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„Wenn ich habe freizeit, ich gehe spazieren. Immer.“
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Die öffentlichen Orte jugendlicher MigrantInnen

20. Dezember 1996 - Michael Emmenegger
Dieser Beitrag hat zum Ziel, mit Ausführungen über die räumliche Situation jugendlicher MigrantInnen in Basel auf die Alltagssituation der Jugendlichen einzugehen sowie auf die Funktion und Wichtigkeit von Parkanlagen als öffentliche, städtische Grün- und Freiflächen hinzuweisen und Empfehlungen für eine Raumpolitik als Integrationspolitik zu formulieren. Einer Politik, welche der Bedeutung von Grün- und Freiflächen in Städten - auch als Beitrag zur Integration ausländischer MitbewohnerInnen - gerecht werden soll.

Die sozialgeographische Studie, welche diesem Artikel zugrunde liegt, fand 1993 und ’94 in Basel, genauer in Kleinbasel, einem typischen Wohngebiet der ausländischen Bevölkerung statt (EMMENEGGER, 1995). Die Jugendlichen, mit denen ich arbeitete, immigrierten im Alter von elf bis siebzehn Jahren nach Basel. Meist sind sie zusammen mit ihrer Mutter in die Schweiz gekommen, um mit dem Vater und der ganzen Familie zusammenzuleben, hier weiter in die Schule zu gehen und vielleicht eine Ausbildung zu machen. Die meisten der neuzugewanderten Jugendlichen kommen aus der Türkei (40 %) und aus Ex-Jugoslawien (40 %). Ein Zehntel stammt aus den süd- und südwestmediterranen Ländern Europas und die restlichen 10 % aus den verschiedensten Ländern der ganzen Welt. Da diese Jugendlichen meist zu der in der Schweiz aufgewachsenen Gruppe der ausländischen Jugendlichen der zweiten Generation gezählt werden, erhält ihre besondere Situation, die sich aus der Migration im Jugendalter und ihrem speziellen Status in der Schweiz ergibt, wenig Beachtung.

Jugendliche MigrantInnen und ihre etwas spezielle Situation in der Schweiz

Die jugendlichen MigrantInnen erleben in der Schweiz nicht nur neue objektive Strukturen, sondern auch ihnen unbekannte subjektive Dispositionen. Diese unterliegen nach Pierre Bourdieu symbolischen (Macht-) Strukturen und sind von ökonomischem und im speziellen von kulturellem und sozialem Kapital und somit von statusmässigen Unterschieden abhängig.

Jugendliche MigrantInnen haben nicht nur nicht die gleichen ökonomischen Zugangschancen zu verschiedenen Funktionsbereichen wie Schulbildung, Beruf, Politik, Kultur und Sport wie Einheimische, sie haben vor allem auch nicht die gleichen Möglichkeiten, im sozialen und kulturellen Bereich anerkannte Fähigkeiten zu entwickeln. Kulturelles Kapital bezeichnet die Möglichkeit des Zugriffs auf den im Laufe der Geschichte angesammelten kulturellen Reichtum und soziales Kapital bezeichnet die Chancen, im sozialen Beziehungsgefüge andere Gruppen für die eigenen Handlungszwecke mobilisieren zu können. Die einzelnen Kapitalsorten repräsentieren unterschiedliche Quellen sozialer Macht (BOURDIEU, 1983). Die immigrierten Jugendlichen können ihre „Handlungsformen“ im Gastland deshalb nur schwer als Dispositionsmacht einsetzen, da diese weder akzeptiert noch als relevant betrachtet werden. Auch in den Möglichkeiten des Umgangs mit Raum zeigt sich deutlich, dass den jugendlichen MigrantInnen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, welche bei uns anerkannt sind.
Alle Jugendliche haben in Städten und so auch in Basel vermehrt Probleme, „ihre“ Räume zu behaupten, Freiräume und Ellbogenfreiheit zu finden. Gewachsene Lebensräume werden zerstört oder entflechtet. Für Jugendliche wird es zunehmend schwierig, den dem Alter entsprechenden, wachsenden Raumradius mit positiven und kreativen Handlungsweisen zu füllen. Raumaneignung als aktiver, dynamischer Prozess der Auseinandersetzung und Interaktion mit Raum erlaubt es den Jugendlichen jedoch oft, die den Räumen durch ihre gesellschaftliche Machtstruktur innewohnende Bedeutung kreativ umzudeuten - sofern Strukturen und Bedeutungen bekannt sind oder zumindest erahnt werden können. Und genau bei dem für die Auseinandersetzung mit Raum wichtigen Erkennen und Umsetzen der gültigen gesellschaftlichen Codes haben jugendliche MigrantInnen Nachteile zu vergegenwärtigen. Verstärkend wirkt dabei die starke Marginalisierung von AusländerInnen in unserer Gesellschaft, welche beim Eintritt in einen neuen öffentlichen Raum immer das Risiko der Diskriminierung nach sich ziehen kann. Unbekannte Orte – Orte, deren Funktion und Stimmung nicht bekannt ist – sind unsichere Orte. Besonders für jugendliche MigrantInnen wäre es aber entscheidend, dass sie Orte finden, zu denen sie nicht nur Zugang haben, sondern wo sie sich auch wohlfühlen. Orte, wo sie mitgebrachte und neuerworbene Kompetenzen einsetzen und sich langsam an die neue Kultur, nicht zuletzt auch an andersartig geprägte Geschlechterrollen herantasten können, kurz: dass Räume zur Verfügung stehen, welche soziale Interaktionsmöglichkeiten zulassen.

Migration, Ankunft und erste Eindrücke

Und wie ist das für dich? Dort hast du in einem Dorf gelebt und hier lebst du in einer Stadt? Ja, als ich herkam, nach Basel, das fand ich gut, vom Land in die Stadt zu kommen, das fand ich nicht schlecht. Hast du dabei nicht das Land vermisst, die Natur? Doch ein bisschen schon. Am Anfang, hattest du kein Heimweh, als du hierhergekommen bist? Doch ein bisschen schon, zuerst fanden wir es aber lustig, zwei, drei Monate. Aber dann wurde es immer schwieriger. Was wurde dann schwierig? Z.B. die Freunde und die Zeit. (Junge, 16, Kosovo-Albanien)
Wie hast du die erste Zeit hier in Basel erlebt? Für mich so schwer, weil ich kein Deutsch konnte und ich kenne nichts und ich musste einen Monat zuhause bleiben, weil mein Vater arbeitet. Wir weinen, wann können wir zurück. Ich sage meinem Vater, was machen wir hier, immer zuhause bleiben. In der Türkei war das nicht so. Zuerst ich denke, als ich neu in die Schweiz kam, Schweiz ist Schwein, aber jetzt ist besser. (Mädchen, 14, Türkei)

Die Migration stellt im Leben der Jugendlichen ein einschneidendes Erlebnis dar. Trotz vielfach negativer Erfahrungen in der schwierigen Ankunftssituation kann sich die Migration positiv auf die Jugendlichen auswirken, z.B. indem sie ihr festgefügtes Selbstbild aufbrechen können. In Kleinbasel treffen die Jugendlichen auf eine Welt voller neuer Eindrükke, auf neue Werte und Muster, die sie anziehen, aber auch bedrohen. Es dauert, bis die jugendlichen MigrantInnen die grundlegenden Selbstverständlichkeiten des hiesigen gesellschaftlichen Umgangs erkannt haben und diesen bewerten können. Gerade ältere Jugendliche erleben das Leben fern der Heimat jahrelang als Ausnahme- oder Übergangssituation.

Wenn du dir jetzt überlegst, du willst ja noch viele Jahre hier in Basel bleiben, da du noch studieren willst. Kannst du dir auch vorstellen, einmal eine bessere Beziehung zu Basel aufzubauen, vielleicht in einen Verein zu gehen oder in einen Sportklub? Ich glaube nicht, ich bin nur mit dem Körper hier, mit dem Kopf bin ich gar nicht hier. Und ist das nicht schwierig für dich mit dem Körper hier zu sein und mit dem Kopf zu Hause? Doch schon, aber was kann ich machen? Und zurückgehen willst du nicht? Nein, jetzt bin ich hier in der Schule, dort kann ich sowieso nicht mehr in die Schule, das will ich jetzt hier fertigmachen. (Junge, 16, Kosovo-Albanien)

Die jugendlichen MigrantInnen müssen sich in einem Alter, in dem Jugendliche normalerweise ihren Aktionsradius erweitern, bestehende Grenzen antasten und aus bekannten Mustern und Räumen - geografischen wie sozialen - erste Ausbrechversuche unternehmen, sich in einer neuen und fremden Umgebung zurechtfinden. Der Umgang mit dieser Spannung zeigt sich in starken äusserlichen Anpassungstendenzen an die materielle Attraktivität der jugendlichen Lebenswelt oder auch in Formen von Rebellion und Delinquenz. Das Konfliktpotential verstärkt sich in dieser Situation dadurch, dass den jugendlichen MigrantInnen in unserer Gesellschaft nicht zugestanden wird, dass sie ihre Fähigkeiten und ihre eigene Kultur im neuen Umfeld leben und mit diesem verbinden können. Würde sich die Erkenntnis durchsetzen, dass die Jugendlichen sehr wohl imstande sind, genau diese Kompetenzen zu entwicklen, würde auch klarer, dass Jugendliche nach der Migration nicht zwischen zwei Gesellschaften, sondern in zwei Gesellschaften leben (KALPAKA, 1991).

Für die jugendlichen MigrantInnen bekommen unter diesen Bedingungen die Lebensbereiche „Familie“ und „Schule“ eine grosse Bedeutung als „Schutzräume“. Dies insbesondere, weil zwei grundlegende Identifikationsbereiche fehlen und auch sehr vermisst werden: ‚Freundinnen und Freunde’ sowie ‚bekannte, vertraute Räume, Orte und Plätze’, wo sich die Jugendlichen treffen können.

FreundInnen und eine mögliche Funktion organisierter Freizeit

Was machst du in deiner Freizeit und wo bist du? Wenn ich habe Freizeit, ich gehe spazieren. Wo ist das? So ein Park beim Eglisee, ich weiss nicht, wie er heisst. Und vielleicht, wenn es heiss ist, ich gehe schwimmen. Und vielleicht komme ich hier an den Claraplatz oder gehe an die Schiffländi, schaue etwas, was mir gefällt. Oder vielleicht ich gehe ins Bachgraben mit meiner Schwester, oder ich gehe auch zu meinem Onkel beim Voltaplatz und dann gehe ich in den St. Johann Park mit meinem Onkel, ja und auch allein. Wenn ich will, ich sage nur meiner Mutter, dass ich gehe. Auch mein Vater sagt, bleib nicht zuhause, geh spazieren, immer. (Mädchen, 14, Kosovo-Albanien)

Die Freizeitgestaltung der neuzugewanderten Jugendlichen ist nicht sehr spektakulär. Obwohl sie sich sehr gerne und oft draussen aufhalten, verbringen sie einen grossen Teil der Freizeit zuhause. Mädchen helfen stark im Haushalt mit und sehen, wie die Knaben, täglich mehr als zwei Stunden fern. Die jugendlichen MigrantInnen vermissen ihre FreundInnen aus der Heimat sehr. Freundschaftliche Kontakte ausserhalb der Familie finden bei den Mädchen oft nur während der Schulzeit und auf dem Schulweg und bei den Knaben nur unter Bekannten der gleichen Nationalität statt. Der Verlust der Freundinnen und Freunde und der vertrauten Orte wirkt sich auch auf die Art der bevorzugten Freizeitaktivitäten der neuzugewanderten Jugendlichen aus. In Basel fallen Aktivitäten, die nicht zwingend mit FreundInnen gemacht werden müssen, bedeutend stärker ins Gewicht, als in der Heimat.

Formen organisierter Freizeit (Jugendvereine, Sport- oder Freizeitklubs oder musische Kursangebote), aber auch der Besuch von Jugendtreffpunkten spielen bei den im Jugendalter immigrierten Jungen kaum eine und bei den Mädchen überhaupt keine Rolle. Einstiegshilfen von Klubs oder Vereinen sind selten. Es braucht für jugendliche MigrantInnen eine grosse Motivation, sich den Anfangsschwierigkeiten, die sich z.B. bei einem Vereinsbesuch ergeben, zu stellen. Sportklubs und Vereine könnten - speziell den Mädchen - die Möglichkeit bieten, Zugang zu Orten zu finden, die sie nicht selber „erobern“ und „verteidigen“ müssen, sondern deren Anspruch in einer Mitgliedschaft mitgeliefert wird.

Wird in den Schulen mit Konzepten zur interkulturellen Pädagogik an der schulischen Integration bereits mit Erfolg gearbeitet, so gibt es für den ausserschulischen Bereich noch kaum Konzepte, wie die jugendlichen MigrantInnen in ihrer Orientierung in (organisierter) Freizeit und auch im Berufsleben zu unterstützen wären. In der Erarbeitung von Zugangsmöglichkeiten im soziokulturellen Bereich liegen grosse Potentiale, der jungen ausländischen Wohnbevölkerung den Zugang zur Mehrheit der Einheimischen zu vereinfachen.

Die Parkanlagen und Strassen und ihre Bedeutung für die jugendlichen MigrantInnen

Alle Parkanlagen und Grünflächen in Kleinbasel sind äusserst beliebte Aufenthaltsorte der jugendlichen MigrantInnen. Sie sind die in der Freizeit mit Abstand am häufigsten aufgesuchten Orte, da sie die einzigen frei zugänglichen Grünflächen mit Spielmöglichkeit im Quartier sind, in denen ohne Sprach- und Verständigungsprobleme ein Aufenthalt möglich ist. Fallen Parkanlagen als öffentliche Räume weg, wird es für die Jugendlichen schwierig, sich im öffentlichen Raum ohne Legitimation aufzuhalten; ausser sie gehen spazieren. Dabei bleiben sie jedoch meist in Bewegung und beanspruchen keinen festen Ort. Der Strassenraum in Kleinbasel wird von Mädchen und Jungen als Passier- und Aufenthaltsort jeden Tag benutzt. Die Bewegung im Strassenraum, zusammen mit den Erlebnissen, die sich dabei ergeben, formen das Bild, das die Jugendlichen vom Quartier und der Stadt bekommen. Gerade neuzugewanderte Jugendliche haben gegenüber diesem Strassenraum keine a priori negative Einstellung und erleben Basel weitgehend über das Spazieren durch diese Strassen. „Spazieren“ bezeichnet zusätzlich aber oft auch alle Tätigkeiten der Jugendlichen in der Freizeit. Nicht nur das Umherstreifen im Quartier oder in der Stadt ist damit gemeint, sondern auch Fahrrad fahren, in den Park gehen oder mit FreundInnen rumstehen und reden.

Was den Jugendlichen fehlt, sind feste Orte, wo sie sich mit FreundInnen treffen können. Die jugendlichen MigrantInnen finden den festen Platz, den sie in ihrer Heimat hatten, hier nicht. Es gibt ihn in Kleinbasel auch nicht, weder räumlich noch kulturell noch ideell. Sie finden kurzfristig nutzbare Ersatzräume, Winkel und Zwischenbereiche, in denen sie aufgehen und sich wohlfühlen können.

Jugendliche MigrantInnen, welche noch nicht lange in der Schweiz leben, können sich nur integrieren oder zumindest versuchen sich zu integrieren, wenn die Einheimischen und die gesellschaftlichen Institutionen ihnen offen gegenübertreten. Sie brauchen ein offenes, soziales und kulturelles Klima und eine offene Haltung ihren Bedürfnissen gegenüber. Neben einem offenen Klima sind sie in einer Stadt, deren Regeln sie noch nicht kennen, fundamental auf offene Räume angewiesen - und Parkanlagen stellen - neben der Strasse - diese Räume dar. Eine Integration, welche auf positiven sozialen und räumlichen Erfahrungen aufbauen will, braucht einen offenen städtischen Raum. Diese Tatsache sollte umsomehr betont werden, als sich in Städten eine Politik und Kultur der Schliessung von städtischen Freiräumen und des Ausschliessens von unliebsamen oder störenden Bevölkerungsgruppen aus diesen Räumen immer stärker ausbreitet.

„Eine Stadt besteht aus unterschiedlichen Arten von Menschen; ähnliche Menschen bringen keine Stadt zuwege.“ Aristoteles, Politik.
Eine Stadt ist, um den Austausch dieser unterschiedlichen Arten von Menschen zu gewährleisten, auf öffentliche, frei zugängliche Räume und Orte angewiesen.

Welche und wieviel Stadt für wen?

Als traditionelle ArbeiterInnenwohnorte haben die Quartiere Kleinbasels im gesamtstädtischen Vergleich einen niederen Status. Die Bevölkerungsdichte ist knapp fünfmal höher als im städtischen Durchschnitt, der Freiflächenanteil gleichzeitig sechsmal niedriger. Die hohe Bebauungsdichte, die Verkehrsbelastung, die stetigen Immissionen durch Grossbaustellen und die mangelnde Ausstattung mit Frei- und Grünflächen spüren alle, die in Kleinbasel leben. Der Druck auf die nutzbaren Grünanlagen nimmt dabei ständig zu. Parkanlagen fallen Baustellen zum Opfer oder ihre Nutzung wird beschnitten. In den mit Grünflächen unterversorgten ArbeiterInnenquartieren, sei es nun in Kleinbasel oder in Wien, darf das „Verschwinden“ von Grünflächen nicht unterschätzt werden. Grünflächen erfüllen äusserst wichtige stadtstrukturelle Funktionen als Treffpunkte, Erholungsräume und für soziokulturelle Aktivitäten. Ebenso wichtig sind sie für die Raumerschliessung und -gliederung einer Stadt und für den Landschaftshaushalt und Naturschutz. Eine Untersuchung für das Gartenbauamt Zürich hat von neuem gezeigt, dass Grünflächen und Parkanlagen in ganz Europa immer intensiver genutzt werden und von weiten Teilen der Bevölkerung immissionsgeplagter Quartiere auch als Rückzugsorte und als Wohnergänzung gebraucht werden. Sie tragen entscheidend zur Lebensqualität einer Stadt oder eines Stadtteiles bei und werden für Städte auch als Imageträgerinnen immer wichtiger (EMMENEGGER, 1995).

Dieser Entwicklung muss mit einer weitsichtigen und grosszügigen Freiraum- und Grünflächenplanung dringend Rechnung getragen werden. Raum ist zwar eine objektive Grösse, doch wichtiger ist, dass er als subjektive Kategorie auf den Menschen wirkt und zwar dadurch, welche Bedeutungen er auslöst und was im Raum möglich ist (MASSEY, 1985). Raum beeinflusst die sozialen Interaktionsmöglichkeiten von einzelnen und Gruppen und wird durch diese natürlich auch geprägt. In der Verbesserung aktionsräumlicher Belange liegt gerade in städtischen Quartieren ein grosses politisches Potential. Feststehende Grössen wie Alter, Geschlecht, Herkunft oder Familiensituation der BewohnerInnen können nicht verändert werden, wohl aber scheinbar manifeste Raumstrukturen. Verhältnisse im unmittelbaren Wohnumfeld, im Quartier und im Verständnis von „Stadt“ können politisch beeinflusst werden.

Für die sozialräumliche Situation der jugendlichen MigrantInnen bedeutet dies, dass eine Freiraumplanung die berechtigten Bedürfnisse aller Jugendlichen erfragt und umsetzt. Dabei sollte von einem Grundkonsens über die Notwendigkeit von freien und frei verfügbaren Räumen, Orten, Nischen, Flächen (Wiesen) für alle Jugendlichen ausgegangen und die bislang unterschätzte integrative Wirkung von nutzbaren Frei- und Grünflächen für die jugendlichen MigrantInnen in Kleinbasels Quartieren erkannt werden. Dies bedarf aber auch der Bereitschaft, die „Besetzung“ dieser Orte durch die Jugendlichen zu akzeptieren und die Immigrierten darüber aufzuklären.

Ein raumpolitisches Umdenken in hochverdichteten Stadtteilen mit einem hohen Anteil ausländischer Bevölkerung gibt aber nur mit einem gleichzeitigen migrations- und sozialpolitischen Umdenken Sinn. Während der gesamten hier in Ausschnitten vorgestellten Untersuchung hat sich immer wieder gezeigt, dass jugendliche MigrantInnen in unserer Gesellschaft überhaupt nicht vorgesehen sind. Jede Bewegung der gesamten aus dem Ausland zugewanderten Bevölkerung, die zeitlich, räumlich oder ideell über die reine Lohnarbeit hinausgeht, wird von den Einheimischen als Zumutung empfunden. Diese Diskriminierung trifft die jugendlichen MigrantInnen, welche keine Lobby besitzen, doppelt. Die allerwenigsten der immigrierten Jugendlichen werden in ihr Heimatland zurückkehren. Sie brauchen keinen zur negativen Etikettierung so nützlichen Sonderstatus, nur dieselbe Aufmerksamkeit wie einheimische Jugendliche und wie wir alle - zusätzlich etwas Begleitung, die ihnen die schwierigen Schritte über die unsichtbaren Grenzen erleichtert.

Die einzige Möglichkeit mit der gegenwärtigen Situation umzugehen, ist die Akzeptanz, dass nur ein gleichberechtigtes Nebeneinander der diversen Lebensverhältnisse ein gangbarer Weg ist. Solange jugendliche MigrantInnen und AusländerInnen im allgemeinen jedoch als Zumutung empfunden werden, bleiben Frustrationen und Unmut auf Seiten der Zugewanderten und der Einheimischen bestehen. Zu fragen bleibt, ob diese Frustrationen nicht immer wieder als politisches Konzept missbraucht werden?

Literatur:
BOURDIEU, P. (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: KRECKEL, R. (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt, Sonderband 2. Göttingen. S. 183 - 220.
BOURDIEU, P. (1993): Warum die Clochards nicht zum Sozialamt gehen. Im Gespräch mit Lothar Baier. Wochenzeitung (WoZ) Nr. 17, 30.4.93.
EMMENEGGER, M.(1995): „Zuerst ich denke: ,Schweiz ist Schwein‘, aber jetzt ist besser.“ Neuzugezogene, fremdsprachige Jugendliche. Situationen - Orte - Aktionen. Eine sozialgeographische Studie in Basel-Stadt. Peter Lang Verlag (ISBN 3-906753-96-4, direkt beim Verlag zu bestellen: Tel ++/(0)31/940 21 21, Fax: ++/(0)31/940 21 31). Bern.
EMMENEGGER, B. und EMMENEGGER, M. (1995): Zürichhorn - Bedeutung und Nutzung, Abfall und Reinigung. Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung der Anlagen am rechten Zürichseeufer. Im Auftrag der Hauptabteilungen „Unterhalt“ und „Planung, Projektierung, Bau“ des Gartenbauamtes Zürich.
KALPAKA, A. (1991): Die Hälfte des (geteilten) Himmels: die Ausländerin. In: Widerspruch 21, 11. Jg. Zürich.
MASSEY, D. (1985): New Directions in Space. In: DEREK, G. and URRY, J. (Ed.): Social Relations and Spatial Structures, London. S. 9 - 19.

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