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Kein Platz für Gartenzwerge
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Zum Ideenwettbewerb „Internationale Gartenschau Steiermark 2000“

18. Januar 1998 - Anna Detzlhofer
Da werden Sichtachsen zum Grazer Schloßpark geschlagen, die gartengeschichtlich bedeutsamen See- und Landpyramiden aus dem von Fürst Pückler-Muskau um 1845 gestalteten Branitzer Park zitiert, sowie Bambuswälder und schwimmende Floßgärten angelegt. Inseln und Berge werden als landschaftliche Topoi eingesetzt und mit gartengestalterischen Mitteln überformt und verfremdet. Schotterplateaus und Miniaturgärten konterkarieren einander und eröffnen ungewohnte Aussichten auf Landschaft und Garten. Es ist die Rede vom Ideenwettbewerb zur „Internationalen Gartenschau Steiermark 2000“, welche zur Jahrtausendwende parallel zur Landesausstellung in Graz stattfinden wird. Eingeladen waren acht renommierte Landschaftsarchitekturbüros aus Holland, Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Österreich, ihre Ideen für das Gebiet um die sogenannten Schwarzlseen bei Graz und unter dem Motto einer eine Internationalen Gartenschau - IGS 2000 zu entwickeln.

Gartenschauen, die letzte fand in Österreich in Wien unter dem Titel WIG ´74 auf dem Gelände des Laaer Berges statt, verfolgen meist zweierlei Ziel. Zum einen bieten sie Anlaß für eine Auseinandersetzung mit dem Thema Garten und Landschaft schlechthin, sie spiegeln den aktuellen Stand der Diskussion wieder und machen die Tendenzen und den Stellenwert transparent. Zum anderen dienen sie der langfristigen Aufwertung eines städtebaulich oft vernachlässigten Gebietes oder einer für sogenannte Erholungszwecke unzureichenden Landschaft. Das zur Diskussion stehende Gebiet um die Schwarzlseen liegt eingeklemmt zwischen Flughafen und Autobahn sowie begrenzt und bedrängt von aktivem Schotterabbau. Ungeachtet dieser Lage ist es ein beliebtes Wochenendausflugsziel für badefreudige und hitzekollapsverdächtige Grazer. Klassische Einrichtungen wie Campingplatz, Beach-Ball-Felder und Tennis-Halle prägen das Bild dieser peripheren Sport- und Freizeitlandschaft.

Die Anforderungen an die planenden Büros waren hoch. Es waren Konzeptionen gefordert, die eine komplexe Überführung der Gartenschau in eine sinnvolle und funktionierende Nachnutzung als Park- und Freizeitlandschaft ermöglichen und zeitgemäße Beiträge zum Verhältnis Natur und Mensch liefern. Der temporäre Anlaß soll nachhaltige Spuren hinterlassen, welche sich nicht nur in dem klassischen Phänomen- der Wegbreiten ausgerichtet auf 1 Million Besucher- erschöpfen.

Bei Gartenschauen überlagern sich jedoch nicht nur kurzfristige Ansprüche und langfristige Ziele, es verknüpft sich darin auch Ortsspezifisches mit Internationalem und verbindet sich Kommerzielles mit Ideellem. Der Gewinn einer derartigen Veranstaltung ist sicher nicht nur an der kommerziellen Ebene zu messen und in einer langfristigen Aufwertung eines Gebietes zu suchen, er liegt vielmehr im ideelen Aspekt, der zeitgemäße Aufarbeitung und programmatischen Aufbereitung der Thematik Garten versus Landschaft.
Der Ansatz die Gartenschau als landschaftsräumliches Ereignis zu betrachten und das Thema Landschaft über das Thema Garten zu stellen, wurde sowohl von dem niederländischen Büro West 8 als auch vom Atelier Agence Ter aus Paris vertreten. Ohne Zaghaftigkeit produzieren die Holländer „Landschaft“, schütten Berge und funktionieren Schuttkegel zum thematisch besetzten Schotterplateaus um. Sie beziehen sich auf die aktuelle Nutzung und leugnen den Reiz einer vom Schotterabbau geprägten Landschaft nicht. Sie arbeiteten frei nach dem Motto: Landschaft ist machbar, Herr Nachbar.

Landgewinnung und Einbindung des Gartenschaugeländes in den übergeordneten Landschaftsraum sind auch bei Agence Ter zentrale Lösungsansätze. Polder werden streifenförmig angelegt und das großflächig eingedeichte Land wird mit gartenschauspezifischen Inhalten besetzt. Mit ihren Lösungsansätzen setzen sie sich nicht nur über die räumlich vorgesehenen Grenzen hinweg, sondern auch über regionalspezifische Besonderheiten. Der Anspruch einer exterritorialen Landschaft findet seine Fortsetzung in Bambuswäldern. Es stellt sich die Frage ob der zur Modepflanze mutierte und im atlantisch geprägten Frankreich erfolgreich eingesetzte Bambus im südalpin gelegenen Grazer Raum auf Dauer nicht fehl am Platz ist. Als Zugeständnis an die österreichisch-alpine Identität ist die installierte Kletterwand zu werten.

Dem Konzept, die Gartenschau als Collage zu verstehen, folgen vor allem die Beiträge des französischen Landschaftsarchitekten Christoph Girot sowie des Team Maria Auböck & Janos Karasz und des Österreichers Benczak. Am deutlichsten tritt dies im Beitrag von Girot hervor. Er skizziert ein aktuelles Bild der unterschiedlichen Kulturen der Welt. Der Zugang zu fremden Welten ist enorm erleichtert, selbst die Pole können dank atombetriebener Brecher nahezu problemlos erreicht und gebucht werden. Die ferne Welt und die Sehnsucht nach Natur sind Aufhänger und Anlaß der produzierten Bilder. Verfremdung und Überlagerung sind die vorherrschenden Stilmittel dazu. Die Kunst der Andeutung und die Vorliebe für das Assoziative, die im romanischen Sprachraum stärker verankert ist und in der Schule von Versailles repräsentiert ist, kommt unter anderem in einer exotisch anmutenden Kaktus-Pyramide zum Ausdruck.

Assoziationen mit Renaissance-Gärten erwecken die strukturell-dominierten Beiträge von Ivancsics & Langenbach (Wien/Berlin) sowie von Stefan Tischer aus München. Beide Beiträge beziehen sich auf die Regeln der Landschaft und greifen die landwirtschaftlich geprägten Strukturen sowie ihrer Brechungen auf. Das Team Ivancsics & Langenbach entwickelt nach dem Prinzip der landschaftsräumlichen Verdichtung und der grünräumlichen Präzisierung ein authentisches Grundmuster, welches sowohl dem Ort als auch dem Anlaß gerecht wird. Als unspektakuläres aber langfristig wirksames Moment ist die architektonische Ausformulierung des Höhenunterschiedes zwischen Seeuferbereich und Ausstellungsterrain hervorzuheben. Fern eines Garten-Disney-Land Gedankens wird hier den Themen einer Gartenschau Platz eingeräumt.

Der Garten als Oase taucht ansatzweise in fast allen Projekten auf. Am konsequentesten und in seiner grundlegensten Form wird der Gedanke von dem Zürcher Landschaftsarchitekten Dieter Kienast durchgespielt. In dem zum Leitprojekt gekürten Beitrag wird der Garten als aus der Landschaft ausgegrenzter Bereich entsprechend dem „Hortus conclusus“ interpretiert. Die thematisch besetzten Gärten werden klar abgegrenzt, der Ackergarten ist von einem Chinaschilf-Gürtel umgeben, der Blumengarten von weißen Stoffbahnen gerahmt, der Berggarten von einem Rasenwall und der Pfauengarten von einem Lindenheckenmäander gesäumt. (Womit auch schon die Inhalte der Gärten aufgezählt sind.)

Der Ackergarten, als insuläre Ackerbauzone, folgt dem Muster des Mondrain-Bildes „Victory Boogie-Woogie“ und stellt unter Beweis, daß Nützlichkeit und Schönheit sich nicht ausschließen. Die Wegestruktur des Blumengarten stellt die Blütenform zweier riesig vergrösserter Narzissen dar. Farbwahl und Pflanzabfolge der Saisonblumen folgen einer strengen, zeitlich abgestimmten Dramaturgie. Acker- und Blumengarten sind den Annuellen, den Einjährigen zuzurechnen, und auf die Ausstellungsdauer von einem Jahr ausgelegt.

Zur dauerhaften Nobilierung des Ortes vorgesehen sind sowohl Berg- als auch Pfauengarten. Der Berggarten ist von einer geometrisch überformten Topografie geprägt, die daraus resultierenden schiefen Ebenen sind materiell und inhaltlich unterschiedlich besetzt. In quadratisch angeordneten, vertieften Pflanzfeldern präsentiert sich eine Zwergirissammlung. Ausgewählte Bergblumen auf Schotterfeldern stellen eine Neuinterpretation des Alpinum aus dem 19.Jhdts dar. Vom höchsten Punkt werden der See und die entfernten Berge in das Blickfeld gerückt. Vorhandene Bäume werden soweit möglich in den Pyramidenzwischenräumen integriert, der vorhandene Wald bleibt bestehen. Darin eingeschnitten ist der Waldweiher als Gegenstück zum lärmigen Badesee. An spezifischen Orten ertönt zur Zeit der IGA Musik von Mozart zu Mahler und von John cage zu minimal music.

Der Pfauengarten, eine Anspielung auf den ebenso genannten südlichen Teil des Grazer Stadtparks, ist ebenso einer strengen Geometrie unterworfen. Klar gesäumte Heckenräume münden in ein Labyrinth. Das Große Rasenstück und der Lotusteich sorgen für Atmosphäre sowie für Sinn und Sinnlichkeit. 100 weiße Pfauen bringen bewegte und bewegende Anmut in die statische Szenerie.

Der Zürcher Landschaftsarchitekt Dieter Kienast steht für schweizer Präzision mit sinnlichem Anspruch. Er versteht zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit zu vermitteln, wie der Titel „Zwischen Arkadien und Restfläche“ der ihm gewidmeten Ausstellung in der Luzerner Architekturgalerie bereits demonstrierte. Er bedient sich poetischer Bilder und Assozaitionen, schwindelfrei geht er den schmalen Pfad zwischen Poesie und Kitsch. Durch die Anregungen aus Musik, Kunst und Literatur wird das gewohnte Gartenglück in einen zeitgenössischen Zusammenhang gestellt, der alltäglich Blick darauf wird gebrochen, erfährt eine Streuung und eine daraus resultierende neue Sichtweise. Reflexion ist angesagt.

Die Internationale Gartenschau Steiermark 2000 weiß ihre Chance zu nutzen und zeigt, daß sie bei weitem mehr zu bieten hat als eine Leistungsschau der einschlägigen Fachbetriebe. Es wird über den gärtnerischen Tellerrrand hinausgeschaut ohne den Anlass zu verleugnen und aus den Augen zu verlieren. Die IGA 2000 stellt sich dem dem Thema immanenten Aspekt der Vergänglichkeit und provoziert eine poetische und irritierende Auseinandersetzung mit der Aussenwelt. Eine derartige Konfrontation leistet einen wichtigen Beitrag und stellt ein Gegengewicht zu anderweitig geplanten Mega-Magna-History-Lands dar. Man kann sich auf diesen Anlaß freuen.

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