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Der ökologische Landbau - eine neue Naturschutzstrategie?
zolltexte
9. Oktober 1998 - Simone König
Der Naturschutz ist in Österreich eng mit der Landwirtschaft verbunden, denn sie hat die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft hervorgebracht. Die Industrialisierung in der Landwirtschaft und die Beschränkung des Naturschutzes auf einen „Naturdenkmalschutz“ haben dazu beigetragen, NaturschützerInnen und BäuerInnen zu GegnerInnen zu machen. Der ökologische Landbau tritt nun an, diesen Gegensatz aufzuheben. In diesem Artikel wird der Frage nachgegangen, ob der ökologische Landbau einen Weg weist, die natürlichen Lebensgrundlagen für Gesellschaft und Umwelt zu erhalten, in diesem Sinne also umfassenden Naturschutz zu betreiben.

Der Naturschutz bezieht sich, zumindest was Österreich und weite Teile Europas betrifft, auf die Kulturlandschaft, die durch bäuerliche Nutzung entstanden ist. Denn mit der Seßhaftwerdung des Menschen begann eine intensivere Nutzung der natürlichen Produktivkräfte, welche im Laufe der Jahrhunderte landschaftsgestaltend wirkte. Ein Mosaik von unterschiedlichen Lebensräumen entstand allein durch die Nutzung. Diese Lebensräume ermöglichten doppelt so vielen Arten Ansiedlungsmöglichkeiten wie es die ursprüngliche Landschaft getan hätte. Die maximale Artenzahl an Pflanzen wurde um 1850 erreicht. Danach kam es durch die Auflösung des bäuerlichen Gemeinschaftseigentums, durch Flußregulierungen, verstärktem Wegebau und Intensivierungsmaßnahmen in der Landwirtschaft (Entwässerungen, verstärkte Düngung etc.) zu einem Rückgang. Dieser Rückgang ist allerdings nicht zu vergleichen mit den massiven Dezimierungen beinahe aller Arten seit der Ausbreitung der industriellen Landwirtschaft, welche in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts ihren Anfang nahm (vgl. JEDICKE, 1994: 8ff). Allein in den letzten dreißig Jahren wurde ein Artenrückgang von sechzig bis achtzig Prozent verzeichnet (vgl. HAAFKE, 1988).

Verfehlte Naturschutzstrategie

Die Gründe für diesen massiven Rückgang sind wohl in der Agrarpolitik zu suchen. Sie zwang und zwingt nach wie vor zu intensivieren, chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Dünger zu verwenden, häufiger zu mähen und somit den Pflanzenbestand der Äcker und Grünländer zu nivellieren. Dies hat dazu beigetragen, den Bauernstand in eine Gegnerschaft zum Naturschutz zu stellen, der rettend eingreifen will, dabei aber die Nutzung nicht berücksichtigt. Anstatt sich für eine verträgliche Wirtschaftsweise einzusetzen, welche die natürliche Lebensgrundlage erhält, konzentriert er sich auf Besonderheiten wie „Rote Liste“-Arten und degradiert so zu einem Naturdenkmalschutz. Die dabei angewandten Strategien scheinen mehr als zweifelhaft. Denn die Annahme von Ausgleichsflächen bei gleichzeitiger intensivierter Nutzung anderer, die Förderung von Flächenstillegungen zur Biotopvernetzung und die Partizipation an Flurbereinigungsmaßnahmen haben das Ziel, Zugriff auf Flächen zu besitzen und Macht auszuüben. Der Naturschutz will hier von den Enteignugen durch die öffentliche Hand profitieren, um sich selbst zu legitimieren und der Landschaft sein Bild aufzudrücken, ein Bild, welches nicht funktionieren kann, da die Nutzung fehlt. Daß der Naturschutz dadurch zum „Vehikel wachstumsorientierter Agrarpolitik“ wurde und wird, fällt vielen schwer einzusehen (vgl. HAAFKE, 1988: 30ff). Ich bin mir durchaus bewußt, daß es den Naturschutz als eine einheitliche Bewegung nicht gibt, ich beziehe meine Kritik jedoch trotzdem auf den gesamten Naturschutz, da der Ansatz des Schutzes in meinen Augen falsch ist. Vielmehr müßte sich der Schutz von selbst erübrigen, wenn die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlage umfassend im Vordergrund steht. Zur Ehrenrettung des Naturschutzes ist allerdings zu sagen, daß einzelne Tendenzen vorhanden sind, den Blick zu wandeln, die Konzentration auf einzelne Arten und Reservate abzulegen und flächendeckend zu wirken. Damit wird der ökologische Landbau zu einem neuen Betätigungsfeld.

Öko-Landbau

Der ökologische Landbau bedeutet im Vergleich zur industriellen Landwirtschaft auf jeden Fall eine Entspannung für die Umwelt. Da ein möglichst geschlossener Betriebskreislauf angestrebt wird, ist der Fremdstoffeintrag von außen gering. Es werden keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel verwendet, der Düngereinsatz beschränkt sich auf hofeigenen Wirtschaftsdünger, wobei der maximale Viehbestand an die Fläche gebunden ist und nur geringe Mengen an Futtermitteln und Dünger zugekauft werden dürfen, den Einsatz von Kompost und den Anbau von Leguminosen, auch die klimaschädlichen Emissionen werden durch den geringeren Verbrauch an externer und nicht erneuerbarer Energie vermindert. Im gleichen Zug werden auch die Böden weniger stark beeinträchtigt und ihr Wasserspeicherungsvermögen verbessert.

Artenvielfalt

Zusätzlich zu obigen Faktoren wirkt sich auch der Fruchtwechsel positiv auf die Artenvielfalt in Flora und Fauna aus. Untersuchungen zeigen, daß die floristischen Artenzahlen auf ökologisch bewirtschafteten Äckern um dreißig bis 350 Prozent höher liegen als auf konventionellen Flächen. Dasselbe, wenn auch in geringerem Ausmaß, kann im Grünland beobachtet werden (vgl. FRIEBEN, 1997: 78). Geht man davon aus, daß mindestens zwanzig Arten der Fauna an jede Pflanze gebunden sind, ergibt sich ein vielfacher Effekt im Bereich des Tierbesatzes. Aber nicht nur auf den bewirtschafteten Flächen selbst wird eine höhere Artenvielfalt erzielt. Auch oder gerade in den Randstrukturen entstehen wertvolle Biotope, die im Sinne eines stabilen Nützlings-Schädlings-Systems gefördert werden. So ist eine reichhaltige Gliederung der Betriebsfläche durch Hecken, Feldraine und Feuchtflächen im ökologischen Landbau ein Selbstverständliches.
Kleinteiligkeit und Vielfältigkeit

Ökologisch wirtschaftende Betriebe gehören von der Flächengröße gesehen eher der Klasse der Klein- und Mittelbetriebe an. In den letzten zwei Jahren habe ich auf drei verschiedenen ökologisch wirtschaftenden Höfen gearbeitet, zwei davon waren circa drei Hektar groß. Dies fördert natürlich die Kleinteiligkeit und Vielfältigkeit der Landschaft, die im Sinne einer Artenvielfalt angestrebt wird. Es wäre nun aber falsch diesen Verdienst allein dem ökologischen Landbau zuzuschreiben. Denn gerade die traditionellen Gemischtbetriebe weisen aufgrund extensiver Wirtschaftsweise und hoher Strukturvielfalt manchmal eine höhere Artenvielfalt als ökologisch wirtschaftende Betriebe auf. Ein anschauliches Beispiel ist hierbei der Obstbau. Streuobstwiesen weisen eine enorm hohe Artenvielfalt auf, sind aber eher in konventionellen Traditionsbetrieben als im ökologischen Landbau zu finden. Das liegt daran, daß der ökologische Landbau einem gewissen Intensivierungsdruck unterworfen ist. Denn nur jenes Obst, welches in intensiven Niederstamm- oder Spindelanlagen erzeugt wird, ist der Marktkonkurrenz mit konventionellem Obst gewachsen (vgl. RÖSLER, WEINS, 1997: 136f).

Intensivierungsdruck im Landbau

Auch in anderen Bereichen, etwa im Grünland oder bei der Bodenbearbeitung, leidet die Artenvielfalt unter produktionstechnischen Maximierungen. Die Bodenbearbeitungsmaßnahmen im ökologischen und konventionellen Landbau unterscheiden sich nur teilweise. Die Verwendung von ungeeigneten Maschinen ist dabei ein Aspekt, welcher noch zu betrachten ist. Aber auch über den richtigen Zeitpunkt der Mahd muß nachgedacht werden, damit sich bestimmte Arten halten können. Gerade bei der Bodenbearbeitung wurde schon über eine Verringerung der Eingriffe nachgedacht, und manche Betriebe praktizieren Minimalbodenbearbeitung, d.h., sie wirtschaften pfluglos und säen direkt ein (vgl. FRIEBEN, 1997: 81; RÖSLER, WEINS, 1997: 137).

Rahmenbedingungen und Blickwinkel verändern

Der ökologische Landbau kann einen Naturschutz durch Nutzung erfüllen, wenn die Rahmenbedingungen des Marktes und der Politik verändert werden. Damit muß sich auch der Blickwinkel des gesamten Naturschutzes ändern, nämlich dahingehend, daß die natürliche Lebensgrundlage und nicht Arten und Biotope erhalten werden. Die Dezimierung, vielleicht sogar das Aussterben einzelner Arten muß wohl in Kauf genommen werden, denn eine Rückkehr zu genau jenen Bewirtschaftungsmethoden von 1850 ist für die bäuerliche Bevölkerung, ja für die gesamte Gesellschaft ökonomisch nicht mehr tragbar. Außerdem, wer schreibt fest, daß dies ein Idealzustand, ein „natürlicher“ Zustand war? War und ist nicht vielmehr die Nutzung ein notwendiger?


Literatur:
FRIEBEN, B. (1997): Arten- und Biotopschutz durch Organischen Landbau. In: Naturschutz durch ökologischen Landbau. S. 73-92. Hg.: Hubert Weiger, Helga Willer. Holm.
HAAFKE, J. (1988): Möglichkeiten der Verbindung von landwirtschaftlicher Produktion und Naturschutz. In: Naturschutz durch staatliche Pflege oder bäuerliche Landwirtschaft. S. 23-61. Hg.: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Rheda-Wiedenbrück.
JEDICKE, E. (1994): Biotopverbund. Stuttgart.
RÖSLER, S., WEINS, C., (1997): Situation der Vogelwelt in der Agrarlandschaft und der Einfluß des ökologischen Landbaus auf ihre Bestände. In: Naturschutz durch ökologischen Landbau. S. 121-152. Hg.: Hubert Weiger, Helga Willer. Holm.

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