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Ist das der Beginn einer Wende?
Oberösterreichische Nachrichten

So wie wir derzeit bauen, schaden wir uns selbst, findet Baubiologe Alfred Ruhdorfer. Er hat in Sarleinsbach ein Musterhaus errichtet, um zu zeigen, wie es anders geht.

8. August 2015 - Tobias Hagleitner
Der Haselhof liegt versteckt hinter einer Hügelkuppe südlich von Sarleinsbach. Rundherum ist viel Natur, die sich am Grundstück in ungewöhnlicher Vielfalt zeigt. Kein Wunder, sind doch vitale Wälder, Wiesen und Äcker für Alfred Ruhdorfer die Ressourcen der Zukunft. Baumaterialien aus „nachwachsenden Rohstoffen“ bieten schadstofffreie Wohnumgebung, sind komplett kreislauffähig und außerdem ohne lange Transportwege direkt vor Ort zu beschaffen. Es muss kaum erklärt werden, warum das gegenüber derzeit gängigen Baustoffen ein großer Gewinn für Mensch und Umwelt wäre.

Nur darüber zu reden, ist Ruhdorfer zu wenig. Sein Wunsch war es, zu erproben, wie alternatives Bauen wirklich umgesetzt werden kann. So ist ein regionales Netzwerk entstanden, das unter dem Namen „ecoforma“ Bauleute, Betriebe und Forschungseinrichtungen zusammenbringt. Das Vorhaben ist ambitioniert: das Mühlviertel zur Modellregion einer neuen Baukultur zu machen, die lokale Ideen, Arbeitskräfte und Rohstoffe nutzt, die umfassend gesund und ökologisch ist. Mit dem „Ecohaus“ ist ein prototypisches Gebäude entstanden, das erlebt und erforscht werden kann.

Auf den ersten Blick ist es ein gewöhnliches Holzhaus, ein Quader mit schindelgedecktem Zeltdach über einem durchlaufenden Fensterband. Die Gesamterscheinung tendiert ins Brave. Halten wir uns aber an die These, dass es in diesem Fall vor allem auf die „inneren Werte“ ankommt. Das Haus soll beweisen, dass das Bauen mit natürlichen Baustoffen aus der Region nicht nur umweltfreundlich ist, sondern auch heutigen Ansprüchen an Komfort, Technik und Kosten genügt.

Außergewöhnliche Materialien

Unter dieser Voraussetzung betrachtet, erschließen sich die Qualitäten des Projekts. Es ist ein spannender Fundus an neuartigen Aufbauten und Bauteilverbindungen. Die Materialien stehen im Vordergrund und sind in ihren unterschiedlichen Wirkungen sinnlich erfahrbar. Brandschutzmittel aus den Samen der Lupine, Hanf- statt Gummimatten oder Proteinkleber aus Topfen sind nur eine illustre Auswahl aus einer ganzen Reihe innovativer Patente, die bei dem Gebäude zum Einsatz kamen. Sie absolvieren unter technischer Überwachung einen Langzeit-Gebrauchstest – Hightech zur Erkundung, wie wenig Technik für ein wohliges Raumklima nötig ist.

Ganzheitliche Baukultur

„Ecoforma“ will wachrütteln, daran erinnern, dass wir bei der Gestaltung unseres menschlichen Habitats den Gesamtzusammenhang nicht aus den Augen verlieren. Wir brauchen gesunde Luft, reines Wasser und fruchtbare Böden – das muss bei jedem Bauwerk mitbedacht werden. Eine Bauwirtschaft, die auf Ausbeutung von menschlichen wie materiellen Ressourcen fußt, wo Wertschätzung für handwerkliches Können und dauerhafte Materialien vor lauter Kostendruck keinen Platz mehr haben, gibt Anlass zur Sorge. Der ganzheitliche Ansatz ist daher zu begrüßen.

Schade, dass die Frage der Ästhetik bisher noch zu wenig beachtet wird. Natürlich könnte behauptet werden, dass die Schönheit der Dinge aus ihren „inneren“ Qualitäten sich von selbst ergibt. Wer durch das Potpourri an Raumgestaltungen, Oberflächen und Möblierungsstilen am Haselhof wandelt, muss allerdings erkennen, dass diese These auf wackeligen Beinen steht. Es ist sinnvoll und richtig, traditionell verwendete, lokal vorhandene Materialien mit heutigen Technologien und Know-how wiederzubeleben und aufzuwerten.

Das Vorhaben einer neuen „Baukultur“ wird allerdings ohne die intensive Einbindung der gestaltenden Disziplinen dem eigenen Anspruch umfassender Werthaltigkeit nicht gerecht. Etwas mehr professionelles Design, etwas engagiertere Architektur – dann könnte das tatsächlich den Beginn einer baukulturellen Wende für die Region bedeuten.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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