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Nicht immer – aber immer öfter
Nicht immer – aber immer öfter, Foto: Land Niederösterreich
Nicht immer – aber immer öfter, Foto: Biotop Ges.m.b.H.
Nicht immer – aber immer öfter, Foto: Land Niederösterreich
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pflanzenkläranlagen zur klärung der abwasserfragen

20. Dezember 1996 - Manfred Fürnsinn
Viele Gebiete Österreichs, insbesondere die städtischen Ballungsräume, sind heute weitgehend an zentrale Kanalisationsnetze und große, technisch aufwendige Kläranlagen angeschlossen. Die zentrale Entsorgung, so kritisch sie auch in mancherlei Hinsicht zu beurteilen sein mag, hatte sich für dichtbesiedelte Räume als die kostengünstigste und effizienteste Abwasserentsorgungsvariante erwiesen. Für den Streusiedlungsbereich allerdings, der zentral nicht erfaßbar ist, stellen Pflanzenkläranlagen (PKA) eine sichere und preisgünstige Alternative zur zentralen Abwasserentsorgung dar.

Kanal am Land? Nachdem alle dichter besiedelten Gebiete Österrreichs bereits an ein öffentliches Kanalnetz angeschlossen sind (zur Zeit ca. 75 %), zieht es die Errichter von Kanalbauten und großtechnischen Abwasseranlagen verstärkt auf unerschlossenes Terrain. Alleine auf Grund der enormen Kosten im dünnbesiedelten Raum muß oft eine Alternative zu einem herkömmlichen Kanalprojekt ausgearbeitet werden. So verschlingt z. B. der Kanalbau (Abwassererfassung) ca. 80 % des Gesamtaufwandes – ein Kilometer Kanal kostet etwa 2 Millionen Schilling – während nur 20 % zur Behandlung der Abwässer verbleiben. Auch undichte Kanalstränge und zu guter Letzt die Klärschlammentsorgung stellen kostenintensive Probleme dar (vgl. GALLER, 1996). Bei kleineren, dezentralen Anlagen, die vorrangig häusliche Abwässer entsorgen, wird das Wasser nicht über kilometerlange Rohre aus dem Gebiet fortgeleitet, sondern bleibt vor Ort im Wasserkreislauf eingebunden. Außerdem ist der anfallende Klärschlamm in der Regel unbelastet und kann lokal in der Landwirtschaft verwendet werden.

Naturnahen Abwasserreinigungsverfahren wie Pflanzenkläranlagen wird in Zukunft ein größerer Stellenwert eingeräumt werden müssen. Dieses Klärverfahren ist auf Grund von Verfahrenssicherheit, Betriebsstabilität und Wartungsarmut dezentral einsetzbar und stellt durch den Wegfall von Kanalnetz und Transportkosten gerade im ländlichen Siedlungsbereich eine kostengünstige Alternative dar.

„Vom Wasserrecht her besteht unmittelbar keine gesetzliche Verpflichtung zum Ausbau der Kanalisation. Das Wasserrechtsgesetz schreibt lediglich vor, daß die Abwasserentsorgung dem ,Stand der Technik‘ entsprechen muß.“ (GALLER, 1996). Pflanzenkläranlagen der neuesten Generation, Vertikalfilter mit intermittierender Beschickung und sandig-kiesigem Substrat erreichen die geforderten Abbauleistungen bei weitem und werden bei Anlagengrößen bis zu zehn Einwohnergleichwerten (EGW) als Stand der Technik anerkannt. Da es für Kleinstanlagen keine eigene Emissionsverordnung gibt (eine eigene ÖNORM 2502/2 für Pflanzenkläranlagen wird zur Zeit ausgearbeitet) gelten die Grenzwerte der Ablaufkonzentrationen für Kläranlagen: < 50 EGW bzw. 50 - 500 EGW.

Vorstellung einer Pflanzenkläranlage der neuen Generation im Detail:

Vorreinigung

Die mechanische Vorreinigung dient der Entfernung von Feststoffen wie Rohfäkalien, Küchenabfällen und Toiletteartikeln aus dem Abwasser. Diese kann in Form eines Absetzbeckens (Ein- oder Mehrkammergrube) ausgeführt werden, der Inhalt sollte 0,5 bis 1,0 m³ pro EGW betragen. Der als Primärschlamm anfallende Grubeninhalt muß mindestens einmal im Jahr entsorgt werden. Im günstigsten Fall kann das auf umliegenden Feldern passieren, sollte das nicht möglich sein, muß die Entsorgung über einen Grubendienst erfolgen.

Eine andere Möglichkeit der Vorreinigung stellt die sogenannte Filtersackanlage dar. Diese besteht aus einem Schacht, in dem mehrere Filtersäcke, einfache Jutesäcke, an einem Zulaufrohrsystem aufgehängt werden. Während die Feststoffe im Filtersack zurückgehalten werden, wird das vorgereinigte Abwasser am Schachtboden gesammelt und weitergeleitet. Die vollgefüllten Säcke werden, nachdem sie vollständig abgetropft sind, einfach kompostiert. Pro EGW wird ein Sack von ca. 20 l Inhalt benötigt, der in Halbjahresabständen ausgetauscht werden muß.

Beschickung

Die optimalsten Ergebnisse bei der Abbauleistung erzielt man mittels intermittierender Beschickung. Durch den wechselnden Wasserstand im Pflanzenbeet und damit unterschiedlichen Milieubedingungen werden auch unterschiedliche Mikroorganismen tätig. Durch das zeitweise Trockenfallen des Bodenkörpers wird Luft nachgesaugt und die Versorgung mit Sauerstoff verbessert, was sich positiv auf fast alle Eliminationsmechanismen auswirkt.

Für die Intervallbeschickung ist allerdings ein Zwischenspeicher nötig, die Ausbringung des vorgereinigten Wassers sollte in regelmäßigen Abständen erfolgen. Empfohlen werden Intervalle von sechs Stunden, zweimal pro Tag ist allerdings absolutes Minimum. Am einfachsten erreicht man dies mittels einer Fäkalientauchpumpe, die über eine Zeitschaltuhr gesteuert ist.

Die wichtigste Anforderung an die Intervallbeschickung ist eine einfache Bedienung und Betriebssicherheit. Störungen durch Verstopfung, Frostprobleme, mechanische oder elektrische Gebrechen sind durch entsprechende Planung soweit wie möglich von vornherein zu verhindern. Ein weiteres Kriterium ist die Entscheidung für oder gegen elektrische Energie. Eine Alternative stellen verschiedene Bauarten von hydraulisch wirksamen Hebern dar. Ein vielfach erprobtes System stellt der mechanische Kippkübel dar.

Zulauf

Die Zulaufleitung zum Pflanzenbeet sollte zur Minimierung der Abkühlung möglichst kurz ausgeführt werden, weiters ist eine gleichmäßige Verteilung des Abwassers an der Beetoberfläche notwendig. Die Rohre sollten frostsicher verlegt sein, auf eine selbsttätige Entleerung sowie einfache Spülmöglichkeit für eine laufende Wartung ist zu achten.

Pflanzenbeet

Das eigentliche Herzstück jeder Pflanzenkläranlage, denn hier findet der eigentliche Abbau statt. Die Abwasserreinigung erfolgt im Bodenkörper, indem die Wasserinhaltsstoffe vielfältigen Wechselwirkungen mit dem Boden unterliegen, aus denen das natürliche Eliminationsverfahren resultiert. Die Vorgänge sind im wesentlichen mechanische Prozesse (z. B. Filterwirkung), biologische (z. B. Adsorption von organischen Stoffen, nachfolgender mikrobieller Abbau und Transformation) sowie physikalisch-chemische Prozesse (Adsorption, Ionenaustausch, Fällungsreaktion und Komplexierungen von Phosphor und Metallen).

Pflanzen

Für die Abwasserreinigung werden Röhrichtgewächse oder Sumpfpflanzen verwendet. Zum Einsatz kommen dabei am häufigsten Schilf, Rohrkolben, Binsen und Schwertlilien, wobei sich in der Praxis jedoch das Schilf (Phragmites australis) am besten bewährt hat.
Die Funktion der Pflanzen wurde in der Vergangenheit vermutlich in einigen Bereichen überbewertet. Der Beitrag der Pflanzen ist wie folgt zusammenzufassen:
• Bereitstellung günstiger Bedingungen für die Mikroorganismen im Boden.
• Vergleichmäßigung der Temperatur im Bodenkörper durch Beschattung der Pflanzen im Sommer und durch den Aufbau einer Streuschicht zur Wärmedämmung im Winter.
• Beitrag zur Aufrechterhaltung der Durchlässigkeit des Bodenmaterials.
• ökologische Bereicherung des Standortes, so bietet das Pflanzenbeet z. B. Brutplätze oder geschützte Rückzugsflächen, wie sie in der heutigen Kulturlandschaft oft fehlen.
• Verdunstung: An niederschlagsfreien Sommertagen können die Pflanzen große Wassermengen verdunsten. Bei Schilfbeständen wurden z. B. Verdunstungsraten von 15 - 20 mm/d gemessen, was im optimalen Fall zu Tagen ohne Abfluß führen kann.
• Sauerstoffversorgung des Bodenkörpers: Für die meisten Abbau-, Umwandlungs- und Festlegungsmechanismen im Pflanzenbeet ist eine ausreichende Sauerstoffversorgung notwendig. Vor allem der aerobe Abbau von Kohlenstoffverbindungen, die Nitrifikation und die Fixierung von Phosphor sind stark von der Versorgung mit Sauerstoff abhängig. Lediglich zur Gewährleistung einer Denitrifikation sind auch sauerstoffarme Bereiche notwendig. Der Eintrag über die Pflanze erfolgt über ihr Luftleitgewebe in den wurzelnahen Bodenbereich und deckt nur einen geringen Anteil des gesamten Sauerstoffverbrauches. Der Großteil des Sauerstoffes gelangt direkt aus der Luft über nicht wassergesättigte Bodenporen in den Bodenkörper.

Die Bepflanzung kann auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen:

• Ballenpflanzung, mit dem Vorteil einer raschen Bestandsbildung, allerdings relativ hoher Kostenaufwand
• Rhizom-, Halmpflanzung
• Setzlinge
• Einbringen von Altbeständen mit dem Vorteil sofortigen, dichten Bestandes, allerdings gleichzeitig Eintrag von bindigem Bodenmaterial

In der Anwuchsphase ist auf eine ausreichende Versorgung mit Wasser und Nährstoffen zu achten. Dafür ist die Schaffung einer Einrichtung (flexibler Schlauch oder Standrohr im Ablaufschacht) zum Einstau des Pflanzenbeetes von nöten.

Bodeneigenschaften

Bei früheren PKA wurde hauptsächlich der Typ des Horizontalfilters mit bindigem Bodenmaterial verwendet. Jetzt werden bevorzugt Anlagen mit Vertikalfilter mit sandig-kiesigem Substrat mit einer Durchlässigkeit von 10 -3 - 10 -4 m/s gebaut. Die Vorteile des bindigen Bodenmaterials, wie bessere Phosphor-Entfernung, mehr Aufwuchsfläche für Mikroorganismen sowie seine bessere Eignung als Pflanzenstandort, werden allerdings von einer Reihe von Nachteilen, die letztlich im deutlich höheren spezifischen Flächenbedarf münden, überwogen. Außerdem besteht langfristig gesehen die Gefahr eines zu geringen hydraulischen Durchflusses durch den geringen Anteil an Grobporen.

Das größere Porenvolumen im nicht bindigen Boden hingegen bewirkt eine höhere Wasser- und Luftdurchlässigkeit, was eine langfristigere Leistungsfähigkeit und dadurch bedingt, eine bessere wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit mit sich bringt.

Abdichtung

Eine sorgfältige Abdichtung des Pflanzenbeetes zur Sicherung des Grundwassers ist unbedingt notwendig. Meist verwendet man eine 2 mm starke PE-Folie , die mittels Extrusionsschweißung verarbeitet wird.

Ablauf

Das gereinigte Abwasser wird nach der Passage durch das Pflanzenbeet in Drainagerohren gesammelt und in den Ablaufschacht geleitet. Auf eine sorgfältige und vor allem dichte Foliendurchführung ist höchstes Augenmerk zu legen.
Mindestens einmal im Jahr schreibt die Wasserrechtsbehörde eine Kontrolluntersuchung vor. Dazu muß der Ablaufschacht jederzeit frei zugänglich sein.

Selbstbau

Folgende Arbeiten können unter Bauaufsicht des/r PlanerIn auch in
Eigenleistung durchgeführt
werden:
• Erstellung des Erdbauplanums, Aushubarbeiten
• Entnahme, Transport und Einbau des Bodenmaterials
• Verlegung der Rohre
• Versetzen der Schächte
• Unterstützung bei sämtlichen anderen Arbeiten
Für diese Arbeiten ist in jedem Fall Fachpersonal heranzuziehen:
• Planung und Bemessung
• Erstellung des Einreichoperates für das wasserrechtliche Verfahren
• Abdichtungen
• Erstellung der Rohrdurchführungen
• Bepflanzung
• Installation der elektrischen und maschinellen Ausrüstung

Kosten

Die Herstellungskosten hängen von verschiedensten Einflußfaktoren wie Bodenverhältnissen, Lage zu einem Vorfluter, Leitungslängen, Materialwahl und der Höhe an Eigenleistungen ab.
Die Errichtungskosten bewegen sich in einem Rahmen von öS 15.000,- bis 30.000,- pro EGW, die laufenden Kosten zwischen öS 2.000,- und 4.000,- pro Jahr.

Wartung

Pflanzenkläranlagen sind relativ wartungsarm, da die wesentlichen Anlagenteile Boden und Pflanze praktisch keiner Wartung bedürfen. Im Bereich der Intervallbeschickung aber ist regelmäßig die Funktionsfähigkeit zu prüfen. Zum Nachweis der Leistungsfähigkeit gegenüber der Wasserrechtsbehörde ist auch eine Fremdüberprüfung durchzuführen.

Zusammenfassung

Pflanzenkläranlagen mit nichtbindigem, durchlässigem Bodenmaterial weisen deutlich bessere Ablaufwerte und damit Reinigungsleistungen auf als jene mit bindigem Bodenkörper ausgestatteten Wurzelraumanlagen. Die Verringerung der Abwasserinhaltsstoffe ist in Anlagen mit sandig-kiesigen Bodenmaterialien bei intermittierendem Betrieb auf Grund der sehr vielfältigen Milieubedingungen (aerobe und anerobe Bodenzonen, Durchlässigkeit, Bodenorganismen usw.) am höchsten und zeigt für den Abbau der organischen Kohlenstoffverbindungen Wirkungsgrade von über 95 % sowie für Nährstoffe von bis zu 99 % bei bis zu zehnjährigem Anlagenbetrieb (vgl. Hagendorf, 1994). Ebenso ist die Verminderung von Keimen und Bakterien um bis zu fünf Zehnerpotenzen bemerkenswert. Bei der Beurteilung sowohl des abwasserchemischen als auch des hygienischen Leistungsprofiles brauchen naturnahe Anlagen den Vergleich mit mehrstufigen konventionellen Anlagen nicht zu scheuen. Ziel der Wasserwirtschaft ist es, die Infrastruktur der Abwässer so aufzubauen, daß die Gewässerschutzwirkung auf Dauer bestmöglich sichergestellt wird. In diesem Sinne wird die Errichtung gemeinschaftlicher (nach Möglichkeit öffentlicher) Abwasserentsorgungsanlagen für zusammenhängende Siedlungsgebiete verfolgt. Dies fordert auch die Fachabteilung IIIa der Steiermärkischen Landesregierung, die das oben angeführte Pilotprojekt betreute.

Das Problem des Dauerbetriebes läßt noch Fragen offen, dennoch muß man sich vor Augen halten, daß bei Einhaltung optimaler Planungs- und Ausführungsanforderungen sowie bei korrekter Pflege und Wartung Ablaufwerte zu erzielen sind, die deutlich unter den derzeit gültigen Grenzwerten liegen. Für die jeweilige Entscheidung, ob zentrale oder dezentrale Abwasserlösung, sollte letztendlich aber doch die Wirtschaftlichkeit entscheidend sein.

Literatur:
AMT DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG, Abteilung B/9 (Hrsg.)(1995): Abwasserreinigung im ländlichen Raum. Leitfaden für Niederösterreich.
AMT DER STEIERMÄRKISCHEN LANDESREGIERUNG, Fachabteilung IIIa, Fachabteilungsgruppe Landesbaudirektion (Hrsg.)(1995): Errichtung von Pflanzenkläranlagen im kontrollierten Selbstbau.
BAHLO, K., WACH, G. (1992): Naturnahe Abwasserreinigung, Planung und Bau von Pflanzenkläranlagen. Ökobuch Verlag, Stauffen bei Freiburg.
GALLER, J. (1996): Dezentral - eine Alternative ? In: a3 umwelt. Das österreichische Öko-Wirtschaftsmagazin. Ausgabe 3 - 4/1996. 9. Jahrgang. Gießhübl.
FLAMISCH, N. (1995): Pflanzenkläranlagen in Österreich. Grundlagen, Erfahrungen, Bemessung, Bau und Betrieb. Diplomarbeit an der Universität für Bodenkultur, Wien.
HAGENDORF, U., HAHN, J. (1994): Untersuchungen zur umwelt- und seuchenhygienischen Bewertung naturnaher Abwasserbehandlungssysteme. UBA-Texte 60/94. Berlin.


Tabelle:

Grenzwerte der Ablaufkonzentrationen für Kläranlagen
< 50 EGW bzw. 50 500 EGW:

BSB5 25 mg/l
CSB 90 mg/l
TOC 30 mg/l
NH4-N 10 mg/l

absetzbare Stoffe 0,3 ml/l

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