunter natürlich nicht nur die Qualität der Arbeiten, sondern auch die Arbeitsqualität leidet.

Die Texte der Studie sind korrekt geschlechtergerecht abgefasst, dank Binnen-I werden Männer und Frauen gleichberechtigtbehandelt. Die Architekturwirklichkeit hingegen dominieren Männer und eine männliche geprägte Arbeitskultur. Halten sich auf den Universitäten die Geschlechter zahlenmäßig noch die Waage, sind unter den Mitgliedern der Architektenkammer die Frauen eine Minderheit. Dass Architektinnen eine geringere fachliche Qualifikation zugesprochen wird, ist kein Phänomen aus der Zeit unserer Großmütter, sondern laut vorliegender Studie nach wie vor eine Tatsache. Frauen sind deutlich häufiger in Bereichen wie Ausstellungsorganisation oder Lehre etabliert als im Architekturkerngeschäft. Während das Berufsbild im Allgemeinen ins Wanken geraten ist, dürfen sich die Frauen in der Architektur noch immer mit tradierten Rollenzuweisungen herumschlagen.

Andere sind ärmer, deshalb möchte auch die Architektin Gabu Heindl nicht in die berufsspezifische Jammerei einstimmen. Ihre Berichte aus dem Architektinnenalltag decken sich aber mit jenen vieler anderer Kolleginnen und zeichnen ein erschütterndes Sittenbild, was den Umgang öffentlicher Institutionen mit weiblichen Architekten betrifft: Die Frage „Innenarchitektin oder wirklich Architektin?“ zählt da noch zu den harmloseren Untergriffen. Richtig schlimm, aber durchaus üblich ist es, beim Amt als „Fräulein“ und auf der Baustelle als „Gnädige Frau“ tituliert zu werden. An diesen Formalitäten manifestiert sich ein bedenklich konservatives Frauenbild innerhalb der sich mittlerweile nach außen hin gern progressiv gebenden Auftraggeberseite.

Es ist ein Skandal, dass in etlichen Bundesländern die gemeinnützigen Genossenschaften den mit öffentlichen Geldern geförderten Wohnbau quasi unter Ausschluss der Frauen betreiben und von zehn aktuell von öffentlichen Auftraggebern ausgelobten Wettbewerben nur drei Fachjurien keine reinen Herrenrunden sind. Den Architekten geht es schlechter, als sie glauben, und die Architektinnen sind noch übler dran, könnte also auch das Resümee dieser empirischen Erhebung unter 220 Architekturschaffenden lauten.

12. Januar 2008 Spectrum

Wie hoch muss ein Minarett sein?

Warum die moderne Architek- tur einen Bogen um den Moscheenbau macht. Warum eine Moschee weder Kuppel noch Minarette braucht. Und warum Friedrich Kurrent gern eine Moschee in Wien bauen würde. Ein Gespräch.

Für die einen ist es eine Provokation, für die anderen das legitime Bedürfnis einer wachsenden Minderheit nach repräsentativen Sakralräumen. Seit 1874 ist der Islam in Österreich als Religion anerkannt. Aber selbst vagePläne zu Errichtung Islamischer Zentren stoßen sofort auf Widerstände. Handelt es sich tatsächlich um eine städtebauliche Diskussion, wenn Ortsbildgutachten über die Höhevon Minaretten bestimmen sollen? In Telfs wurde das jüngste der drei österreichischen Minarette von 20 auf 15 Meter gestutzt, um Kritiker zu beruhigen. In Deutschland sind repräsentative Moscheeneubauten häufiger. Manchmal gehen sie sogar aus Architektenwettbewerben hervor, wie der von osmanischen Kuppelbauten inspirierte Entwurf für eine große Moschee in Köln des aus der prominenten Kirchenbauerdynastie stammenden Paul Böhm. Ein anderes der raren Beispiele für zeitgemäßen Moscheenbau findet sich in Bayern, das Islamische Forum Penzberg des jungen Architekten Alen Jasarevic.

Friedrich Kurrent, der sich als Architekt und Lehrer intensiv dem Bau von Sakralräumen widmete, bedauert das weitgehende Fehlen zeitgemäßer Moscheenarchitektur.

Friedrich Kurrent, warum findet die heftige Moscheendiskussion der jüngsten Vergangenheit so wenig Widerhall im Fachdiskurs?
Das ist ein kulturelles Defizit. Es geht bloß um das Dagegenhalten, und es herrscht zu wenig Kenntnis darüber, was eine Moschee ist, wie sie sich entwickelt hat und was sie heute sein kann. Eine Erklärung für die schwache Präsenz aktueller Architektur im Moscheenbau kann auch darin liegen, dass das Gebäude beziehungsweise seine Form zur Ausübung der Religion nicht zwingend ist. Wesentlich ist die Gebetsrichtung (arabisch qibla) nach Mekka. Eine ideale Moschee würde aus einer sehr langen Qiblawand bestehen, damit möglichst viele Gläubige in der ersten Reihe stehen und so Mekka am sein könnten. Bei den christlichen Kirchen ist der Opfergedanke, das Abendmahl, wichtig, das sofort raumbildend ist. Abgesehen vom Reinigungsritual vor Betreten der Moschee gibt es solche Riten, die einen Raum bedingen, im Islam nicht.

Sie haben über 20 Jahre lang an Ihrem Lehrstuhl an der Technischen Universität München auch Sakralbau unterrichtet und sich dabei bemüht, die Bauten nicht-christlicher Religionen nicht zu vernachlässigen.
Ja, aber ich habe mich auf die monotheistischen Religionen beschränkt, weil ich Länder, aus denen sie kommen, bereist habe. Auch ein moslemischer Schüler hat mich beim Verständnis des Islam unterstützt.

Woher kommt der uns vertraute Typus der von Minaretten flankierten Kuppelmoschee?
Eine Moschee war nichts anderes als ein Gleichnis für das Haus des Propheten Mohammed. Vorbild war ein arabisches Wohnhaus – ein umfriedetes Grundstück, von dem ein Teil überdacht ist. Das Minarett war ein erhöhter Standplatz, von dem aus der Muezzin zum Gebet rufen konnte. Im Beysehir im Taurusgebirge befindet sich zum Beispiel eine der ältesten erhaltenen türkischen Moscheen: ein wunderbarer, flach gedeckter Holzbau. Kuppeln haben zwar schon die frühen Osmanen gebaut, aber erst durch die Herausforderung durch Byzanz und die Konfrontation mit den christlichen Kirchtürmen hat sich die Kuppelmoschee herausgebildet. Die Hagia Sophia wurde nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen von Sultan Mehmet II. zur ersten Moschee der neuen osmanischen Hauptstadt erklärt. Danach verhalf Sinan, der Architekt von Sultan Süleyman dem Prächtigen, in der Ambition, die byzantinische Hagia Sophia zu übertreffen, mit den imperialen Moscheen des 16. Jahrhunderts diesem Typus zum Höhepunkt.

Und seither gab es wenig Weiterentwicklung?
Ja, nicht in der Türkei und nicht im arabischen Raum. Moscheen werden heute trotz fortschrittlicher Baumethoden genauso gebaut. Aber eigentlich braucht man nichts als einen überdachten Raum, Bodenteppiche, die Möglichkeit der Reinigung und meinetwegen auch die Gelegenheit der Geschlechtertrennung. Minarette bräuchte man nicht.

Aber ist nicht der Wunsch, ein Zeichen zu setzen, legitim und verständlich?
Schon, aber die heutige Architektur kann mit aktuellen Mitteln Moscheen von großer Symbolkraft schaffen. Ich bin kein Gegner der Minarette. Aber es ist nicht die einzig mögliche Form. Heute wird meist mit Lautsprechern zum Gebet gerufen, das Minarett nicht mehrbestiegen. Als Zeichen würde eines genügen.
Als Diplomthema stellten Sie Ihren Studentendie Aufgabe, eine „Kathedrale unserer Zeit“ zuentwerfen. Es waren auch Moscheen darunter.
Einige Studenten verfolgten traditionelle Konzepte von Mehrkuppelmoscheen. Eine junge, in München lebende Türkin hingegen hat ein Projekt geliefert, das weder über Minarett noch Kuppel verfügte – ein schön transparenter, moderner Bau. Ihr ist es gelungen, einen „gestimmten Raum“ zu erzeugen, bei dem die äußeren Anzeichen nicht das Wesentliche sind.

An die äußeren Anzeichen klammern sich aber sowohl die Gemeinden als auch die Gegner. Würden Sie islamischen Gemeinden raten, auf Kuppel und Minarett zu verzichten?
Ja, aber nicht aus taktischen Gründen, sondern weil unsere Zeit neue Mittel hat. Für große stützenfreie Räume braucht es keine mächtigen Kuppelkonstruktionen mehr.

Würden Sie gerne eine Moschee bauen?
Ja, sofort! Auch eine Synagoge! Sakralbau ist etwas Wunderbares, weil er nicht vordergründig funktionalistisch sein muss. Hier geht es um Architektur und Fragen des Städtebaus. In Wien wäre eine Moschee zum Beispiel in jeder Lage eine interessante Aufgabe, weil man sich damit befassen muss, wie man innerhalb der Struktur der Stadt das Gebäude nach Mekka ausrichtet.

1. Dezember 2007 Spectrum

Das endlose Haus

Künstler, Architekt, Designer, getrieben von Visionen und Innovationskraft: Friedrich Kiesler. Die Stiftung, die seinen Namen trägt, feiert ihren zehn-ten Geburtstag und präsentiert ihren jüngsten Zuwachs.

Correalistisches Instrument“ und „Rocker“ heißen zwei multifunktionale, amöbenförmige Möbel aus der Produktion der Wittmann Möbelwerkstätten. Sie wirken topaktuell, formal dem heutigen Zeitgeist verhaftet, und doch sind es Entwürfe aus den frühen 40er-Jahren. Friedrich Kiesler (1890 bis 1965) hat sie als Mobiliar für Peggy Guggenheims „Art of this Century Gallery“ entworfen, der niederösterreichische Produzent hat sie in Kooperation mit der Kiesler-Stiftung vor fünf Jahren als Re-Edition wiederbelebt. Das „Objekt ohne Anfang und Ende“, wie Kiesler es selbst bezeichnete, ein in unterschiedlichen Positionen aufstellbares Sitz- und Präsentationsmöbel, das bis zu 18 verschiedene Funktionen zu erfüllen imstande ist, antizipiert modische Trends und inhaltliche Fragestellungen, die das Möbeldesign der Gegenwart bestimmen. Anhand dieser Möbel lässt sich sowohl die von Kiesler geprägte Theorie des Correalismus eindrücklich nachvollziehen als auch die Aktualität dieses von visionären Ideen und Innovationskraft getriebenen Künstlers, Architekten und Designers darstellen. Und sie sind zudem ein Zeugnis für die rege und vielfältige Tätigkeit der in Fachkreisen höchst angesehenen „Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler Privatstiftung“, die derzeit ihr zehnjähriges Bestehen feiert.

Friedrich Kiesler realisierte zuerst in Wien und ab 1926 vor allem in den Vereinigten Staaten progressive Bühnenarchitekturen, Ausstellungsgestaltungen und Möbeldesigns und widmete sich später zusehends der bildenden Kunst. Sein einziges realisiertes Gebäude blieb der in Zusammenarbeit mit seinem früheren Schüler Armand Bartos (1910 bis 2005) geplante „Shrine of the Books in Jerusalem“. Als „Wissenschaft von der Behausung des Menschen“ entwickelt er den Correalismus – eine Wortschöpfung aus „coordinated correlation“ und „realism“. Die sehr praxis- und realitätsbezogenen Überlegungen gehen davon aus, dass die Realität nicht in der Form eines Körpers, sondern in der Wechselwirkung zwischen Objekt und Betrachter begründet ist. Hand in Hand mit dieser Auffassung des Menschen und seiner gestalteten Umwelt als vielschichtiges System von Wechselbeziehungen geht seine Forderung nach einer Aufhebung der Grenzen der Kunstgattungen. Ein Ding, dessen Grundfunktionen hinsichtlich dieser Korrelationen gründlich überlegt und in ihrem innersten Kern stark und spannend sind, ist im Zusammenspiel mit seinem Umfelds imstande, neue Funktionen zu generieren, lautet, simpel ausgedrückt, die Botschaft.

Diese Designhaltung hat also nichts mit jenen bunten Klumpen – im Szenejargon „blobs“ – aus Kunst- oder Schaumstoffen zu tun, die in den Wohn- und Kinderzimmern der Design-affinen Society als Blickfang, zum Darin-Lümmeln und zu sonst nichts dienen. Dass mehrere seiner Möbelentwürfe nun wieder auf dem Markt sind, belegt die Qualität und Aktualität der Konzepte Kieslers. Seine Theorien und Konzepte inspirieren die Architektur- und Kunstproduktion bis heute.

„Kiesler in den zeitgenössischen Diskurs einzubringen“ sei eines der wesentlichen Ziele, so die Direktorin der Kiesler-Stiftung, Monika Pessler. Deshalb ist sie auch froh darüber, dass die Institution seit zwei Jahren über Räumlichkeiten verfügt, die der Pflege dieses multidisziplinären und internationalen Austausches einen adäquaten Rahmen bietet. Zum zehnjährigen Jubiläum folgten deshalb nicht nur Kapazitäten unter den Kulturschaffenden wie Olafur Eliasson, Hani Rashid oder Ben Van Berkel der Einladung zum Symposium „Modelling Space“ (gestern im Architekturzentrum Wien), um zu von Kiesler aufgeworfenen und heute topaktuellen Fragen neuer Entwurfspraktiken und zeitgemäßer Umweltgestaltung Position zu beziehen. Die Stiftung präsentiert zudem noch bis Jänner einige Kleinode aus Kieslers Schaffen in ihrem Ausstellungsraum. Die Zeichnungen, Fotografien und Pläne zu wesentlichen Kiesler-Entwürfen wie „Raumstadt“, „Space House“ oder „Vision Machine“ und ein Modell vom wohl berühmtesten Projekt Kieslers, dem „Endless House“, sind eine Schenkung des Sammlerpaars Gertraud und Dieter Bogner und zugleich der größte Zuwachs zum Sammlungsbestand seit der Gründung.

Der Kunsthistoriker, Sammler und Museumsfachmann Dieter Bogner ist nicht nur seit Anbeginn Präsident der Kiesler-Stiftung,sondern auch ihr Initiator und Vordenker. Ihm und dem Galeristen John Sailer gelang es – unterstützt von einem prominent besetzten Personenkomitee – die Republik Österreich, die Stadt Wien und etliche private Stifter davon zu überzeugen, Kieslers Nachlass von seiner Witwe zu erwerben.

Lilian Kiesler verzichtete auf ein Drittel des Kaufpreises unter der Bedingung, dass Republik Österreich und Stadt Wien alternierend alle zwei Jahre den mit 55.000 Euro (damals 750.000 Schilling) dotierten Kiesler-Preis für Architektur und Kunst verleihen, und initiiert somit einen der bestausgestatteten und international renommiertesten Kulturpreise überhaupt.

Im Mai 1997 trifft Kieslers Nachlass in Wien ein. Seine Heimstatt war bis vor zwei Jahren das Haus der Wienfluss-Aufsicht in Wien-Hütteldorf. Seitdem die Stiftung in derMariahilfer Straße gegenüber dem Museumsquartier mit Räumlichkeiten ausgestattet ist, die administrative Basis, Archiv und Ausstellungsort zugleich sind, ist sie besser in der Stadt verortet. Über 18.000 Archivalien– Modelle, Skizzen, Pläne, Fotos, Texte, Briefe – dokumentieren hier Kieslers Kunstauffassung und werden besonders von jungen Künstlern und Architekten aus aller Welt zur Recherche und zum Studium herangezogen.

In der Kiesler-Stiftung wird seriöse Archiv- und Forschungsarbeit geleistet. Von Betulichkeit ist dennoch keine Spur, denn die Aktivitäten des Hauses sind mannigfaltig. Ausstellungsprojekte mit Jan Kaplický und Olafur Eliasson sowie eine Ausstellung über das zeichnerische Werk im New Yorker Drawing Center sind nur die Highlights des an den Schnittstellen von Design, Architektur und Kunst angesiedelten Programms.

23. September 2007 Spectrum

Unbunt und sattrot

Wenn Gastrosophie und Baukultur eine glückliche Synthese bilden: Rainer Köberls Sushi-Bar „Sensei“ in Innsbruck.

Angesichts durchaus schwerwiegender architektonischer Probleme wie der Frage nach einer zeitgemäßen Moscheenarchitektur oder dem Beitrag der Architekturschaffenden zum Stopp des Klimawandels und in Anbetracht der Tatsache, dass heutzutage selbst die Kolleginnen von den Lifestyle-Magazinen kaum noch nachkommen, allen zeitgeistig „gestylten“ Gaststätten ihre Referenz zu erweisen, erscheint es womöglich nicht ganz angebracht, einer kleinen Sushi-Bar fast eine ganze wertvolle Seite im Wochenend-Feuilleton zu widmen.

Angesichts der Leidenschaft, mit der Bauherr und Architekt zugange waren, und in Anbetracht der Tatsache, dass im Innsbrucker „Sensei“ Gastrosophie und Baukultur eine glückliche Synthese eingehen, ist das aber wohl angemessen.

Bauherr Dil Ghamal stammt aus einer nepalesischen Goldschmiedfamilie und wurde von einem japanischen Lehrer in Deutschland zum Sushi-Meister ausgebildet. Die Innsbrucker verwöhnte er bereits in zwei anderen Lokalen mit köstlichem Sushi, ehe er sich trotz bescheidenen Startkapitals zur Selbstständigkeit entschloss. Als Architekt wählte er sich einen, der kulturellen Anspruch hat und die intellektuelle Auseinandersetzung sucht.

Architekt Rainer Köberl beeindruckte vor etwa einem Jahrdutzend damit, dass er Gebäude in Randlagen und für Randgruppen, wie ein Pflegeheim (Feldkirch-Nofels) oder ein Wohnheim für Haftentlassene (DOWAS, Innsbruck) als Orte des respektvollen Umgangs von hoher Kontemplation formulierte. Mittlerweile hat sich sein gebautes Repertoire erweitert, und man kann in von Köberl geschaffenen Konsumstätten in der Innsbrucker Innenstadt – vom M-Preis-Supermarkt am Hauptbahnhof über die Buchhandlung Wiederin am Sparkassenplatz, die neue Terrasse des Café Central bis hin zum Delikatessencafé in der Maria-Theresien-Straße und die ein Stück weiter ebendort gelegene Sushi-Bar „Sensei“ – gut und gerne einen ganzen Tag zubringen.

Am „Sensei“ läuft man untertags leicht vorbei, schließlich liegt das Lokal im ersten Stock, ausgerechnet über dem Lokal einer großen Fischimbisskette. Da dem roten Logo-Fisch der Nachbarn (der sowieso als gutes Orientierungszeichen taugt) schwerlich etwas entgegenzusetzen ist, was sich mit dem Ensembleschutz der gesamten Straße und dem guten Geschmack vereinbaren lässt, tritt das Sensei trotz gläsernem Erker nach außen optisch dezent in Erscheinung.

Oben angekommen, veranlasst der schmale Eingangsbereich mit seinen irritierend spiegelnden schwarzen Wänden dazu, das Tempo zu reduzieren, innezuhalten. Das Zelebrieren des Übergangs von außen nach innen ist eines der wichtigen Themen in diesem Lokal. Schon an der Schwelle wird es zu einer physischen Erfahrung, die darauf vorbereitet, dass das Gast-Sein im Sensei ebenso ritualisiert wird wie das Koch-Sein. Denn Schnelligkeit bringt Einbußen bei der Qualität mit sich, darin sind sich der Gastronom und sein Architekt einig.

Schwarz dominiert. Köberl mag diese unbunte Farbe und entlockt ihr immer wieder neue Facetten. Im Sensei dient sie ihm dazu, den Raum größer wirken zu lassen, was aufs Erste paradox erscheint. An Wänden und Decken wurde aus exakt verlegten Schichtstoffplatten sowohl dem (auch lüftungstechnisch bedingt) niedrigeren Eingangsbereich als auch der winzige Küche und dem Gastraum ein schimmerndes Kleid geschneidert. Schon allein daraus entsteht mit einem einfachen Gestaltungsmittel ein ergreifendes Stimmungsspiel zwischen Lichtund Dunkelheit, aber auch eine Plastizität, die zwar spürbar, aber aufgrund der verschwimmenden Raumgrenzen und -kanten schwer festzumachen ist. Untertags spiegeln sich in der Decke das Tageslicht und der Straßenraum, und nachts vervielfältigen sich darin die Kunstlichtakzente. Wenn es dunkel ist, erfährt auch der Bezug zum öffentlichen Raum neue Blickwinkel: Denn dann bildet sich die Betriebsamkeit des Lokals gut von der Straße aus sichtbar in bunten Reflexionen an der Decke ab. Gäste, Passanten und die mit hoher Aufmerksamkeit und Kunstfertigkeit produzierten Speisen steuern wichtige Farbakzente bei. Sorgfältige Materialvariationen fügen sich zum stimmigen Hintergrund. Das Lärchenholz am Boden und im Inneren des Erkers erfuhr eine aufwendige Behandlung, bis sich ein flirrendes Oberflächenmuster abzeichnete: Zuerst gebürstet, dann schwarz gebeizt, leicht geschliffen und danach lackiert, präsentiert sich die kräftig zum Vorschein kommende goldene Maserung als exotisch anmutendes Flammenornament. Schwarz-golden exotisch auch die Tische, die mit indischem Apfelholz furniert wurden.

Die 26 Plätze im Gastraum sind entlang der Wände linear angeordnet, einen besonders exponierten Tisch gibt es im Erker. Das wirkt übersichtlich und großzügig. Gut strukturiert zu sein ist wichtig in einem so kleinen, meist ausgebuchten Lokal. Mangels Keller oder eigenen Lagerraums bietet ein mit einem schwarzen Vorhang abgeschirmter Wandschrank gegenüber der Theke einen wohlüberlegt bestückten Stauraum. Sichtfenster in den Wänden zur Küche erweitern den Köchen optisch den Raum und gewähren den Gästen einen flüchtigen Blick auf den Herd. Einen edlen Akzent liefert der sattrote Samtvorhang, der an der Rückwand des Lokals das Entree zu den Toiletten abschirmt. Um die Noblesse nicht zu stören, wurde sogar auf gängige Damen-Herren-Symbole verzichtet und der Unterschied auf güldenen Metallplatten, in die ein beziehungsweise zwei kreisrunde Löcher eingestanzt sind, kenntlich gemacht. Schön und klar! Asiatisch?

Das Ausbilden von Schwellen zwischen Innen und Außen, der an japanische Lackarbeiten erinnernde Glanz der Oberflächen, die Farben – ja, das Lokal verströmt durchaus ein Flair, das man als „asiatisch“ bezeichnen könnte. Rainer Köberl, der selbst betont, sich nicht besonders intensiv mit der fernöstlichen Kultur auseinandergesetzt zu haben, vermied es aber, typische Elemente japanischer Architektur offensichtlich zu zitieren. Seine Anspielungen sind flüchtig und überschreiten nie jene Grenzen, wo der Architekt die Zügel aus der Hand gibt und zum Erzähler von nicht selbst erlebten Geschichten wird. Die Erzählungen von Rainer Köberl und Dil Ghamal hingegen berichten von einer höchst produktiven und kongenialen Kooperationen von zwei Meistern ihres Faches, die sich auf fremden Terrain mit sicherem Instinkt bewegen.

5. August 2007 Spectrum

Wo sich Fest und Wiese finden

Ein Paradebeispiel, wie man öffentlichen Raum schafft: Zwei junge Architekten gestalten ein Festivalgelände und bereichern die Stadt Gänserndorf um eine ganzjährig nutzbare Insel.

Sommer ist Spektakelzeit, und weil die diversen feiernden Szenen dazu nicht nur eine nackte Wiese, sondern auch die entsprechende Infrastruktur brauchen, muss dafür auch gebaut werden. Die niederösterreichische Stadt Gänserndorf holte sich qualifizierten Beistand, um den diversen Lustbarkeiten einen adäquaten architektonischen Rahmen zu geben. Seit sieben Jahren findet im Garten des Kulturhauses Schmied-Villa – neben anderen Veranstaltungen – vor allem die Sommerszene, ein mehrwöchiges, gut besuchtes Konzert-Festival, statt.

Anstatt der bisherigen Provisorien und um das Areal ganzjährig nutzbar zu machen, suchte man nach einer qualitätsvollen Lösung und bediente sich zu diesem Zweck der Unterstützung der niederösterreichischen Kulturabteilung. Unter der Ägide von Katharina Blaas-Pratscher werden dort unter dem Titel „Kunst im öffentlichen Raum“ künstlerische Interventionen in öffentlichen Bauten und Plätzen im ganzen Bundesland gefördert. Finanzielle Begehrlichkeiten der Gemeinden werden nicht nach Gutdünken erfüllt, sondern von einem wechselnden Beirat aus Künstlern und Künstlerinnen, Kunstvermittlern und Architekturfachleuten begutachtet. Meist wird den Gemeinden die Auslobung eines Wettbewerbs empfohlen – die Kosten trägt das Land – und ein Pool an potenziellen Teilnehmern vorgeschlagen.

Auch für den Ausbau des Gänserndorfer Kulturhausgartens wurde dieses Prozedere angewandt. Seit Sommerbeginn läuft der Betrieb im neu gestalteten Areal, dem die jungen Architekten Florian Sammer und Karoline Streeruwitz (sammerstreeruwitz) seine Form gaben.

Ausgehend von der Tatsache, dass die innerstädtische Wiese suboptimal für das Fest war und umgekehrt das Fest die Wiese in Mitleidenschaft zog, entwickelten sie ein Konzept, das den Anspruch erhebt (und schließlich auch erfüllt), Fest und Wiese in Einklang zu bringen. Die für Veranstaltungszwecke notwendigen Eingriffe legten sie so an, dass die Wiese auch in programmfreien Zeiten als „nutzungsoffener Freiraum“ Attraktivität hat. „Fest & Wiese“ – so betitelten sammerstreeruwitz schlicht und einfach ihr Projekt – beinhaltet einerseits im Streben nach der Erhaltung und Betonung des Wiesencharakters stark poetische Wesenszüge, ist grundsätzlich aber von höchst realitätsbezogener Pragmatik getragen.

Die Wiesenfläche selbst modulierten sie zur „intelligenten Wiese“, die den verschiedenen Anforderungen durch unterschiedliche Oberflächenausbildungen Rechung trägt.Bodenverdichtungen und Rasengittersteine verstärken die Rasenfläche dort, wo die Beanspruchung groß ist, zum Beispiel vor den Gastronomiebuden. Das Gelände ist zu einem zentralen, ebenen Plateau hin, auf dem Tisch- und Bankreihen aufgereiht werden können, sanft abgeböscht. In die Wiese eingelassene Bodenköcher erlauben die bedarfsweise Anbringung von Ständern für Lautsprecher, Beleuchtung oder Schirme.

Befestigte Inseln in der Wiese sind eine kleine Tribüne aus Holz und die als offener Pavillon gestaltete Bühne. Letztere wurde als fixe Stahlkonstruktion ausgeführt, deren Dach auf sternförmig auskragenden Stützen ruht. Sie ist von schlichter, eleganter Anmutung und lehnt sich in einem Elfenbeinton farblich an den Kolorit der Schmied-Villa an. Ihr großteils in die Böschung eingegrabener Sockel, aus dem auch die das Dach nicht berührende, abschirmende Rückwand aus Beton aufragt, birgt einen Lagerraum. Der Bühnenboden aus Lärchenholz bietet Zusatznutzen als überdachte Liegefläche.

Umgrenzt wir das Areal von einer „programmierten Hecke“, also einer Hecke, in die wesentliche dienende Funktionen integriert sind. Noch ist dieser lebenden Zaun, dem eine bis zu sieben Meter hohe, mit einem Holzspalier beplankte Stahlkonstruktion Halt gibt, am Wachsen. Wenn der gepflanzte wilde Wein, das Geißblatt und die Pfeifenwinde das Spalier völlig eingenommen haben, wird der horizontale Grünraum der Wiese eine vertikale, von Blüten durchzogene Fortsetzung erhalten, die den Platz noch dichter umrahmen wird.

In die Hecke eingegliedert sind drei schlicht gestaltete Gastronomiestände sowie ein Abwaschstand, die durch einen innerhalb des Rankgerüsts liegenden Servicegang miteinander verbunden sind. Die Buden sind als schlichte, an einfache Marktstandarchitektur erinnernde Holzkonstruktion auf einem niedrigen Betonsockel aufgesetzt. Verschlossen werden sie mit tafelförmigen Schiebeelementen, die sich, mit Kreide beschrieben, zur Speisekarte wandeln lassen.

Was Florian Sammer und Karoline Streeruwitz hier geschaffen haben, entstand zwar im Hinblick auf die Förderung unter dem Titel der Kunst im öffentlichen Raum, ist aber de facto vielmehr: Es ist ein öffentlicher Raum an und für sich, der hier kreiert und strukturiert wurde. Also Raum, in dem unterschiedliche Akteure ihre Ansprüche verhandeln und durchsetzen. Viele dieser Akteure waren von Anfang an bekannt, haben die Wettbewerbsausschreibung formuliert und später mit dem Architektenteam das Anforderungsprofil erarbeitet. Es gibt gewiss aber auch Gruppen, die noch nicht aktiv mitgestalten konnten, weil es noch nicht möglich war, sie in den Entscheidungsprozess einzubinden oder weil sie noch anonym sind oder immer anonym bleiben werden.

Um den öffentlichen Raum allen potenziellen Nutzern zu einer qualitätsvollen Lebenswelt aufzubereiten, reicht es nicht, bei Verkehrsplanern und Gastronomieeinrichtern ein fesches Layout zu ordern. Guter öffentlicher Raum, dessen Gestaltung nicht nur von Pragmatik, sondern auch von Kreativität und Fantasie getragen ist, vermag auch die Vorstellungskraft und den Enthusiasmus der Bürger zu stimulieren und kann nicht zuletzt auch identitätsstiftend wirken.

Dem Konzept Fest & Wiese, das Florian Sammer und Karoline Streeruwitz zum Wettbewerb einreichten und das nun mit einigen Adaptionen, mit denen sie souverän auf geänderte Anforderungen reagierten, umgesetzt wurde, wohnt dieses Potenzial inne. Architektonisches Volumen wurde sparsam und klug eingesetzt. Die errichteten Strukturen erlauben mehrere Nutzungsszenarien für geplante und spontane Aktivitäten.

Gänserndorf hat also einen Platz erhalten, für den es für etwa ein Viertel des Jahres eine Programmierung gibt, im Rahmen derer natürlich auch Geschäfte gemacht werden sollen. Florian Sammer und Karoline Streeruwitz schufen dafür die Rahmenbedingungen. Sie gestalteten aber auch einen alltagstauglichen Platz für die veranstaltungsfreie Zeit und für Bevölkerungsgruppen, die sich die Wiese im programmierten Zustand nicht leisten können oder sich aus welchem Grund auch immer, nicht davon angesprochen fühlen. Ihnen wird angeboten, sich den strukturierten Platz zwischendurch anzueignen – zum Flanieren, Sitzen, Lesen, Ausrasten. Eine willkommene Insel in der Stadt in einer Zeit, in der jene Orte immer rarer werden, die Aufenthaltsmöglichkeiten ohne Konsumzwang und Werbeflut anbieten.

An diesem mit einer Fläche von 1500 Quadratmetern kleinen Beispiel in Gänserndorf beweist sich, wie wichtig es wäre, solche Aufgaben in die Hände von Fachleuten zu legen, die dann im Dialog mit den Nutzern taugliche Lösungen entwickeln. Die Gestaltung des öffentlichen Raums ist eine zu verantwortungsvolle Aufgabe, um sie den Eventmanagern und dem privaten Sektor zu überlassen. Selbstverständlich geht es um gute Form, Angemessenheit, Städtebau, aber besonders um das Augenmerk auf die Menschen und deren Handlungen. Von rein kommerziellen Interessen und dem werbetechnisch einfach verwertbaren Sujet motivierte Gestaltungen vermögen diese Ansprüche in der Regel nicht zu erfüllen.

16. Juni 2007 Spectrum

Mit Schirm, Spitz und Quader

Zwei Schlösser, zwei Konzepte: hier Pragmatik mit Sinn fürs Detail, dort ein umstrittener Glasaufbau. Zwei Umbauarbeiten zur Landesausstellung im Mostviertel.

Fast alle Bundesländer wickeln mit gewisser Regelmäßigkeit und Routine an wechselnden Orten Landesausstellungen ab und erhoffen sich davon Auswirkungen auf den regionalen Tourismus. Meist gehen diese Großveranstaltungen mit Revitalisierungen sanierungsbedürftiger Baudenkmäler einher und sind deshalb auch Spiegelbilder regionaler Baukultur.

„Feuer & Erde“ lautet der Titel der heurigenNiederösterreichischen Landesausstellung imMostviertel. Schon das Thema und das gefällige Plakatsujet weisen darauf hin, dass dieMassentauglichkeit im Vordergrundsteht. „Jakob Prandtauer und sein Kunstkreis“ – Titelder ersten Landesausstellung im Jahr 1960 im Stift Melk – klang da noch sperriger. Wiereagiert die Architektur auf die Anforderungen des erlebnisorientierten Kulturtourismus? Muss sie selber zum Ereignis werden? Schließlich geht es sowohl darum, attraktive Örtlichkeiten für das temporäre Spektakel zu bieten, als auch pflegebedürftige Bausubstanz für die Nachnutzung zu rüsten.

Wie unterschiedlich das Herangehen sein kann, wird an den zwei Ausstellungsorten Waidhofen an der Ybbs und St. Peter in der Au deutlich. Die Gemeinde St. Peter lobte schon im Jahr 2000, als noch nicht feststand, dass sie die Landesausstellung „bekommt“, einen geladenen Wettbewerb aus. Übrigens war kein praktizierender Architekt in der Jury, was die Qualität des siegreichen Entwurfes aber nicht schmälern soll, sondern vielmehr ein Sittenbild der sich nur zäh bessernden Wettbewerbskultur in Niederösterreich abgibt. Gewonnen hat Johannes Zieser mit einer Lösung, die stark auf Pragmatik und Vernunft setzt, aber doch ein paar bemerkenswerte Details aufweist.

Ganz anders die Situation in Waidhofen. Erst 2004, nachdem die Landesausstellung sicher sicher war, wurde Hans Hollein mit dem Umbau des Schlosses beauftragt. Seine deutlich sichtbaren Interventionen sorgten ab Bekanntwerden der ersten Entwürfe für herbe Kritik.

Hauptanlass der Erregung ist ein gläsernerQuader, den Hollein auf den Bergfried der im19. Jahrhundert zum repräsentativen Schlossdes Fürsten Albert Freiherr von Rothschild umgebauten mittelalterlichen Burg setzte. Als gläserne „Liftkabine“ wurde der Aufbau verunglimpft, und die Welle des Unmuts brandete nochmals auf, als sich im Zuge der Realisierung herausstellte, dass die Glaskisteauf dem Turm kein rein gläserner Kristall ohne Zusatzstruktur ist, wie die Schaubilder es suggerierten, sondern eine eher normale Metall-Glas-Konstruktion. Der Aufsatz hebt sich ebenso klar von der historischen Substanz ab wie der gläserne Spitzhelm über dem Nordturm, die Außentreppe der Glasvorbau samt weit über die Ybbs auskragendem Balkon und das Eingangsgebäude.

Als wichtiges „Marketinginstrument für die Landesausstellung“ bezeichneten zuständige Politiker die markanten Elemente. Hollein selbst beruft sich darauf, dass auch der Ringstraßenarchitekt Friedrich Schmidt, der das Schloss ab 1886 für die Rothschilds modernisierte, zweckfreie Interventionen vornahm, die nicht funktional, sondern im Sinne eines künstlerischen Gesamtbildes motiviert waren. Im Inneren finden die gläsernen Zutaten ihre Entsprechung im „Kristallsaal“, einem an Wänden und Decken mit hinterleuchteten Glastafeln verkleideten Veranstaltungsraum.

Später soll das Rothschildschloss als Museum und Veranstaltungszentrum dienen. Die aktuelle Bespielung durch die Landesausstellung lässt noch keine Beurteilung zu, wie sich die spektakuläre Architektur im „Normalbetrieb“ bewähren wird. Der Glasaufbau ist jedenfalls schon jetzt eine Attraktion. Kaum ein Ausstellungsbesucher lässt sich vom Aufstieg über enge Treppen abschrecken, um dann eiligst aus dem sonnenerhitzten Glasbau – die bereits verblichenen Sonnenschutzsegel scheinen wenig Effekt zu haben – auf die Freiterrasse zu drängen. Später soll der aussichtsreiche warme Platz jedenfalls für kleinere Veranstaltungen wie zum Beispiel standesamtliche Trauungen genutzt werden, was wohl nur in der kühleren Jahreszeit wirklich Stil haben wird.

In St. Peter in der Au gibt man sich nach außen hin zurückhaltender, und auch die großen Debatten blieben (deshalb?) aus. Das Schloss hat seine Wurzeln im 13. Jahrhundert, ist im Wesentlichen aber trotz späterer Veränderungen als vierflügeliger Renaissancebau erhalten. Nach Jahrzehnten in Privatbesitz gehört es nun der Marktgemeinde und soll nach der Landesausstellung als Gemeindeamt und Veranstaltungszentrum genutzt werden.

Der wesentlichste Eingriff in die Substanz ist zugleich jener, der Johannes Zieser den Wettbewerbssieg eintrug, weil er eine gute Erschließung und sinnvolle interne Funktionsabläufe gewährleistet. Dafür wurden die überdrei Meter dicken Mauern des Bergfrieds durchgeschnitten, um an strategisch günstiger Stelle die neue Hauptstiege zu errichten. Alle neuen Einbauten sind klar als solche erkennbar, machen aber der denkmalpflegerisch wiederhergestellten historischen Substanz keine Konkurrenz. Im der Eingangshalle wurde das Flusssteinpflaster aus dem 19. Jahrhundert erhalten, aber aus bauphysikalischen und funktionellen Gründen mit einembeheizten Gussasphalt bedeckt. Glaselemente in der neuen Bodenoberfläche gewähren den Blick auf den historischen Boden.

Die spektakulärste Maßnahme ist die Überdachung des Arkadenhofs. Die Forderung des Denkmalamts nach einer die Bausubstanz möglichst marginal tangierenden Lösung führten zur Entwicklung des mit einer Fläche von etwa 600 Quadratmetern angeblich weltweit größten asymmetrischenund vollständig einfahrbaren hydraulischen Großschirms. Einfach ausgedrückt, funktioniert es wie ein umgekehrter Regenschirm. Die elf Teleskoparme des Schirms sind unterschiedlich lang, der längste 17 Meter. ZumÜberwintern werden sie in die Mittelstütze eingefahren, und die Membran wird durch eine elektrisch ausfahrbare Hülle geschützt.

Baulich änderte sich an der Außenerscheinung des Wasserschlosses zwar fast nichts. Durch die Entfernung des dicht umwucherten Zaunes ist das Schloss nun wieder im Ortsbild präsent, der neu gestaltete Park öffentlich zugänglich und der ehemalige Herrschaftssitz ein offenes Haus für alle.

Johannes Zieser hat das Schloss mit Gespür für das Unaufgeregte und einigen schönen Details revitalisiert. Umso mehr schmerzt die Nachlässigkeit, mit der außerhalb der Verantwortung des Architekten Geschmacklosigkeiten wie güldene Löwen, künstliche Blumen und sonderbares Gastronomiemobiliar das Ambiente verschandeln. Die meisten Besucher werden sich daran nicht stoßen. Aber wären nicht Landesausstellungen auch eine exzellente Gelegenheit, die Leute nicht nur dank „pfiffig verpackten“ Wissens klüger aus der Ausstellung hinausgehen zu lassen, als es hineinkam, sondern nebenbei auch seinen Sinn für Architektur und Raum zu stimulieren? Solche Schlampereien lassen auch Rückschlüsse auf die Wertschätzung zu, die dem Gebäude und seinen Besuchern entgegengebracht wird. Eventuell hat der Architektur-affine Landesrat Wolfgang Sobotka – Juror beim Wettbewerb in St. Peter und Initiator des Hollein-Projektes in Waidhofen – noch Einfluss und Leidenschaft genug, um solche Achtlosigkeiten in Hinkunft zu verhindern.

13. Mai 2007 Spectrum

Bauen fürs Baden

Elegant, modern, pragmatisch: die Bauten in den Donaubädern. Ein Forscherteam hat ihre Architektur in Klosterneu- burg und Kritzendorf unter die Lupe genommen.

Viele der ab den 1920er-Jahren entstandenen Strandhäuser in den Badekolonien an den Donaustränden von Klosterneuburg und Kritzendorf entsprechen jener Neuen Architektur, deren Grundelemente Le Corbusier in fünf Punkten zusammenfasste: Haus auf Pilotis, freier Grundriss, freie Fassade, lange Fenster, Dachgarten. Entlang der Donau war und ist das Aufständern auf Pfahlstützen zum Schutz vor dem Hochwasser unbedingt notwendig, und die Kleinheit der Hütten zwang zu kreativen Einraum-Lösungen. Zum geschützten Sonnenbaden – meterhohe Zäune und Thujenhecken um die privaten Parzellen gab es damals offenbar nicht – errichtete man Sonnendecks, die auf das Satteldach oder einen Zubau gestellt wurden. Bald ging man dazu über, die Häuser gleich mit flachen Dächern zu versehen, um ein ordentliches Plateau zum Zwecke der Körperbräunung zu erhalten.

Wie sehr also handfeste Pragmatik Hauptursache für die moderne Freizeitarchitektur war oder ob sie doch mehr der Haltung kunstsinniger Bauträger, Bauherrn und Auftraggeber aus dem gehobenen Bürgertum zu verdanken ist, sei dahingestellt. Unter den Bewohnern fanden sich Persönlichkeiten wie der Industrielle Wilhelm Blaschczik, die Kabarettistin Cilli Wang-Schlesinger oder die Künstlerin Maria Strauss-Likarz, deren „Weekendhaus“ an der Kritzendorfer Donaulände von Felix Augenfeld geplant wurde, der 1938 wie viele andere der jüdischen Auftraggeber und Planer, zur Emigration gezwungen war.

„Sowohl die Architektenschaft als auch der 1921 unter Marcel Halfon gegründete Bund der Hüttenbesitzer im Donaustrandbad Kritzendorf trachteten danach, den Selbst- und Eigenbau von Hütten einzudämmen und stattdessen fachkundige Personen heranzuziehen“, schreibt die Kunsthistorikerin Sabine Plakolm-Forsthuber. Es ist der Sozial- und Kulturhistorikerin Lisa Fischer zu verdanken, dass das, was diese Architekten an qualitätsvoller Badearchitektur zuwege brachten, nach Jahrzehnten der Missachtung einer adäquaten Aufarbeitung unterzogen wird. Fischer legte mit dem Buch „Die Riveria an der Donau“ und der Ausstellung im Wien Museum vor drei Jahren eine kurzweilig aufbereitete Untersuchung der Badekultur im Strombad Kritzendorf vor und widmete darin auch der Architektur Raum, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sich hier noch ein weites Betätigungsfeld für Bauhistoriker auftut.

Von Fischer angeregt, erforschen nun Caroline Jäger-Klein, Professorin für Architekturgeschichte an der Technischen Universität Wien, und ihre Kollegin Sabine Plakolm-Forsthuber, gemeinsam mit ihren Studierenden die Wochenendkolonien von Klosterneuburg und Kritzendorf. Sie liefern sowohl eine architekturhistorische Einordnung, recherchierten die Siedlungshistorien und zahlreiche Baugeschichten und sparen auch die NS-Zeit nicht aus, in der 76 Prozent der Häuser von der Arisierung betroffen waren.

Bereits 1878 wurde das private Englbad, ein Schwimmschiff, an einem der Klosterneuburger Donauarme errichtet, das 1913 von der Gemeinde übernommen wurde. Das Schwimmschiff wurde vergrößert und die Anlage um Kabinentrakte und ein Restaurant erweitert. Sieben Jahre später präsentiert der Otto-Wagner-Schüler Franz Polzer Pläne für eine großzügigere Anlage um einen „Volksfestplatz“, für die er die Vorbilder unter anderem an der Adria und dem Mittelmeer fand. Und 1923 erfolgte schließlich die nächste große Erweiterung, die das Strandbad um eine Wochenendkolonie für Städter, die sich einen mehr oder weniger bescheidenen Feriensitz am Stadtrand leisten konnten, bereicherte. Bald darauf ortete die ortsansässige Tischlerei Leopold Haas & Sohn ein neues Geschäftsfeld und begründete die „Haas-Kolonie“, die mit Badehüttenin großer Vielfalt und von durchwegs modernem Gepräge bebaut wurde.

Ebenso wie im benachbarten Kritzendorf war eine Reihe weiterer Holzbaubetriebe aktiv, die mit Wochenendhäusern in Fertigteilbauweise am Badehaus-Boom partizipierten. Darunter die Baugesellschaft Wenzl Hartl und – damals am aktivsten – die Klosterneuburger Wagenfabrik (Kawafag). Der Geschichte und Rolle dieser trotz ihrer Produktivität heute wenig bekannten Pionierfirma beleuchtete der Diplomand Thomas Prilc. Das ursprünglich Fuhrwerke und Holzscheibtruhen erzeugende Unternehmen verlegte seine Produktion ab 1923 auf Fertigteilhäuser und errichtete bis zur Zerschlagung des Unternehmens im Jahr 1938 über 2000 Ferienhäuser in ganz Österreich.

Das patentierte System der Kawafag bestand aus einer Kombination der Tafelbauweise in Holz mit einer Massivbauweise aus vorgefertigten Leichtbetonplatten. Das Unternehmen entwickelte mehrere Typen: Die S-Serie umfasste Sommerhäuser vom minimalen Einraumhaus bis zur Strandvilla mit 34 Quadratmeter Grundfläche und drei Zimmern. Die Luxusvariante im Programm war die zweigeschoßige Type A1, die mit Terrassen auf jeder Ebene und einem polygonalen Erker ausgestattet war. Zahlreiche der Kawafag-Entwürfe stammen von den damals recht angesehenen Architekten Fischel & Siller. Auch Karl Haybäck junior und Michel Engelhart entwickelten drei Haustypen und realisierten auf einem gepachteten Areal vier „Weekendhäuser in Holzfachwerk und eingespannten Heraklithplatten“.

Heute herrscht in den Strandbadkolonien Klosterneuburgs wieder ein reger Bauboom – zu einem guten Teil verursacht durch das Hochwasser im Jahr 2002. An die Eleganz und Modernität der Frühzeit können nur wenige der Neubauten und Adaptierungen anschließen. Zeitgenössische Bauten, die dem Charakter der Siedlung entsprechen und dennoch heutige Komfortansprüche erfüllen, sind etwa ein Zubau von Andreas Fellerer in der Badesiedlung Greifenstein (die noch der Erforschung harrt), die Villa Bruno von Unsquare Architects im Strandbad Klosterneuburg oder das Strandhaus MAX35 des Architektenteams DREER2 in der Haas-Siedlung.

17. März 2007 Spectrum

Wohnen im Stadel?

Hoher ökologischer Anspruch in einem engen Kostenrahmen, wie ihn der geförderte Wohnbau vorgibt: die Siedlung am Mühlweg, Wien-Floridsdorf, präsentiert Varianten zeitgemäßen Holzbaus.

...folgt

31. Dezember 2006 Spectrum

Es darf gerankt werden

Wer ist der/die Beste im ganzen Land? Wer der/die Zweitbeste? Wie kommt man unter die Top-100? Über Sinn und Unsinn von Architekten-Rankings.

„Gerankt“ werden nicht nur die besten Volksschulen und Finanzminister, auch Architekten konkurrieren via Bestenliste. Angeführt wird die Liste der Top-100-Architekten konstant von Herzog & de Meuron; Rem Koolhaas' Office for Metropolitan Architecture ist den Schweizern dicht auf den Fersen, auf Platz drei rangiert Zaha Hadid. Hinter der Architekturdiva treten Frauen nur noch vereinzelt und namentlich meist versteckt hinter Gruppennamen auf, keine andere hat es geschafft, als Einzelperson in die medial wahrgenommene Oberliga zu gelangen. Weltbekannte Namen wie Renzo Piano, Jean Nouvel oder Norman Foster folgen bereits mit Respektsabstand. Auf Platz 27 tauchen die ersten Österreicher auf, es handelt sich - eigentlich selbstverständlich - um Coop Himmelb(l)au. Dennoch sieht die Bilanz der hiesigen Baukünstler nicht so schlecht aus. Auf Platz 50 liegen in der aktuellen Liste Delugan Meissl, noch vor arrivierten Kollegen wie Rafael Moneo oder Dominique Perrault. Ebenso unter den ersten Hundert: Splitterwerk aus Graz (Rang 63), Feichtinger Architectes mit Büros in Wien und Paris (Rang 67), Ortner & Ortner (Berlin und Wien, Rang 76), die Vorfertigungsspezialisten Holz Box Tirol aus Innsbruck (Rang 81) noch vor der arrivierten Kompanie Baumschlager/Eberle (Rang 88), und ex aequo auf Platz 93 Hertl.Architekten aus Steyr, der junge Oskar Leo Kaufmann aus Dornbirn und Adolf Krischanitz.

Seit ungefähr zehn Jahren betreibt die deutsche Internettplattform Baunetz ein Qualitätsranking der internationalen Top-Architekten. Nach eigenen Angaben ist das entscheidende Kriterium der Grad der Beachtung der Werke in den „bestgeeignetsten Architektur-Fachzeitschriften“, ohne jedoch genauer auszuführen, warum manche Zeitschriften besser und andere weniger geeignet sind. Alle zwei Monate erscheint die jeweils aktuelle Rangliste, geordnet nach den „Top 100 international“, den besten deutschen Büros, sortiert nach sieben verschiedene Regionen, und den besten ausländischen, also nichtdeutschen Architekturstudios.

Rund ein Dutzend Fachzeitschriften durchforstet das zum Springer-Medienimperium gehörende „Baunetz“, darunter wiederum einige, die Teil eben dieses weitverzweigten Verlagsunternehmens sind, das in der europäischen Architekturmedienlandschaft den Ton angibt. Es werden alle redaktionellen Beiträge erfasst und je nach Länge des Berichts Punkte vergeben. Zudem werden die Zeitschriften mit einem Faktor versehen. Ein Beitrag in einem internationalen Blatt wie „Architectural Review“ oder „domus“ wird höher gewertet als einer in den deutschen Magazinen.

So weit, so gut. Das Ranking fußt nicht auf der Präsenz in den Gesellschaftsspalten, und alle Gelisteten können unbestritten eine Reihe bemerkenswerter Realisierungen vorweisen - ein Indikator für den Stellenwert des jeweiligen Büros in den herangezogenen Zeitschriften, mehr nicht. Aus der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien, Spanien, Deutschland, Italien, Frankreich, Japan, den USA, Skandinavien und Österreich kommen die Büros, die vorne liegen. Matija Bevk und Vasa J. Perovic aus Ljubljana erscheinen wie Exoten. Sie sind die einzigen Vertreter aus Osteuropa. Es findet sich auch kein Architekturstudio aus Südamerika, keines aus Afrika, keines aus Australien.

Auffallend auch, dass kaum ein Büro in den vorderen Rängen sein Brot in erster Linie mit so profanen Aufgaben wie Wohnbau oder Sanierung verdient. Sie bauen eher Fußballstadien, Museen, Konzernzentralen, Flagship-Stores und Bahnhöfe, also Gebäude, die neben der Berichterstattung in den bekannten Architekturmagazinen auch zusätzlich vom Spatenstich bis zur feierlichen Eröffnung und jährlichen Bestückung mit Weihnachtsschmuck von einer potenten PR-Maschinerie begleitet werden.

In diese Liste kommt also nur der, dessen Gebäude eine der ausgewählten Zeitschriften für wert befindet, vorgestellt zu werden. Und hierfür ist es wichtig, nicht nur ein gutes Bauwerk anbieten zu können, sondern auch sehr gute Fotos davon. Jedes der vorne gereihten Architekturbüros weiß das und beschäftigt Profis, die ausreichend Bildmaterial anfertigen - am besten bevor die Nutzer die reine Form mit Spuren ihrer Anwesenheit versehen haben. Sollten diese Spuren doch schon da sein, der Bodenbelag etwa mehr dem Geschmack des Bauherren als dem des Planers entsprechen, ein Nachbargebäude den Anblick beeinträchtigen oder das Gras auf dem Dach noch nicht im gewünschten satten Grün sprießen, ist es zudem hilfreich, über Mitarbeiter mit exzellenter Kenntnis der einschlägigen Bildbearbeitungsprogramme zu verfügen. Wenn dann noch die wichtigsten Projektdaten und Pläne in publizierfähiger Form auf Abruf verfügbar sind, sind die wichtigsten Voraussetzungen erfüllt, für einen achtseitigen Bericht (oder mehr, das bringt die meisten Ranking-Punkte) in Betracht gezogen zu werden.

Wollen Sie sich die paar Tausender für Fotografie und Grafik nicht leisten und gibt das Objekt sowieso keinen sexy Aufmacher her, sollten Sie sich über mangelnde Resonanz in den prestigeträchtigen Architekturblättern nicht ärgern. Geschickte Medienarbeit funktioniert bei Architekten auch nicht anders als bei Finanzministern und Schönheitschirurgen.

Allen Lesern und Leserinnen, denen das Fachsimpeln über Wein zu fad geworden ist und die sich vorgenommen haben, 2007 etwas für ihr Architekturwissen zu tun, oder die gar den nächsten Umbau nicht selbst improvisieren wollen, sei Folgendes ans Herz gelegt: Werfen sie einen Blick in das Ranking, um für den Tratsch gerüstet zu sein. Um gute Architekten und Architektinnen aufzuspüren, ist die Lektüre von Fachzeitschriften nützlich und sind Internetplattformen eine fast unerschöpfliche Fundgrube.

Das Wichtigste aber ist: Besuchen Sie die Originale. So sehen, hören und spüren Sie, was ein Gebäude wirklich kann. Sie wollen auch unauffällig die Planer einem kleinen Check unterziehen und scheuen eine persönliche Terminvereinbarung? Davor sollten Sie zwar grundsätzlich keine Angst haben, weil Erstgespräche und Auskünfte immer kostenlos sind und in den meisten Architekturbüros jedes Interesse mit großer Freude aufgenommen wird. Die besten Gelegenheiten, sich quasi anonym einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, bieten Führungen vor Ort. Die regionalen Architekturhäuser laden regelmäßig zu Führungen und Diskussionen in aktuellen Bauten oder organisieren Exkursionen zu verschiedenen Themen. Das Architekturzentrum Wien veranstaltet zum Beispiel stets sonntags seine beliebten und oft früh ausgebuchten Touren. Traditionell an Freitagnachmittagen lädt die Österreichische Gesellschaft für Architektur zu Bauvisiten, und auch in den Bundesländern gibt es genug Gelegenheit, Bauten und ihre Erbauer unter die Lupe zu nehmen. Internetplattformen, denen die aktuellen Programme entnommen werden können, gibt es genug. Solcherart weitergebildet, lassen sich die Architekten-Bestenlisten getrost in die gleiche Kategorie wie die bereits länger existierenden Misswahlen verbannen, nämlich in die der seichten Unterhaltung.

3. Dezember 2006 Spectrum

Großes Theater im Moor

Selten gehen Architektur und Kunst, Landschaftsplanung und Ausstellungsgestaltung eine derart symbiotische Beziehung ein wie hier: das Ramsar-Zentrum in Schrems - ein Ausflug ins Waldviertler Hochmoor.

Es gibt keinen Abenteuerspielplatz, keine knallgelbe Hüpfburg und keinen Shop mit Plüschottern und Plastiklurchen; Kindern wird dennoch nicht fad. Es fehlen auch die Designer-Bar und andere Konsum stimulierenden Verführungen ebenso wie architektonische und audiovisuelle Spektakel. Es handelt sich vielmehr um eine Bildungseinrichtung über die Waldviertler Hochmoor-Landschaft. Dennoch ist das Ambiente attraktiv für Menschen jeder Bildungs-, Einkommens- und Altersschicht. In Zeiten, wo zum Zwecke der Maximierung von medialer Aufmerksamkeit und Besucherzahlen jedes Mittel recht ist, um Touristen in entlegene Gegenden zu locken, klingt das ziemlich anachronistisch.

Die Rede ist vom Ramsar-Zentrum in Schrems, auch „Unterwasserreich“ genannt. Seinen Namen hat die Institution von der indischen Stadt Ramsar, wo 1971 eine der ältesten internationalen Konventionen zum Umweltschutz, in diesem Fall ein Übereinkommen über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung, unterzeichnet wurde.

Das von den Brüdern Johannes und Michael Kislinger gegründete Büro AH3 Architekten hat den im Jahr 2003 ausgelobten Wettbewerb für ein Besucher- und Forschungszentrum, das Einblicke in die Welt der Feuchtgebiete gibt, mit einem bescheidenen und doch signifikanten Gebäude für sich entschieden. Die in Horn ansässigen Architekten haben sich auf ökologisches Bauen spezialisiert und sind bereits mehrfach mit qualitätsvoller Architektur - darunter etliche öffentliche Gebäude - aufgefallen.

Kein übergroßes Logo, auch kein Maskottchen oder sonst einen baulichen Narrenhut haben die mit Bedacht agierenden Baukünstler für notwendig erachtet, um Werbung für das Haus zu machen. Der gekurvte Baukörper schmiegt sich in die Landschaft. Dunkelgrauer Beton bildet Ton in Ton mit dem Erdboden seinen Rücken. Eine von der Decke bis zum Boden reichende Glasfassade formt den transparenten Bauch. Nur das über dem Eingang weit auskragende Dach bricht als einladendes Element aus dem ruhigen Monolithen aus.

Für den „Prunk“ haben im Unterwasserreich andere als die Architekten mit ihrem zurückhaltenden Gebäude gesorgt. Allen voran die Künstlerin Ingeborg Strobl, die mit Amphibien und Reptilien sowie einem nach oben hin dichter werdenden Geflecht von Skeletten der Glasfassade nicht nur den nötigen Sonnenschutz und einen thematisch passenden Filter zwischen Innen und Außen verpasste, sondern auch eine ausdrucksvolle Schauseite zum anschließenden Freigelände hin. Transparenz, Barrierefreiheit und das Verschmelzen von Innen und Außen sind die dominierenden architektonischen Themen.

Das Glas scheint fast den Wasserspiegel zu berühren, der beinahe an das Fußbodenniveau des Inneren heranreicht. Die umgebende Landschaft (gestaltet von Gerhard Prähofer) mit See, Moorteich, Schilfgürtel, Pflanzterrassen und Fischottergehege ist stets präsent, solange man sich im Foyer oder im lang gestreckten temporären Ausstellungsbereich entlang der Glasfassade aufhält. Emotionell und ästhetisch dazu kontrastierend ist die von Hans Kudlich als amorphes Grottenszenario eingerichtete fixe Ausstellung, in der auf einer künstlichen, aber sehr sinnlichen Ebene Wissen über das Leben in den Wasserwelten vermittelt wird.

Das Gebäude dient all dem als unprätentiöser Hintergrund und Halt. Selten gehen Architektur, Kunst, Landschaftsplanung und Ausstellungsgestaltung eine so symbiotische Beziehung ein wie hier. Keine Disziplin erdrückt die andere, keine spielt sich über Gebühr auf. Bloß dem Fischotter, dem unbestrittenen Star im Freibereich, würde man ein etwas attraktiver gestaltetes Gehege wünschen als den jetzigen Maschendrahtzaun.

Für das Gebäude, das sich der Landschaft und dem Umfeld gegenüber respektvoll verhält, dennoch Aufmerksamkeit und Sinne längerfristig zu stimulieren vermag und nicht als lautes Spektakel angelegt ist, wurden die AH3 Architekten jüngst mit dem Niederösterreichischen Kulturpreis in der Sparte Architektur geehrt.

In einem völlig anderen Kontext fügt es sich in einer modernen Architektursprache in sein Umfeld ebenso gut ein wie das zweite mit eben dieser Auszeichnung gewürdigte Projekt, der neue Campus Krems von Feichtinger Architectes. Und den Würdigungspreis für Verdienste um die Architektur in Niederösterreich erhielt „Spectrum“-Autor Walter Zschokke, dessen jüngste Publikation „ORTE - Architektur in Niederösterreich 1997 - 2007“ dieser Tage im Springer Verlag, Wien, erscheint und der einiges dazu beigetragen hat, dass Architektur in Niederösterreich keine Randerscheinung mehr ist.

Das Ramsar-Zentrum ist in Schrems übrigens nicht das einzige lohnende Ausflugsziel, das auch aus architektonischen Gründen sehenswert ist. In den letzten Jahren hat sich hier einiges getan. Gleich nebenan befindet sich das Moorbad Schrems (Architekt: Thomas Konrad), das dank der Freiraumgestaltung von Jakob Fina von großer Anmut ist. Und nicht weit weg davon, auf einer Lichtung im Wald, befindet sich ein drittes Kleinod aus der jüngsten Vergangenheit, die Aussichtswarte Himmelsleiter von Manfred Rapf.

Für touristische Zwecke zu bauen ist eine heikle Angelegenheit. Schließlich geht es darum, Attraktionen für ein möglichst zahlreiches Publikum zu schaffen. Verführerisch locken schnelles Geld und mediale Aufmerksamkeit. Oft wird dabei mittels flott inszenierter Eventarchitektur, die selten nachhaltig im umfassenden Sinn ist, über das Ziel hinausgeschossen. In Schrems hingegen entstand ein Gebäude, das dem Besucher großes Theater im besten Sinn zu bieten imstande ist, ohne sich selbst zu sehr aufzuspielen.

5. November 2006 Spectrum

Radikal dicht

Schnickschnack und Romantik sucht man hier vergebens. Dazu Schlaf- und Badezimmer ohne Aussicht. Ernst Linsbergers Wohnbau in Krems: ein Werk mutiger Entscheidungen.

Ausgerechnet ein Wohnbau mit Zimmern ohne Aussicht ist der Beleg dafür, dass auch in Niederösterreich im großvolumigen Wohnbau durchaus mehr möglich ist als die üblichen, völlig uninspirierten Wohnblöcke, die den Stadtbildern nichts Gutes tun und alle, die es sich leisten können ins Einfamilienhaus treiben, weil attraktive verdichtete Wohnanlagen rar sind. Warum sich in Niederösterreich keine bessere Wohnbaukultur entwickelt hat, ist eine eigene Geschichte. Aber immerhin leistet sich das Land seit Anfang des Jahres Beiräte, die dafür sorgen sollen, dass bestimmte Qualitätskriterien im geförderten Wohnungsbau eingehalten werden. Wie durchschlagskräftig diese Gremien sind - die jeweils einreichenden Bauträger dürfen ein Beiratsmitglied nominieren, und die Hand, die einen füttert, beißt man bekanntlich nicht -, wird die nähere Zukunft weisen, wenn gebaute Resultate da sind. Das Schlimmste verhindern und den Durchschnitt heben, mehr darf man sich ohnedies nicht erhoffen. Richtig gute Ergebnisse kommen anders zustande: Entweder durch ordentliche Wettbewerbe oder indem ein kompetenter Bauherr die besten verfügbaren Architektinnen und Architekten zu fairen Bedingungen engagiert.

Krems gilt als die Architektur-affinste Stadt in Niederösterreich. Etliche Gustostückerln zeitgemäßer Architektur sind im letzten Jahrzehnt entstanden - darunter viele Kleinbauten wie Aufstockungen, Adaptierungen, Einfamilienhäuser oder Lokale von ortsansässigen Architekten ebenso wie von überregional bekannten Persönlichkeiten. Aber es gibt auch starke Statements von städtebaulicher Relevanz, allen voran der Campus Krems von Dietmar Feichtinger. Einzig im verdichteten Wohnbau geschah aus architektonischer Sicht wenig Relevantes, und was an über die Grenzen der Wachau hinaus Erwähnenswertes realisiert wurde, stammt aus einer Architektenpratze.

Ernst Linsberger legt nach seiner Atrium-Reihenhaussiedlung in der Kremser Katastralgemeinde Gneixendorf (1998), der Siedlung am Hundssteig (2004) und einer eigenwillig bodenständig angehauchten Siedlung in Egelsee (2005) nun einen weiteren bemerkenswerten Wohnbau auf Kremser Boden vor. Diesmal auf einem felsigen Südhang an der Langenloiser Straße. Linsberger bevorzugt mittlerweile den Stein als Baugrund, „weil sich unter dem Löss in Krems immer Zeug aus dem Paläolithikum findet“, was zu enormen Bauverzögerungen führen kann. Sein architektonisches Vokabular hat der Rainer-Schüler wie bereits von der kleinen Gneixendorfer Anlage zur das Stadtbild prägenden Siedlung am Hundssteig wiederum weiterentwickelt. Bei seinem jüngsten Werk sind ebenfalls Atrien, hohe Verdichtung und der Dialog mit der Landschaft wichtige Themen. Aber sie werden radikaler, bar jeder Romantik, abgehandelt.

Insgesamt 67 Wohnungen ducken sich unter markant auskragenden Flachdächern aus Betonfertigteilen in den Hang. Von sympathischer Schroffheit - wie der Fels darunter und nicht patzweich wie Löss - auch der mit einem Streifenrelief und schmalen waagrechten Lichtschlitzen versehene Sockelbau, der die riesige Tiefgarage birgt.

Der dichte Teppich an Terrassenwohnungen ist streng organisiert. Schnickschnack wie unbrauchbare Vorgärten, Rasenrabatten und umständliche Wegführungen gibt es nicht. Dafür mit einem Glasband gedeckte, kerzengerade Gänge zwischen den Zeilen, die zu den einzelnen Wohnungen führen. Auch viele das Alltagsleben erleichternde Details, die selbstverständlich sein sollten, im Wohnungsaber aber längst nicht Usus sind, sind hier realisiert. So sind zum Beispiel die Terrassen mittels Betonfertigteilwänden voneinander sichtgeschützt abgetrennt. Jede Wohnung hat anstatt eines finsteren Kellerabteils einen nächst dem Eingang situierten, holzverschalten Abstellraum. Das sind Kleinigkeiten, die nicht viel kosten, aber die Nutzbarkeit und Bequemlichkeit einer Wohnung mit wenig Aufwand steigern.

Es gibt etliche Wohnungstypen und an den Rändern jeweils Sonderformen mit oft recht eigenwilligen, dreieckigen Grundrissen. Die typische Wohnung sieht so aus: Von der Eingangsebene, in dem sich die Garderobe und eine Toilette befinden, führt eine Treppe ins Wohngeschoß, das um ein mit Glas gedecktes Atrium organisiert ist. Die Schlaf- und Badezimmer beziehen das Tageslicht ausschließlich von diesem innen liegenden Raum. Sie haben daher, und das ist eine mutige Entscheidung, keine Sichtverbindung nach außen. Eine kontrollierte Wohnraumlüftung sorgt für gutes Klima. Ausblick nach außen und über die Stadt gibt es durch die verglasten Fronten der Wohn-Essräume und von den geräumigen gedeckten Terrassen aus. Das antike Hofhaus wird hier auf wenig Fläche in den geförderten Wohnbau transferiert. Erreicht werden damit höchste Privatheit durch die starke Orientierung nach innen und ein großzügigeres Flair durch den lichtdurchfluteten zentralen Raum.

Ernst Linsberger kümmert sich wenig um Architekturtheorien und Moden. Und obwohl er nicht von der Jagd nach Innovationen getrieben zu sein scheint, gelingen ihm immer wieder Bauten, die dank gescheiter Kombinationen aus erprobten und neuen Elementen sowie Sinn für zweck- und materialgerechte Details in der Wohnbau-Oberliga mitspielen. Denn es ist weniger wichtig, Neues zu erfinden, als bereits Erfundenes so anzuwenden, dass dabei Wohnungen herauskommen, die ihren Nutzern Freude machen, städtebaulich sorgsam konzipiert sind sowie ökonomisch und ökologisch auf aktuellem Stand sind. - Im geförderten Wohnbau trotz aller Jubelmeldungen über das hohe Niveau im österreichischen Wohnbau längst noch nicht überall selbstverständlich. [*]

[ Zum Lokalaugenschein lädt „Orte“ am 11. November um 14 Uhr ]

10. September 2006 Spectrum

Weiß, pur, klar

Rom jubelt, Rom schimpft. Zwei Bauten Richard Meiers: eine Kirche, die weiß ist und weiß bleibt, und ein Museum, das ein Monument einhüllt - und manche an eine Tankstelle oder eine Kläranlage erinnert.

Ein jüdischer Architekt hat den Wettbewerb für den Neubau einer Kirche in Rom gewonnen", vermeldete Radio Vatikan vor zehn Jahren. Es ging nicht um irgendeine Kirche, sondern um die „Jubiläumskirche“ für das Heilige Jahr 2000. Fertiggestellt wurde sie erst drei Jahre später. Und jetzt, wo die Jubelhymnen des internationalen Architekturfeuilletons über den spektakulären Sakralbau verstummt sind, der Ansturm der Architekturtouristen sich gemäßigt hat und das effektvoll publizierbare Gotteshaus sich im Alltag bewähren muss, kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass es nicht unbedingt einen guten Katholiken als Architekten braucht, um hochklassige, spirituelle Kirchenarchitektur zu planen. Richard Meier - bekannt für seine ausgeprägte architektonische Handschrift und die stets weißen Bauten - gewann den Wettbewerb gegen seine renommierten Kollegen Frank Gehry, Günther Behnisch, Santiago Calatrava, Peter Eisenman und Tadao Ando. Fast zeitgleich beauftragte der damalige römische Bürgermeister und jetzige Kulturminister Francesco Rutelli den New Yorker Pritzker-Preisträger direkt mit der Planung einer neuen, heuer fertiggestellten Einhausung der Ara Pacis im historischen Zentrum und sorgte damit für eine hitzige Architekturdebatte. Doch davon später.

Den Akzent des schwarzen Priesters, der im August den Pfarrer vertritt, versteht die rüstige Pensionistin nicht recht und zieht deshalb ein Schwätzchen auf dem Kirchenvorplatz der Predigt vor. Aber auf die neue weiße Kirche ist sie ebenso wie die anderen Gemeindemitglieder sichtlich stolz.

Wie ein Schiff mit drei riesigen, vom Wind geblähten Segeln steht der strahlend weiße Bau inmitten des Wohnviertels Tor Tre Teste am östlichen Stadtrand von Rom. Auf den ersten Blick ist er ein Fremdkörper zwischen den hohen Wohnblocks. Eine weitläufige, mit Travertin gepflasterte Piazza liefert dem glamourösen Schiff einen adäquaten Ankerplatz. Mauern umgeben den schlichten, unmöblierten Platz. Die profane Umgebung ist weitgehend ausgeblendet. Die Vermutung, es sei Überheblichkeit und Effekthascherei bei der Konzeption dieses katholischen Prestigebaus im Arbeiterviertel zugange gewesen, zerschlägt sich vor Ort sofort. Kirche und Platz sind ein Hort der Ruhe und eine städtebauliche Mitte in einer disparaten Umgebung. Schnell erschließt sich das Gebäude, das trotz der eigenwilligen Form durchaus klassischen Kirchenkonzeptionen mit Hauptschiff, Seitenschiffen und Glockenturm entspricht. Viel Tageslicht - und im August auch die Sommerhitze - erfüllen den Kirchenraum durch die verglasten Dächer, die zwischen die weißen Betonscheiben gespannt sind. Innovative Technologie soll das Weiß der Kirche „Dives in Misericordia“ langfristig erhalten.

Mehl aus Carraramarmor macht die Betonfertigteile strahlend weiß, und beigemengte Partikel aus Titanoxid - das Ganze nennt sich fotokatalytischer Zement - sorgen dafür, dass organische Schmutzpartikel durch Sonneneinstrahlung abgebaut werden.

Neben der lichtdurchfluteten Kirche beinhaltet der Komplex ein viergeschoßiges Gemeindezentrum, das im Norden an den hohen Kirchenraum anschließt. Es ist erstaunlich, wie pur sich das Innere auch nach einigen Jahren Gebrauch präsentiert. Keine Spur von Gummibäumen und Teppichen, mit denen in modernen Kirchen oft hilflos wirkende Versuche zur Vergemütlichung eines kargen Raumes unternommen werden. Meier gelang trotz der Klarheit und Absenz von Farbe ein Raum von hoher Spiritualität, der selbst ohne Hintergrundwissen zum Symbolgehalt sich den Besuchern und Gläubigen zu erschließen vermag. So richtig überzogen wirken eigentlich nur die von Bulgari für die Kirche hergestellten liturgischen Gegenstände aus Silber, die wie in einem Juwelierladen präsentiert werden.

Wenig schmeichelhaft hingegen sind die Attribute, die Meiers zweitem Bau in Rom zugedacht wurden: Tankstelle oder gar Kläranlage nennen die Römer die neue Einhausung der Ara Pacis. Der ursprünglich an der Via Flaminia, der heutigen Via del Corso, situierte Altar wurde unter Mussolini zum 2000. Geburtstag des als Vorbild gut tauglichen Imperators Augustus an einer im Stadtbild wirkungsvolleren Stelle als dem Fundort, zwischen Augustus-Mausoleum und dem heute stark vom Verkehr frequentierten Lungotevere wiederhergestellt. Überbaut wurde er nach Plänen des Architekten Vittorio Ballio Mopurgo (1890 bis 1966) mit einem für damalige Verhältnisse ungewöhnlich großzügig verglasten tempelartigen Pavillon.

Da der alte Schutzbau angeblich die Konservierung des zur Erinnerung an die Pax Augusta und zur Huldigung des Kaisers im Jahr neun vor Christus eingeweihten Altares mit seinen kostbaren Reliefs nicht mehr gewährleistete, beschloss Bürgermeister Rutelli den Abriss und bestellte bei Richard Meier einen räumlich umfassenderen Neubau für ein Ara-Pacis-Museum, der zwangsläufig größer als der Vorgängerbau werden musste. Die Römer standen dem Vorhaben von Anfang an skeptisch gegenüber, forderten gar den Abriss, und selbst nach der unter Polizeischutz vorgenommenen Eröffnung am 21. April, dem Jahrestag der Gründung Roms, haben sich die Wogen der Entrüstung nicht geglättet. Zu massiv sei der Bau, er gebe nach außen hin zu wenig vom Altar preis, und es wurde „in architektonischer, archäologischer und historisch-städtebaulicher Hinsicht mit dem Neubau der Bezug zum Kontext radikal verfehlt“, wie es einer der vehementesten Gegner, der Architekt Giorgio Muratore (bauwelt, Juni 2006), formuliert, dem eine unspektakuläre Sanierung des Bestandes lieber gewesen wäre.

Mehrmals musste Meier den Entwurf überarbeiten und zum Beispiel die zum Lungotevere hin abschirmende Natursteinwand verkleinern. Und obwohl die in den harten Kontroversen vorgebrachten Argumente der Gegner nicht ganz nachvollziehbar sind, wünschte man sich heute doch, das Projekt wäre mit weniger Sturheit seitens der römischen Stadtregierung durchgeboxt worden. Im Vergleich zur Kirche am Stadtrand ist das Ara-Pacis-Museum in architektonischer Hinsicht wenig aufregend. Es erfüllt die Funktion, dem antiken Bauwerk eine bestens klimatisierte Hülle und den Besucherscharen eine höchst angenehme Besichtigung zu gewährleisten - viel mehr aber nicht.

Jener Zeitgenosse, der auf der Abbildung am Bauzaun das Gebäude mit einem „Ikea“-Logo versah, hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Ordentliches Design, gut brauchbar, aber für die ganze große Klasse reichte es halt nicht.

16. Juli 2006 Spectrum

Und woraus sind die Ziegel?

Wie plant man einen Tunnel? Wie baut man eine Moschee, einen Staudamm, einen Wolkenkratzer? Architektur-bücher für Kinder geben Antworten auf Fragen, die auch Erwachsene ratlos machen.

Wenn das Urlaubsprogramm nicht nur Sandburgen-Bauen und Freizeitpark-Besuche vorsieht, sondern die Altvorderen sich zur Kulturbeflissenheit verpflichtet fühlen, kommt vielen Kindern das Gähnen. Baustile, Architektennamen, Jahreszahlen und historische Anekdötchen, von routinierten Fremdenführern heruntergerasselt, sind für Kinder fad, und die Begeisterung für Räume, Konstruktionen und das Entstehen von Bauten und Städten hält sich deshalb in Grenzen. Legoland ist unterhaltsamer, und Architektur en miniature gibt es dort ja auch.

Doch dieselbe Wissbegierde und Leidenschaft, die alle Kinder dank hervorragender Vermittlungsprogramme in den Zoos, zahlreicher Fernsehdokumentationen und nicht zuletzt Büchern für Tiere jeglicher Art entwickeln können, legen sie auch für Architektur an den Tag - wenn sie ihnen entsprechend dargeboten wird.

Besonders für die Kleinsten und die Vorschulkinder, die ja bekanntlich die meisten Fragen stellen, ist die Auswahl extrem dünn. Gut, Bilderbücher à la „Wie gehen auf die Baustelle“ oder „Unsere kleine Stadt“ gibt es in Hülle und Fülle. Aber sie widmen Baugruben und diversem Baugerät mehr Platz als den Häusern, die darin und damit gebaut werden, und bereiten das Verkehrsgeschehen interessanter auf als die gebauten Strukturen der Stadt.

Klar, Architektur ist ein komplexes Thema, aber warum so wenig Autoren und Verlage Spannendes darüber zu erzählen wagen, ist nicht ganz nachvollziehbar. So gut wie alle Kinderbücher, die unter dem Schlagwort „Architektur“ in den Verlagsprogrammen auffindbar sind, richten sich an Kinder ab acht. Da aber Kinder nicht acht Jahre lang von der Baukunst und von baukulturellen Sündenfällen ferngehalten werden können und sich bereits Zweijährige gotischen Domen, gläsernen Hochhäusern und gewagten Brückenkonstruktionen mit der gleichen Neugierde nähern wie dem Fassadenschaden nebenan, ist es jammerschade, zur unterstützenden Erklärung nichts Gedrucktes parat zu haben. Es ist keine Schande, wenn die Mutter der Dreijährigen nicht gleich erklären kann, wie der Brückenpfeiler ins Wasser kommt, warum ein Wolkenkratzer nicht abbricht und wie die Steine im Gewölbe halten. Die Bücher zur Architektur für Schulkinder und Jugendliche sind deshalb auch für alle Eltern eine nützliche Fundgrube für Erklärendes zu den großen Frage der Architektur und Ingenieursbaukunst.

An Kinder „ab acht Jahren und alle an Architektur Interessierten“ richtet auch der bekannteste Autor in Sachen Baukunst für Kinder, der Amerikaner Dacid Macauley, seine Geschichte über den Bau einer Moschee. Die Baugeschichte des im Auftrag eines Admiral Suha Mehmet Pascha und unter Leitung des Hofarchitekten Akif Aga errichteten Gebäudes ist frei erfunden. Unterstütz durch exzellente Zeichnungen, gelingt es dem studierten, aber nie praktizierenden Architekten Macauley, fundiertes Wissen über das inhaltliche Programm einer Moschee ebenso weiterzugeben, wie die Konstruktion von Kuppel oder die Herstellung von Ziegeln zu erklären. Die Baukultur der Christen erläuterte Macauley bereits in „Sie bauten eine Kathedrale“. Ob die Reise also ins Abendland oder ins Morgenland geht, beide Bücher liefern auf hohem Niveau Wissen über Bauten, die „auch jene beeindrucken und anrühren, die nicht den Glauben derer teilen, die sie errichteten“, heißt es im Vorwort.

David Macauley: Sie bauten eine Moschee. Aus dem Amerikanischen von Cornelia Panzacchi (96 S., geb., € 20,50; Gerstenberg Verlag, Hildesheim).

Baugeschichten erzählt der gleiche Autor in seinem „Großen Buch der Bautechnik“. Hier wird nicht fabuliert, sondern es werden die Planungsprobleme und Konstruktionen berühmter Brücken, Tunnel, Kuppelbauten, Wolkenkratzer und sogar Staudämme so erklärt, dass kaum Fragen offen bleiben.

Großartig sind die Zeichnungen, die zum Beispiel anhand des New Yorker Citigroup Centers erklären, wie ein „asynchroner Massedämpfer“ funktioniert. Die Texte sind sachlich und wohl nur für fortgeschrittenere Architekturfreaks zum Selberlesen geeignet. Aber selbst in Baudingen vermeintlich sattelfeste Eltern können hier noch etwas dazulernen.

David Macauley: Macauley's Großes Buch der Bautechnik. Aus dem Amerikanischen von Werner Leonhard. (192 S., geb., € 30,80; Gerstenberg Verlag, Hildesheim).

Die Geschichte von Joe Carbonelli, der als Waterboy die am Bau des Empire State Buildings arbeitenden Handwerker mit Trinkwasser labte, ist mit zusätzlichen Erklärungen auch schon für jüngere Kinder als das angepeilte Zielpublikum ab acht Jahren spannend zu hören. Zur Illustration wurden auch Fotografien von Lewis Hine herangezogen, dessen 1932 unter „Men at Work“ veröffentlichte Aufnahmen bis heute berührende Dokumente über die Arbeitsbedingungen von Bauarbeitern im Spannungsfeld zwischen Ausbeutung und Heldentum sind. Da der Verlag seine Reihe „Abenteuer Architektur“ bedauerlicherweise eingestellt hat, ist das Buch nur antiquarisch erhältlich.

Dietrich Neumann: Joe und der Wolkenkratzer - Das Empire State Building in New York (28 S., geb., ca. € 7; Prestel Verlag, München).

Großen Bauwerken und wie sie geplant, konstruiert und organisiert sind widmet sich der üppig bebilderte Band „Kühne Konstruktionen“. Detailreiche Einblicke in technisch aufwendige Bauwerke vom Atomkraftwerk zum Theater werden geboten, und man erfährt sogar, wie die Toiletten in das Hochhaus der Bank of Hongkong eingebaut wurden. Wer die jeweiligen Architekten sind, erfährt man leider nur nebenbei oder gar nicht, und der geniale Architekt und Ingenieur Ove Arup mutiert gar zu „Ove Astrup“.

Kühne Konstruktionen. Aus dem Englischen von Elisabeth Erpf (44 S., geb., € 13,30; Gerstenberg Verlag, Hildesheim).

Nicht der Konstruktion, sondern dem Wesen von Gebäuden widmet sich das herzerwärmende Buch „Pinsel, Paula und die plaudernden Häuser“, verfasst von drei Wiener Architekturstudenten. Architektur wird nicht beschrieben, sondern kommt - nur für den Jungen namens Pinsel hörbar - selbst zu Wort. Während die Secession mit der Kunsthalle Eifersüchteleien austrägt, die Hofburg mit dem Looshaus über Dekor streitet, der Stephansdom seine Verbundenheit mit dem Messeturm kundtut oder die alten und neuen Museen ein Plädoyer für Vielfalt und gegenseitigen Respekt halten, lernen die Kinder Pinsel und Paula viel über sich selbst. Kindersorgen finden ihre Entsprechung in den Befindlichkeiten der Gebäude, und nebenbei erfährt das junge Publikum, was unter Symmetrie zu verstehen ist und worin die Errungenschaften des sozialen Wohnbaus liegen.

Sophie Hochhäusl, James Skone, Alex Mayer: Pinsel, Paula und die plaudernden Häuser

verknüpfte Publikationen
- Pinsel, Paula und die plaudernden Häuser

3. Juni 2006 Spectrum

Zu Fuß, per Bus, im Floß

Der Mega-Event, flächendeckend, das ganze Land zwei Tage lang im Zeichen der Architektur: Architekturtage 2006. Wer braucht sie? Was bringen sie?

Performances und Filme, Touren zu Fuß, per Bus oder mit dem Floß, Workshops und Diskussio nen, offene Ateliers und Besuche an „geheimen Orten“ locken am 9. und 10. Juni das Architektur-affine Publikum. Bereits zum dritten Mal findet die größte Architekturveranstaltung Österreichs statt, die man getrost einen „Mega-Event“ nennen kann. Zwei Tage lang steht das ganze Land im Zeichen der Architektur. Alle regionalen Architekturhäuser tragen die von der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten und der Architekturstiftung Österreich gestartete Initiative mit und zeichnen für die Programme in den Bundesländern verantwortlich.

Wer braucht die Architekturtage? Architektur ist in den Medien schließlich präsent wie nie zuvor. Kaum eine Tageszeitung oder Wochenpostille, die nicht regelmäßige Sonderstrecken über bemerkenswerte Werke der Baukunst und ihre Schöpfer und Schöpferinnen zeigt. Für TV-Werbespots scheuen sich selbst konservative Firmen nicht mehr davor, zeitgemäße Baukunst als Handlungsort zu wählen. Banken loben Architekturpreise aus, Flachdächer sind nicht mehr automatisch Grund zur Erregung. Die Medienwelt suggeriert, gute Gestaltung sei Teil des gesellschaftlichen Konsens und modernes Bauen eine Selbstverständlichkeit. Im richtigen Leben schaut es anders aus. Egal, ob man sich durch Fußgängerzonen oder krebsgeschwürartig wuchernde Gewerbegebiete bewegt, schon auf lärmschutzwandbegrenzten Autobahnen oder erst in den Raststationen Magenkrämpfe bekommt: Die Scheußlichkeiten sind in der Mehrzahl.

Um qualitätsbewusste Bauherren heranzuziehen, braucht es mehr als bunte Berichterstattung. Zwar stünde die Architektur auf dem Lehrplan für bildnerische Erziehung, wie sie diese aber an ihre Schüler vermitteln sollen, überfordert die meisten Lehrer. Es sind vor allem die Architekturhäuser, die als einzige unabhängige Institutionen auf hohem, aber verständlichem Niveau jene Bildungslücken zu stopfen versuchen, wo die Schulen versagen und sogenannte Bauberatungen diverser Behörden unzulänglich sind. Es geht nicht darum, aus Kindern kleine Architekten zu machen, und ein Haus wird nicht besser, wenn aus einem fünfeckigen Erker ein viereckiger wird. Es geht darum, die Menschen als kritische und mündige Nutzer des öffentlichen und privaten Raumes zu sensibilisieren.

„Bei den Architekturtagen kann man ohne Zugangsschwellen am eigenen Leib erfahren, wie qualitätsvolle Architektur auch im Alltag das Leben bereichern kann“, so Barbara Feller, Geschäftsführerin der Architekturstiftung. Genau diese Alltagsbauten stehen im Fokus des Programms, das vom Haus der Architektur Graz zusammengestellt wurde: Fünf Ausflüge führen zum „Außergewöhnlichen im Gewöhnlichen“. Luxusvillen und Repräsentationsbauten kommen dabei nicht vor. Workshops und Exkursionen für Kinder und Jugendliche sollen das Bewusstsein für architektonische Themen schärfen.

Weiter südlich konzentriert man sich auf die Präsentation des Kärntner Architekturführers. Der Autor Otto Kapfinger führt persönlich durch Klagenfurt und Oberkärnten. Ein Workshop zur Tourismusarchitektur in Velden, eine Architekturfahrt mit Preisrätsel in und um Völkermarkt und eine Entdeckungsreise für Schüler in Wolfsberg laden zur Auseinandersetzung mit der eigenen Region ein.

An „Infopoints für Architektur“ können in Innsbruck und Lienz potenzielle Bauherren Kontakte zu Architekten und Architektinnen knüpfen. Eine Floßfahrt auf dem Inn eröffnet ebenso neue Stadtperspektiven wie ein Spaziergang zu vergessenen Bauten in der Innsbrucker Innenstadt. Im Tiroler Architekturhaus aut dürfen Kinder Raumexperimente anstellen, und das Leokino gibt mit Jacques Tatis „Playtime“ - einer wundervolle Satire auf die moderne Stadt - Anlass zum Lachen und Nachdenken.

In Vorarlberg, wo die Pflege der Baukultur Tradition hat, wird das Architekturerlebnis mit Performances gesteigert: Alphörner auf dem Dach des Grenzüberganges Tisis/ Schan (aix architects) oder Theater bei der Frödischbrücke (Architekten Marte.Marte) sind nur zwei der Stationen auf einer Reise durch Raum und Sinne. Das zukünftige Haus des Vorarlberger Architekturinstituts, die Alte Naturschau in Dornbirn, wird zu den Architekturtagen bereits vorab von Architekten und Künstlern bespielt.

Auch in Salzburg sucht die Architektur den Dialog mit anderen Künsten. Die „Liturgie vom Bauen“, die der Künstler Otto Beck und Architekt Max Rieder gemeinsam mit Schülern und Schülerinnen des Akademischen Gymnasiums erarbeitet haben, leitet die Architekturtage ein. Mehrere Führungen wenden sich an das an historischen und urbanistischen Zusammenhängen interessierte Publikum und beim „Interaktiven Familienprogramm“ dürfen auch die Jüngsten mitmachen. Und wer die Hauptstadt schon kennt, fährt nach Hallein und Saalfelden.

Mit Touren und Veranstaltungen im ganzen Bundesland sowie einem Architekturhappening in Steyr und dem Architekturfrühling in Haslach an der Mühl wartet das vielfältige Programm in Oberösterreich auf. Zum Ausspannen lädt das Architekturforum in seine Räumlichkeiten, wo sich „ArchitektInnen zum Anfassen“ auf ein interessiertes Publikum freuen.

Topografisch breit gestreut ist auch das Programm, das Niederösterreichs Architekturnetzwerk ORTE zusammengestellt hat: Das Waldviertel, St. Pölten und Schwechat werden bereist, in Krems wird gefeiert. Ein besonderes Schmankerl ist die Architekturfilmnacht im Autokino Großenzersdorf, das heute das einzige seiner Art in Österreich ist. In Waidhofen/Ybbs leitet Architekt Ernst Beneder einen Rundgang zu eigenen und anderen Projekten. Das junge Publikum erlebt die Stadt bei einer speziell konzipierten Führung und schafft mit einem Architekturbaukasten selbst Räume.

Der Architekturraum Burgenland lädt Kinder ein, selbst Architekt zu spielen und führt eine Exkursion zu aktuellen Bauten und geheimen Orten im Mittelburgenland und Ungarn.

Die Österreichische Gesellschaft für Architektur und das Architekturzentrum Wien (AzW) steuern gemeinsam mit dem Slowakischen Architektenverein das dickste Programmheft bei. Grätzelweise werden Touren zu neuen Bauten und Architekturateliers angeboten. In der Partnerstadt Pressburg gibt es Gelegenheit, das aktuelle Bauschaffen der Nachbarn in Augenschein zu nehmen. Das AzW hält die Türen bei freiem Eintritt offen. Zugleich beherbergt es ein Treffen des Europäische Forums für Architekturpolitik, Fachleuten aus 28 Ländern, deren Ziel bessere Rahmenbedingungen für Baukultur ist. Der Auftakt für die Architekturtage wird daher mit dem Architektur.Fest.Europa am 8. Juni ab 19 Uhr ein internationaler sein.

Die hiesige Szene zeigt sich stark wie nie zuvor. Dennoch mangelt es an Wertschätzung und adäquater Förderung durch die öffentliche Hand. Vor der Nationalratswahl 2002 schlossen sich daher die wesentlichen Architekturorganisationen, Standesvertretungen und Architekturhochschulen zur „Plattform für Architektur und Baukultur“ zusammen, um den Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern zu beleben. Auch Letztere hätten zu den Architekturtagen Gelegenheit, sich unters baukulturell bewegte Volk zu mischen und bei einem der Feste locker darüber zu sinnieren, ob sich die Forderung der Plattform nach einem Staatssekretariat für Baukultur nicht ins kommende Wahlprogramm übernehmen ließe.

Die Architekturtage finden am 9. und 10. Juni statt. Nähere Informationen unter www.architekturtage.at

13. Mai 2006 Spectrum

Warten, worauf?

Wie plant man eine alte Stadt neu? Man nehme: drei Stararchitekten, Ideen, eine Studie, einen Plan. Was jetzt noch fehlt, ist der Mut zur Entscheidung. Über den Versuch, die Eisenstadt Steyr zu beleben.

Groß war die Euphorie der Stadtväter, als in der Eisenstadt Steyr im Juli 2003 die Ergebnisse einer städtebaulichen Studie der besonderen Art präsentiert wurden. Mit Günther Domenig, Zaha Hadid und Luigi Snozzi waren drei Baukünstler von Rang geladen gewesen, um Gestaltungsvorschläge für das Areal um den Brückenkopf am Schiffmeisterplatz zu erarbeiten. Auslöser war das Umbaubegehren eines Sportartikelhändlers, der sein Stammhaus erweitern wollte. Der Gestaltungsbeirat pochte auf eine der Qualität des Stadtzentrums adäquate Lösung und nahm das Projekt zum Anlass, das städtebaulich problematische Umfeld an einer Schlüsselstelle der Stadt von Grund auf zu behandeln. „Weltklassearchitekten“ wollte man bemühen, und die drei angesprochenen Stars ließen sich nicht lange bitten. Sieger ging aus dem Verfahren keiner hervor. Der Gestaltungsbeirat empfahl der Stadt vielmehr, von jedem das Beste zu nehmen. Snozzi solle mit der Bearbeitung der Uferterrassen und einer Aufstiegshilfe zur Ennsleite beauftragt werden, Hadid eine Machbarkeitsstudie für ein als notwendig erachtetes Hotel erstellen, und Domenig wurde den Sporthausbetreibern als Architekt nahe gelegt.

Drei Jahre später ist von all dem nichts passiert. Das Zentrum und sein als Ensemble einzigartiger Stadtplatz leiden nach wie vor unter Verkehrsüberlastung, und immer häufiger stehen Ladenlokale leer. Sowohl zu Fuß als auch motorisiert ist die Anbindung des Altstadtkerns an die umliegenden Stadtteile, topografisch bedingt, nicht ganz einfach zu bewerkstelligen.

Dennoch ist seit dem Auftritt der drei Architekturkoryphäen etwas geschehen. In einem Bürgerbeteiligungs-Verfahren wurden Stärken und Schwächen des Stadtplatzes analysiert. Zur Erstellung eines städtebaulichen Leitbildes holte man sich Architekt Ernst Beneder. Dieser ist als ehemaliges Mitglied des Steyrer Gestaltungsbeirats mit der Stadt vertraut und seit seinem Stadtprojekt für Waidhofen an der Ybbs (1992 bis 2001) im Umgang mit historischen Stadtkernen und dabei auftretenden Interessenkonflikten geübt.

Beneder behandelte nicht nur den Platz an sich, sondern prüfte auch die übergeordneten stadträumlichen Bezüge. Sein „SteyrPlan“ geht vom Widerspruch zwischen der Einmaligkeit des Ortes und der unbewältigten Verkehrsproblematik, die diesen Lebensraum für viele Bewohner so schwer erfahrbar macht, aus. Steyr beeindrucke über die szenische Bildhaftigkeit der historischen Substanz hinaus als glaubwürdiger Lebensraum, ist Beneder überzeugt. Die Durchdringung von Stadt- und Naturraum, Arbeitswelt und Freizeit habe sensationelle, selten anzutreffende Qualitäten. Trotz einer Entfernung von nur 500 Meter Luftlinie sind aber für außerhalb der Altstadt lebende Bewohner die Einkaufszentren an der Peripherie leichter erreichbar als die Innenstadt.

Beneder zog also in seinen planerischen Überlegungen einen Kreis von 500 Metern Radius um das Zentrum und veranschaulicht damit, innerhalb welch kurzer Distanzen wesentliche Elemente der Stadt situiert sind. Um den Weg zur Altstadt nicht als unattraktiven Zwischenraum und verlorene Zeit zu erleben, schlägt er vor, die Verbindungswege als „Qualitätskorridore“ auszubilden. Unwegsamkeiten sollen entschärft werden, zum Beispiel mittels Aufstiegshilfen. Zudem könnte die überfällige Neuplanung des zentrumsnahen Bahnhofsareals Hand in Hand mit der Schaffung von neuen Wohnungen gehen, was Beneder generell als wichtigen Frequenzbringer zur Belebung der Innenstadt sieht. Im Klartext: Der motorisierte Individualverkehr sinkt, und die Belebung steigt, je mehr Menschen fußläufig bequem die Altstadt erreichen können.

Fokus des Plans ist der Stadtplatz. Seine Enden sind Nadelöhre und nicht für exzessiven Verkehr ausgelegt. Beneders Konzept zielt darauf ab, den Charakter eines freien Platzes wiederherzustellen. Außerhalb gelegene Parkplätze sollen fußgängerfreundlich angeschlossen, Parkmöglichkeiten auf dem Platz auf ein Minimum reduziert, und der öffentliche Verkehr soll mit einem kleinen Shuttlebus anstatt des behäbigen Linienbusses optimiert werden. Infrastruktureinbauten für den Markt und eine mobile Bühnentechnik vor dem Rathaus rüsten den Platz für Veranstaltungen. Die Aufstellung der Marktstände soll, an den beiden Engstellen beginnend, ins Platzzentrum leiten. Kurzum, der Platz soll als Aktivitätsfeld wiedergewonnen werden. Klar, dass damit weniger Platz für die Autos ist.

Dass etwas geschehen muss, scheint allen bewusst zu sein. Bürgermeister David Forstenlechner hebt zwar den breiten politischen Konsens für den SteyrPlan hervor und betont, dass alle zukünftigen Planungen und Baumaßnahmen auf Basis dieses Leitprojekts entstehen sollen. Ernsthaft in Angriff genommen oder beschlossen wurde einstweilen noch nichts. Noch scheint der Leidensdruck zu gering zu sein. Der Stadt geht es gut, sie bietet Lebensqualität, und es scheint, als würde man auf Großinvestoren warten, um, ausgehend von einem einzelnen Projekt, das Umfeld zu verbessern. Politisch heikel sind natürlich auch jene Bürgerstimmen, die sich vehement gegen einen „autofreien Stadtplatz“ wehren, da Frequenz- verluste für die ansässigen Geschäftsleute befürchtet werden. Beneder indes bezweifelt, dass die bereits jetzt schon raren Parkplätze tatsächlich zur Belebung beitragen.

Während Beneder den öffentlichen Raum im Zusammenhang betrachtet, erarbeitet Architekt Hermann Proyer seit drei Jahren gemeinsam mit Fachleuten und der Hausbesitzerin ein von der EU-gefördertes Konzept für einen internen Markt. Das Haus Grünmarkt 17, vordem als Modehaus genutzt, verfügt über rund 600 Quadratmeter Geschäftsfläche. Hier soll, so der Wunsch der Initiatoren, ein großer Umschlagplatz für biologische Waren aller Art - bespielt von Produzenten aus der Region - entstehen und ebenfalls als Attraktor für den Stadtplatz wirken.

Domenig, Hadid und Snozzi bewiesen, dass Gegenwartsarchitektur auf hohem Niveau durchaus mit einem historischen Stadtgefüge kompatibel ist. Auch die jetzt als so harmonisch empfundene Altstadt ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen Bautätigkeit. Beneder lieferte eine brauchbare Analyse der Probleme samt Perspektiven für die Zukunft. Die Vorarbeiten für eine zeitgemäße Aufrüstung sind gemacht. Fehlt nur noch der Mut zur Entscheidung, die Stadt auf hohem Niveau weiterzubauen. Fähige Architekten und Architektinnen wären vorhanden.

25. März 2006 zuschnitt

Grau und schlau

Ein Pilotprojekt zur technischen Vergrauung von Holzoberflächen

In einer ganz normalen Großstadtgegend verbindet der Erdberger Steg den dritten mit dem zweiten Bezirk und schafft zwischen Rotunden- und Stadionbrücke für Fußgänger und Radfahrer eine Verbindung vom Grau der Stadt ins Grün des Praters. Auf der einen Seite dominiert die Nachbarschaft der architektonisch nichtssagende Komplex der Siemens Firmengebäude, am anderen Ufer erstreckt sich zwei Gründerzeitblöcke hinter der Schüttelstraße die Jesuitenwiese. Hier sind weder besonders laute Gesten nötig, noch drängen sich besondere städtebauliche Spezifika als Bezugspunkte auf.

In diesem Umfeld eine angemessene Gestaltungssprache zu finden, ist oft schwieriger, als an neuralgischen Punkten aufsehenerregende Akzente zu setzen. Als wäre er immer schon da gewesen, legt sich der Steg über den Kanal. Nur das mittlere Stützenpaar des in Brettschichtholzkonstruktion ausgeführten W-förmigen Tragwerks ragt in Fahrbahnmitte in die Höhe. Das Lärchenholztragwerk verbindet sich mit den Nebenträgern der Fahrbahnplatte, diversen Abhängungen und Verbindungen, Geländern und Masten aus Stahl sowie Fundamenten und Widerlagern aus Beton zu einer intelligenten Mischbauweise.

Um eine dem städtischen Umfeld entsprechende Wirkung zu erzielen, entschied sich Architekt Johannes Zeininger für ein Farbkonzept, das darauf abzielt, die Brücke möglichst »immateriell« und daher monochrom grau erscheinen zu lassen. Monochromie klingt einfach, erforderte aber doch Überlegungen und einigen Forschungsaufwand, um eine Holzlasur zu finden, die erstens dem Farbton der übrigen eingesetzten Materialien möglichst nahe kommt und zudem die natürliche Vergrauung des Holzes vorwegnimmt.

Günstig traf es sich, dass die Holzforschung Austria zeitgleich am Forschungsprojekt greywood arbeitete, sodass der Erdberger Steg zu einem Pilotprojekt avancierte. Die Holzwerkstoffe erhielten eine hellgraue Dünnschichtlasur, die eine »abkreidende« Eigenschaft hat, d.h. deren Beschichtungsstärke sich bei Bewitterung abbaut. Allmählich wird die Holzoberfläche freigelegt, an der sodann der bekannte Alterungsprozess mit dem Endresultat der typisch silbergrauen Lärchenholzoberfläche beginnen kann. Abgesehen von der ohnedies vorgeschriebenen vorbeugenden Ausrüstung bewitterter Flächen mit chemischem Holzschutz, hat diese mit fein abgestimmten Farbpigmenten versehene Lasur also im Wesentlichen den Sinn, die vor allem im urbanen Gebiet ungeliebte, meist etwas unregelmäßig wüst erscheinende Abwitterung optisch zu kaschieren. Heute, etwas mehr als zwei Jahre nach Fertigstellung scheint die Strategie ganz gut gelungen zu sein.

Auf »zeitgemäße, unsentimentale und professionelle Weise« kam das Holz beim Erdberger Steg zum Einsatz, würdigte die Jury des Wiener Holzbaupreises das Projekt und traf damit die Verdienste der Planer punktgenau. Das »Professionelle« bezieht sich in erster Linie auf die penible Ausführung des konstruktiven Holzschutzes, der bekannterweise das Um und Auf einer dauerhaften Holzkonstruktion ist. Statt einer Verblechung erhielten die konstruktiven Holzteile eine Abdeckung mit wasserfest verleimten, ebenfalls grau lasierten Schichtholzplatten und verblechten Fugen zur Ableitung des Wassers.

Es ist also nicht die theatralische Inszenierung, in die hier die Energie der Planer floss, sondern die sorgfältige ingenieurmäßige und werkstoffgerechte Detaillierung. Somit wurde daraus ein Beispiel dafür, dass es zwischen öder Banalität und Überinszenierung auch einen Mittelweg gibt, der hier mit Know-how, konsequenter Pragmatik und gestalterischer Sensibilität verfolgt wurde.

Publikationen

2021

Architektur in Niederösterreich 2010–2020
Band 4

Der vierte Band der erfolgreichen Reihe Architektur in Nieder­österreich dokumentiert das Baugeschehen in diesem Bundes­land zwischen 2010 und 2020. Hundert mittels Text, Bild- und Planmaterial beschriebene Projekte legen Zeugnis ab von der Vielfalt und der Qualität ausgewählter Beispiele in sieben Ka­tegorien.
Hrsg: ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich
Autor: Franziska Leeb, Eva Guttmann, Isabella Marboe, Gabriele Kaiser, Christina Nägele
Verlag: Park Books

2019

querkraft – livin‘ architecture / Architektur leben lustvoll querdenken

Menschen Raum zu geben, Bühnen für das Leben in all seinen Facetten zu schaffen, querzudenken und den Mut zu haben, von eingetretenen Pfaden abzuweichen und nicht alles bierernst zu nehmen – so könnte man die Arbeitsweise von querkraft in kürzester Form zusammenfassen. Zum 20-jährigen Bestehen des Wiener
Hrsg: Franziska Leeb, Gabriele Lenz
Verlag: Birkhäuser Verlag

2013

Walter Zschokke. Texte
Gesammelte Texte des Architekten und bedeutenden Architekturpublizisten und Kurators Walter Zschokke (1948–2009)

Der Aargauer Architekt Walter Zschokke (1948–2009) hat über drei Jahrzehnte das Architekturschaffen und baukulturelle Geschehen in seinen beiden Heimaten, Österreich und Schweiz, beobachtet, kommentiert und analysiert. Der vorliegende Band ist die erste Sammlung seiner pointierten, ungebrochen aktuellen
Hrsg: Franziska Leeb, Gabriele Lenz, Claudia Mazanek, ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich, ZV der Architekt:innen Österreichs
Verlag: Park Books

2011

ORTE. Architektur in Niederösterreich III. 2002 – 2010

Die von Walter Zschokke initiierte und von ORTE herausgegebene Publikationsreihe setzt mit Band 3 die Bestandsaufnahme qualitätsvoller Architektur in Niederösterreich fort. Das Autorinnenteam – Eva Guttmann, Gabriele Kaiser und Franziska Leeb – hat aus einer Fülle an Bauwerken eine exemplarische Auswahl
Hrsg: ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich
Autor: Franziska Leeb, Eva Guttmann, Gabriele Kaiser
Verlag: SpringerWienNewYork

2009

Wohnen pflegen leben
Neue Wiener Wohn- und Pflegehäuser

Die Publikation liefert einen umfassenden Diskussionsbeitrag darüber, was zeitgemäße Raum- und Funktionsprogramme von Pflegeeinrichtungen leisten sollen und können und stellt dar, was Geriatrieplanung heute bedeutet und wie sich eine Kommune den Herausforderungen, die eine alternde Gesellschaft mit sich
Autor: Franziska Leeb
Verlag: Verlag Holzhausen GmbH