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ÖPUL[1] 2000 - Qualität und Effizienz umweltorientierter Flächenprämien
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1. Juli 1998 - Wolfgang Suske
Seit mehr als einem Jahrzehnt wird in Österreich für Umweltleistungen flächenbezogen öffentliches Geld ausbezahlt. Waren es im Jahr 1987 noch 0,5 Milliarden Schillinge, so sind es mittlerweile über 8 Milliarden Alpendollar, die für diesen Zweck an die Bauern gehen. Was bewirken diese Gelder wirklich und wie schaut die Zukunft dieser Gelder aus. Ein kleiner und kritischer Streifzug durch unser großes und beliebtes Umweltprogramm ...

Die Tatsache, daß es für Umweltleistungen auch Geld gibt, ist den Bauern im Jahre 1995 so richtig bekannt geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es von Bund und Ländern wohl diverse kleinere und größere Programme. Die Teilnahme an diesen Aktionen (z.B. Ökowertstreifen, Grünbrache, Pflegeausgleiche etc.) hing vor allem vom Informationstransfer und von der angebotenen Prämienhöhe ab. Der „Distelverein“ und seine erfolgreichen Aktivitäten im Weinviertel sind ein gutes Beispiel dafür.

Wenn auch österreichweit nicht allzuviele Bauern an diesen Programmen teilgenommen haben, so hat diese Zeit trotzdem ihre Wirkung nicht verfehlt: Österreichs Verwaltung war – vergleicht man die Situation mit Italien, Spanien oder Griechenland – hervorragend auf den Tag vorbereitet, an dem man in Brüssel ein Umweltprogramm abgeben mußte. Man konstruierte geschickt ein Geflecht an Maßnahmen, wie traditionelle und neue umweltschonende Wirtschaftsweisen bezahlt werden können. Das Ziel war ein Geheimnis, das jeder von Beginn an kannte: Das Programm soll so viel Geld bringen, wie die Bauern an Einkommen durch den Beitritt verlieren.

Ende 1994, als man Tag und Nacht an diesem Maßnahmengeflecht und vor allem an dessen finanzieller Gestaltung gearbeitet hatte, war die Frage der Einfachkeit und Verständlichkeit des Umweltprogrammes für seinen Anwender, den Bauern und die Bäuerin, völlig untergeordnet. Man hatte alle Hände voll zu tun, BeamtInnen und BauernvertreterInnen das Programm verständlich zu machen. So dicht war das Geflecht gestrickt. Kombinationen, Kombinationsverbote, Ausnahmen, Gebietskulissen und vieles mehr wurde bis in die späten Nächte in Bezirksbauernkammer und im Ministerium geschult. Tonnen Papier wurden erzeugt, in denen Tonnen Formulare erläutert wurden. Die LandwirtInnen selbst waren 1995 am Rande ihrer Verzweiflung. Der Mehrfachantrag war um einiges schlimmer wie komplizierte Steuererklärungen. Plötzlich entscheidet ein Kreuzerl am Papier über zig-tausende Schillinge des Einkommens.

Aber Österreich hat sich da durchgebissen. Ich habe zu dieser Zeit in Nieder-österreich das Netz unserer Bauernvertretung wirklich schätzen gelernt. Den Eifer der Menschen, die sich damals mit enormen persönlichem Engagement für „ihre“ Bauern eingesetzt haben, wünsche ich mir für unsere Naturschutzarbeit auch.

Österreich im EU-Vergleich

Das Ergebnis spricht für sich: Österreich lukrierte über 22 Prozent der EAGFL2-Ausgaben (Garantiefonds) für sein Umweltprogramm und liegt mit Finnland im absoluten Spitzenfeld: In Deutschland sind es 4 Prozent, in Schweden 7 Prozent und in den anderen Ländern fast überall unter 3 Prozent.
Noch deutlicher ist die Analyse der Programmakzeptanz: 1996 waren fast drei Viertel aller landwirtschaftlichen Nutzflächen in den ÖPUL-Vertrag eingebunden. Auch das ist europäische Spitzenklasse. In Deutschland waren es beispielsweise „nur“ 37 Prozent, in Frankreich und England rund 19 Prozent, in Schweden gute 45 Prozent.
Der Grund ist natürlich auch ein offenes Geheimnis: Österreich hat seine horizontalen Maßnahmen (diese sind im ganzen Mitgliedstaat anwendbar) bezüglich der Förderungsvoraussetzung genau so angesetzt, daß sie die Bauern unseres Landes annehmen können. Das ist eine Kunst. „Bingo“ fällt mir dazu ein. Viele würden sich wünschen, ihr Zielpublikum so treffsicher zu erreichen.
Die Erfolgsstory geht aber weiter, denn das Umweltprogramm enthält durchaus Markenzeichen, die sich bis nach Brüssel sehen lassen. Beispielsweise erhalten Österreichs Bauern mit dem ÖPUL seit 1995 alle Landschaftselemente (zumindest haben sie es versprochen). Auch die Zahl der Biobauern hat sich seit 1995 durch das ÖPUL auf 23.000 Betriebe vervielfacht. Und das Weinviertel trägt zumindest bis zum 1. Dezember eine sichtbare Gründecke.
Um die Programmeffizienz vor Augen zu bekommen, ist es auch sinnvoll, den Spieß einmal umzudrehen: was wäre passiert, hätten wir trotz EU-Beitritt kein ÖPUL. Vermutlich würden die extensiven Grünlandgebiete rascher als jetzt dem Wald entgegensteuern. ÖPUL kann den Wald natürlich nicht stoppen. Aber es wird ein wenig Zeit gewonnen, in der sich jene Betriebe stabilisieren, die sich in der Zukunft durch internationalen, nationalen oder regionalen Markt etablieren können.
ÖPUL legte auch erstmals einige Eckpunkte des öffentlichen Interesses klar. Die wichtigsten sind: kein Umbruch von Grünland, keine Zerstörung von Landschaftselementen, 2,0 GVE3-Obergrenze.
Und mit Sicherheit brachte das Umweltprogramm auch eine wesentlich verbesserte Identifikation und Akzeptanz für Winterbegrünung, Biobauern, integrierte Produktion und vieles mehr.

Die Schattenseiten und die Zukunft

Und dennoch: In einigen sehr wichtigen Aspekten bleibt nach diesen drei Jahren ein bitterer Beigeschmack und in der Folge ein gewisses Unbehagen, wie man mit den Schattenseiten des ÖPUL umgeht, was man aus dieser Zeit gelernt hat, wie es weitergehen wird.
Die Struktur eines so großen Umweltprogrammes müßte glasklar und für den durchschnittlichen Landwirt Österreichs leicht verständlich sein. Die Tatsache, daß in den letzten Jahren ein wesentlicher Teil der bäuerlichen Bildungsarbeit im Erklären von Formularen und Formularentechniken bestand, spricht für sich. Man möge sich – ohne deren Verdienst schmälern zu wollen – die Formular-Erläuterungen der landwirtschaftlichen Zeitungen einmal auf der Zunge zergehen lassen.
Es ist leider eine Tatsache, daß kein unwesentlicher Teil bäuerlicher Kreativität und Energie durch diese neue aufgezwungene Art des Denkens verloren geht. Der Bauer und die Bäuerin wirtschaften nach Formularen, und nicht nach dem, was regional gebraucht wird und standörtlich sinnvoll wäre. Eine klare Programmstruktur würde bedeuten, daß Bildungsarbeit wieder dort weitermachen kann, wo sie wirklich notwendig ist: Bei wichtigen Aspekten wie dem Wasser-, Natur- und Bodenschutz. Neue Bewirtschaftungstechniken, Verständnis für so manche ökologischen Zusammenhänge, grundwasserschonende Zwischenfrüchte und Gründecken – die Liste an Themen würde einen eigenen Artikel verschlingen.
Noch ein Aspekt erscheint mir in diesem Zusammenhang sehr wesentlich:
Ohne Zweifel hat der horizontale Ansatz des Umweltprogrammes die beabsichtigte Breitenwirkung erzielt. Doch es gibt Anforderungen an ein solches Fördersystem: Es soll landesweit gelten und für den Bauern unmißverständlich sein. Anbieten würden sich hier eine einfache Basisförderung (was ist für den Einstieg in das ÖPUL unverzichtbar?) kombiniert mit gesamtbetrieblichen Maßnahmen. Also grundsätzliche Entscheidungen des Betriebes (kann und will ich auf Mineraldünger im Grünland verzichten? Kann und will ich auf meinen Ackerflächen Winterbegrünung durchführen? etc.).
Der Punkt ist: steht die Landwirtschaft dazu, das komplizierte Programm zu vereinfachen? Oder ist das Abhängigkeitsverhältnis von Kammern, Landwirtschaftszeitungen, Ministerien letztlich ein bewußt eingeschlagener Weg. Ein Knack-Punkt. Im ÖPUL 2000 gibt es keine Ausrede mehr. Die Landwirtschaft wird sich outen und wir werden sehen.

Mehr regionale Flexibilität?

Ein weiterer wichtiger qualitativer Aspekt ist die regionale Anpassungsfähigkeit des Umweltprogrammes. Kann es als Umsetzungsinstrument für spezifische regionale, auf die Fläche bezogene Zielsetzungen verwendet werden? Die Frage ist für den Naturschutz genauso wichtig wie für Boden- und Wasserschutz, Raumordnung, Forstwirtschaft und viele andere Nutzungen.
Die Antwort: Eine Umsetzung regionaler Zielsetzungen ist mit dem heutigen ÖPUL nur sehr rudimentär möglich. Die Förderungsvoraussetzungen sind in einem hohen Ausmaß österreichweit gültig, d.h. regional nicht veränderbar. Die fehlende Flexibilität wurde mittlerweile von vielen Interessensgruppen stark kritisiert. Konkret wünscht man sich in einem neuen ÖPUL, daß man Düngerobergrenzen, neue Landschaftselemente, Gründecken und Umbruchtermine, Ernte- und Mähtermine, Zwischenfrüchte, gesamtbetriebliche Konzepte und vieles mehr regional angepaßt anbieten kann. Natur-, Wasser und Bodenschutz hätten damit die Möglichkeit, aktiv mit den Landwirten zusammenzuarbeiten. Plötzlich bekämen „Natura 2000“, LEADER, Interreg, ja sogar die geplante Strukturfonds-Konstruktion zahlreiche Potentiale sinnvoller Schnittstellen. Fast könnte man euphorisch werden: Österreich hätte die Möglichkeit, mit einer solchen Programmstruktur Vorreiter in Europa zu sein. Wir haben vorerst den Biolandbau salonfähig gemacht. Diese Idee wird bereits emsig von anderen Ländern abgekupfert. Im „ÖPUL 2000“ könnte Österreich beweisen, wieder einen Schritt vorn zu sein. Und ein regional angepaßtes Programm auf die Bühne heben.
Die Frage ist: steht die Landwirtschaft dazu, daß sich neue Partner für den Bauern anbieten? Will man den Brückenschlag zwischen Natur und Landwirtschaft, der in vielen Inseraten und Werbeeinschaltungen der Landwirtschaft gezeigt wird, in aller Konsequenz?
Erste Aufstände so mancher Hofräte und Funktionäre in den letzten beiden Jahren haben gezeigt, daß die Landwirtschaft in den eigenen Reihen hier eine Entscheidung treffen muß: weg vom konservativen, ängstlichen „Schachteldenken“ hin zu neuen Optionen einer zukünftigen Entwicklung der Landwirtschaft.
Ein Schritt zurück?

Inzwischen bildet sich aber mit der „regionalen Idee“ auch viel „Unkraut“ und „Mißbrauch“. Länderweise werden zu den unterschiedlichsten Themenbereichen „Regionalprojekte“ überlegt und eingereicht, die jedoch keine regionalen Ziele verfolgen, sondern Umweltziele, die ohnehin im ÖPUL verankert sind, umbenannt, anders berechnet und bundeslandweit angeboten. So soll beispielsweise in Salzburg mehr Grünland lukriert werden können, in Niederösterreich werden Ungunstlagen begünstigt, weil sie nach Öko-Punkten klassifiziert werden. In der Steiermark ist es vielleicht ein eigenes Maisprogramm. Und in drei Jahren haben wir in Österreich zwanzig Regionalprojekte, die sich inhaltlich nicht nachvollziehbar überschneiden, wodurch der Urzustand des „Förder-Wirr-Warrs“ wieder einkehrt. Nicht das „eigenbrödlerische Süppchen-Kochen“ ist also gefragt, sondern eine Regionalisierung im Fördersystem des ÖPULs, die österreichweit gilt.
Alles spricht derzeit dafür, daß die flächenbezogenen Prämien für die Umweltleistung in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen werden. Die Frage, „warum“ der Bauer diese Leistung abgegolten bekommt, kann man als (Gott sei Dank) geklärt betrachten. Die Gesellschaft will es. Die Frage „was“ und „wie“ er es abgegolten bekommt, ist spannender denn je.

[1] ÖPUL ist die Kurzbezeichnung für das österreichische Umweltprogramm.
[2] Der EAGFL (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft) fördert Maßnahmen zur Strukturverbesserung in der Landwirtschaft.
[3] GVE steht für Großvieheinheit.

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