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So falsch, wie's nur irgend geht
Spectrum

Freizeitpark mit Museumskugel in Ebreichsdorf, eine Therme mit Hotel in Payerbach: ihre schiere Größe macht diese Projekte zu einer öffentlichen Angelegenheit – zumal das, was inhaltlich und architektonisch geboten werden soll, allzu dürftig ist.

13. Februar 1999 - Walter Zschokke
Goldgräberstimmung breitet sich lauffeuerartig in jeder Gemeinde aus, wenn ein Investor mit den Millionen klingelt. Arbeitsplätze, Steueraufkommen, überregionale Bekanntheit und am Horizont die Fördermittel von Land, Bund und EU lassen die(Milchmädchen-)Träume von Politikern und Einwohnern in den Himmel schießen. Ein provinzieller Muffel, wer sich hier erlaubt, Zweifel vorzubringen.

Der Fortschritt hat eben seinen Preis, hören wir noch sagen, was uns erst recht hellhörig macht. Ein wirtschaftlicher Flop einer großen Unternehmung hat wesentlich weiterreichende Erschütterungen zur Folge als der einer kleineren oder in Etappen entwickelten Initiative. Noch vor dem Problem des architektonischen Erscheinungsbildes seien deshalb Fragen nach den inhaltlichen Konzepten gestellt.

Auf nach Ebreichsdorf: Geblendet stehen die Menschen vor dem Projekt für einen Kugelbau, dessen Höhe mittlerweile auf fast die Hälfte geschrumpft ist. Die pure Größe dürfte eigentlich nicht schrecken. Kühltürme von Kernkraftwerken, wie sie in Nachbarländern herumstehen, sind höher, und die geometrisch reine Form wird von den dortigenAnwohnern nichtalsansich bedrohlich aufgefaßt. Wenn sie etwas fürchten, ist es ein Unfall mit Austritt von Radioaktivität; weshalb eine Schutzraumpflicht kaum auf Widerstand stößt.

Aber welches Programm soll in der Kugel geboten werden? Man hört von einem geplanten Menschheitsmuseum. Wer befaßt sich mit dem wissenschaftlichen und dem gestalterischen Konzept, wer stellt dazu kritische Fragen? Österreich genießt eine anspruchsvolle Kulturtradition. Womit sollen die zwischen 12.000 und 20.000 Quadratmeter Fläche bespielt werden? Etwa mit Wachsfigurenkabinetten? Für ein Unternehmen, das mitteleuropäischen Standards genügen soll, müßte ein Team von Topfachleuten bereits seit Jahren an der Arbeit sein. Hat jemand Namen gehört oder ein Vorkonzept gesehen?

Kommen wir zur Architektur. Eine Kugel zu entwerfen stellt vom Äußeren keine Ansprüche. Aber das Innere ist konkav gerundet, was die Aufgabe kompliziert, und die Frage nach der gestalterischen Lösung für eine Kugel hat schon manche Architekten ein Leben lang verfolgt; etwa ‘ Etienne-Louis Boull´ ee, dessen 200. Todestag kürzlich zu begehen war.

Was die Öffentlichkeit bisher an Schaubildern für das Großbauwerk in Ebreichsdorf gesehen hat, ist schlicht dürftig. Hat irgendwer Namen von erfahrenen oder von jungen wagemutigen Architekten gehört? Gab es ein Wettbewerbsverfahren mit einer kompetenten Jury? Nichts von allem.

Nun ist das Ding wahrlich größer als ein Einfamilienhaus, wo man schlimmstenfalls beide Augen vor der privaten Gestaltungsfreiheit zudrücken kann. Seine Größe macht es zwangsläufig zu einer öffentlichen Sache.

Damit muß das Bauwerk auch vor einer qualifizierten Öffentlichkeit bestehen. Über die Erfahrung der gestalterischen Bewältigung dieser Dimensionen verfügen nur wenige Architekten. Woher wird dann ein Bürgermeister als oberste Baubehörde seine Beurteilungskriterien beziehen? Von dem, was man als Interessierter bisher zusehenbekam,läßtsich nichtableiten,daßeinentsprechend qualifizierter Kreis von Fachleuten Inhalte und Gestaltung der Großanlage verantworten wird. Da stellt sich schon die Frage, ob das gesamte Projekt wirklich gutgenug ist, daß nicht einFlop droht.

Zweiter Fall: „Alpen“-Therme Payerbach. Das Konzept verspricht einen medizinischen Supermarkt von klassisch bis esoterisch für Leute, die mangels wirklicher Leiden zwischen den Therapien hin und her zappen möchten. Und das Pflegeteam wird man vielleicht mangels inländischen Fachpersonals aus der EU beziehen? Ein Fünfsternhotel daneben soll wahrscheinlich die morgenländischen Scheichs oder die neureichen Russen anlocken – aber stehen die nicht eher auf die wirklichen Alpen, auf Kitzbühel, St. Anton, St. Moritz? Was sollen sie in Payerbach? Sind die Überkapazitäten im Angebot der österreichischen Hotellerie noch immer zu gering?

In architektonischer Hinsicht wird ein Entwurf vorgelegt, der keinerlei siedlungs- oder städtebauliche Qualitäten aufweist. Beziehungslos sind sternförmig Baukörper aneinandergefügt, die typologisch an die überwachungsoptimierten Gefängnisbauten des 19. Jahrhunderts erinnern. Über die Tauglichkeit derartiger Strukturen zu Erholungszwecken hege ich gewisse Zweifel. Kein Wunder, daß man zur Rettung des verunglückten Gesamtkonzepts die bereits wieder abklingende Mode des Feng Shui bemühen muß.

In Wochenendkursen aufgeschnappte Faustregeln aus einem weit entfernten Kulturkreis werden flächendeckend allgemeinverbindlich umgesetzt. Als ob alle Menschen in ihrem Raum- und Materialempfinden gleich wären.

In Europa studieren die jungen Leute fünf bis acht Jahre Architektur, sammeln in gut zehn Jahren Praxis Erfahrungen baupraktischer und soziokultureller Natur, um der Komplexität der gestellten Probleme gerecht zu werden. Und dann soll man sich von ein paar simplen esoterischen Dogmen gängeln lassen?

Die peinliche populistische Anbiederung auf dem Niveau der Gehsteigblätter-Horoskope, bei der in oberflächlicher Weise fremde Kulturen geplündert werden, weist eine extrem kurze Halbwertszeit auf – für eine nachhaltige touristische Entwicklung keine gute Voraussetzung. Den Clou zum Abschluß: Damit sich das Projekt in die Landschaft füge, habe man die Anlehnung an für diese Gegend typische Bauten der Jahrhundertwende gesucht – ein Ansatz, so falsch, wie er nur sein kann. Erstens zeigt das Projekt keinerlei erkennbare Verwandtschaft mit Bauten der Jahrhundertwende, dafür mit viertklassiger Postmoderne der achtziger Jahre. Zweitens hat der Baustil nichts, aber auch gar nichts mit dem Verhältnis eines Bauwerks zur Landschaft zu tun. Dieses hängt mit der Lage, der Orientierung sowie der Beziehung des Ortes zur näheren und entfernteren Topographie und zur Aussicht zusammen. Davon ist in dem miserablen Entwurf nichts zuerkennen.

Es ist einfach würdelos, daß in Österreich, wo nicht wenige Architekturleistungen derzeit Weltgeltung erreichen, bei Investitionsvorhaben in Milliardenhöhe dermaßen unterklassig gebaut werden soll. Daß die Investoren ihre kulturelle Verantwortung offenbar nicht wahrzunehmen vermögen, stellt ihnen kein gutes Zeugnis aus, denn Delegierenkönnen ist eine wesentliche Führungseigenschaft. Aber Kulturbewußtsein muß sich halt jeder selbst erarbeiten, es ist für Geld nicht zu kaufen.

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