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Ja, mach nur einen Plan!
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Planung zwischen BürgerInnenbeteiligung und Kommunalpolitik

30. September 1997 - Erich Dallhammer
Die folgende Geschichte über die Umgestaltung eines Kinderspielplatzes hat sich in einer Gemeinde in Oberösterreich zugetragen. Sie zeigt, wie ein hoher Planungs- und Arbeitsaufwand letztlich zu einem Ergebnis geführt hat, das auch wesentlich einfacher erreichbar gewesen wäre. Sie ist auch Beispiel dafür, wie stark kommunale Planungstätigkeit von der demokratie-immanenten WählerInnenstimmenmaximierung der Politikerinnen und Politiker abhängt.

Die Gemeinde

Die Gemeinde Kleindörfl1 ist ein 1000-Seelen-Ort in der Peripherie Oberösterreichs. Die nächste größere Stadt liegt mehr als eine Stunde Fahrzeit entfernt. Dorthin pendelt auch der Großteil der arbeitenden Bevölkerung (zumeist Männer; Frauen bleiben traditioneller Weise daheim und kümmern sich um Haus und Kinder und/oder die Nebenerwerbslandwirtschaft.) Land- und Forstwirtschaft prägen die Gemeinde. Arbeitsplätze im Ort selbst gibt es lediglich aufgrund eines einzigen größeren Betriebes. Seine Existenz beeinflußt auch die Siedlungsstruktur: Neben vielen freistehenden Einfamilienhäusern bestehen - eigentlich für die Region unüblich - mehr als ein halbes Dutzend Geschoßwohnbauten.

Der Kinderspielplatz

In unmittelbarer Nachbarschaft zu den Geschoßwohnbauten liegt der Kinderspielplatz des Ortes. Seine Geräte (Rutsche, Schaukel, Wippe, Klettergerüst - alle aus Metall) sind durch mehrere Kindergenerationen bereits ziemlich abgenutzt. So mußte z.B. die Schaukel aus Sicherheitsgründen entfernt werden. „Ballspielen verboten“ prangt auf einem am Maschenzaun montierten Schild. Dellen im Zaun legen den Verdacht nahe, daß gerade dieses Segment als Tor für die fußballspielenden Kids herhalten muß.

Die Politik

Die Partei des Bürgermeisters regiert mit absoluter Mehrheit. Sie hat in ihrem Wahlprogramm die Sanierung des Kindergartens versprochen. Die seit den letzten Wahlen im Gemeinderat vertretene Bürgerliste widmet der Umgestaltung des Spielplatzes einige Artikel in ihrem Informationsblatt und macht Änderungsvorschläge. Sie animiert auch ein (Landschafts-)Planungsbüro, das bereits in anderen Gemeinden Spielplätze unter Einbeziehung von Eltern und Kindern gebaut hat, mit der Gemeinde in Kontakt zu treten. Die beiden anderen Oppositionsparteien halten sich in dieser Diskussion weitgehend zurück.

Die Bauausschußsitzung

Das Thema „Spielplatzrenovierung“ kommt auf die Tagesordnung einer Sitzung des Bauausschusses2. Die Meinungen über die Vorgangsweise gehen weit auseinander: „Stellen wir einfach ein paar neue Geräte hin. Es gibt ja schöne in Katalogen zu kaufen“ - „Wir müssen die Bevölkerung miteinbinden.“ - „Bei solchen Bürgerbeteiligungen kommen immer nur Streitereien heraus“ - „Vor ein paar Jahren haben wir Kinder ihre Vorstellungen über einen Spielplatz zeichnen lassen. Da war auch nichts Brauchbares dabei.“ - „Wenn Leute am Park mitplanen und bauen, wird es billiger.“
„Außerdem können sich die Leute mit dem, was sie gemacht haben, identifizieren. Vielleicht passen sie dann besser darauf auf“ - „Auf jeden Fall sollen die Spielgeräte Handwerker aus dem Ort machen. Das belebt die Wirtschaft.“ - „Wer haftet bei Unfällen, wenn die Geräte nicht der Norm entsprechen?“ - „Wir brauchen eine fachgerechte Planung, damit auch etwas herauskommt.“ - „Fachleute kosten nur unnötig Geld. Das können wir selbst machen.“ - „Für Straßenplanungen ist immer genug Geld da. Wenn es um unsere Kinder geht, muß plötzlich gespart werden. “
Quer durch die Parteien gehen die Argumente. Schließlich einigt man sich: Innerhalb der nächsten drei Monate können am Gemeindeamt Planungsvorschläge eingebracht werden. Diese sollen zuerst im Gemeinderat und dann in einer BürgerInnenversammlung vorgestellt und diskutiert werden. Danach könne man entscheiden, welche/r PlanerIn beauftragt werde.

Die Einreichphase

Während der dreimonatigen Einreichphase werden drei Planvorschläge abgegeben:
• ein technischer Plan einer Spielgerätefirma mit Mindestabständen und Beschreibung der Geräte,
• ein Plan eines Abenteuerspielplatzes, ausgearbeitet von einem Pädagogen, und
• ein Vorschlag des von der BürgerInnenliste kontaktierten Planungsbüros mit der Beschreibung der notwendigen Mitarbeit seitens der Bevölkerung und einer genauen Kostenaufstellung.

Die Gemeinderatssitzung

In der Gemeinderatssitzung stellt der Bürgermeister alle drei eingelangten Planungen vor. Es zeigt sich, daß er sich eigentlich nur mit der von seiner Partei favorisierten Variante wirklich beschäftigt hat. Ein Vertreter der BürgerInnenliste erklärt daraufhin den Plan des von ihr kontaktierten Planungsbüros. Die übrigen Gemeinderäte hören davon offenbar das erste Mal. Eine rege Diskussion entsteht. Die endgültige Entscheidung soll aber erst in der öffentlichen BürgerInnenversammlung fallen.

Die BürgerInnenversammlung

Zur BürgerInnenversammlung geladen sind alle OrtsbewohnerInnen mittels Postwurfsendung. Circa fünfzehn bis zwanzig Leute erscheinen. VertreterInnen des Bauausschusses stellen die drei Planungen vor. Nach einer eingehenden Diskussion einigen sich die Anwesenden (u.a. Mitglieder des Gemeinderates, der Bürgermeister sowie einige betroffene Eltern), das Landschaftsplanungsbüro mit der weiteren Planung zu beauftragen. Verbunden damit ist die Auflage, den vorliegenden Plan entsprechend der in den Diskussion vorgebrachten Änderungswünschen zu adaptieren.

Die endgültige Planung
und die Bauarbeiten

Eine Vertreterin des Planungsbüros überarbeitet daraufhin den Plan. Eine von ihr gewünschte Besprechung der nun vorliegenden Planung mit den Betroffenen wird von Bürgermeister und Mehrheitsfraktion im Gemeinderat abgelehnt: Es habe ohnehin bereits eine öffentliche Veranstaltung zum Thema „Kinderspielplatz“ stattgefunden. Man vereinbart lediglich einen Termin, an dem die Bauarbeiten stattfinden sollen.
Am festgesetzten Tag treffen sich Eltern, Kinder, HandwerkerInnen und Planerin, um gemeinsam die Umgestaltung in Angriff zu nehmen. Die Landschaft am Spielplatz wird modelliert, ein Kletterhügel aufgeschüttet. Ein Kriechgang in Form eines Rohres quert den Hügel. Einige - relativ einfache - Geräte (z.B. eine Sitzarena aus Steinen) werden aufgestellt, Sträucher und Bäume gepflanzt. Am Abend dieses Arbeitstages ist das Wesentliche fertig. Ein, zwei Geräte (z.B. ein liegender Baum zum klettern) und das Anwachsen der Vegetation fehlt noch.

... drei Tage später

Ob der ungewohnten Platzgestaltung (noch keine Vegetationsdecke, plötzlich ein Hügel auf der bislang ebenen Fläche) geraten offenbar einige AnrainerInnen in Aufregung. Sie beschweren sich beim Bürgermeister: Der Hügel sei zu hoch, das Rohr zum Durchkriechen für die Kinder zu gefährlich. Kurz: Der Spielplatz sei mißlungen. Nach dieser Manifestation des BürgerInnenwiderstandes muß der Bürgermeister handeln: Er läßt einen Bagger auffahren, den Hügel um die Hälfte abgraben und das gefährliche Rohr entfernen - getreu seinem Slogan: „Ein Bürgermeister für alle Kleindörfler.“ Damit ist die Arbeit von zig freiwillig geleisteten Arbeitsstunden „korrigiert“, der Platz den Wünschen einer - bis zu diesem Zeitpunkt passiven - Bevölkerungsgruppe angepaßt.
Die Eltern und alle, die ihre Arbeit in den Spielplatz investiert hatten, resignieren offensichtlich: Man hört von ihnen keinen Protest. Die Planerin meint, der „umgebaute“ Platz habe nichts mehr mit der ursprünglichen Arbeit zu tun und sie werde tunlichst verschweigen, an diesem Spielplatz beteiligt gewesen zu sein. Der Gemeindesekretär versichert, daß das Planungshonorar trotzdem ausbezahlt werden würde. l


1 Namen und einige Ortsangaben vom Autor geändert
2 Der Bauausschuß setzt sich aus VertreterInnen der politischen Parteien – entsprechend ihrer Stärke im Gemeinderat – zusammen

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Für den Beitrag verantwortlich: zolltexte

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