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Urbane Außenräume mit Magnetwirkung
Der Standard

In 20 Jahren wurden in Barcelona 100 neue Plätze errichtet

19. Februar 1999
Die Stadt Barcelona nahm die Olympischen Spiele zum Anlaß, um eine Reihe von öffentlichen Flächen neu zu überdenken. Junge Architekten und Künstler bekamen die Möglichkeit, ihre Vorstellung zum Thema Außenraum zu realisieren. Altbestand und topologische Verhältnisse wurden einbezogen und teils neu interpretiert. Ganzen Stadtvierteln und Problemzonen wurde neues Leben eingehaucht. Nachstehend einige der gelungensten Beispiele als Anregung für österreichische Stadtplaner.

Barcelonas berühmtester Architekt, Antonio Gaudí, baute um 1900 seinen eigentlich im Verbund mit einer Gartenstadt geplanten Park Güell. Schlangenförmige Sitzbänke dominieren eine große Terrasse, ihre Mosaike aus Kachelbruch und Glasstücken finden sich in ganz Barcelona wieder, und auch in der „Gaudí - Bar“ in der Wiener Opernpassage. Der skulpturale und formal vom Kräftespiel der Natur inspirierte Umgang mit Stein fasziniert damals wie heute.

Ein schönes Beispiel für die städtebauliche Kraft neuer Plätze ist die Öffnung Barcelonas zum Meer hin. Während die Stadt früher in sich gekehrt kaum Kontakt mit dem bewegten Element kannte, laden heute anstelle menschenfeindlicher Hafengebiete große Promenaden und feine Strände an die See. Das ärmliche Fischerviertel Barceloneta mauserte sich zum schmucken Wohngebiet mit erlesenen Restaurants. Am neuen Olympiahafen flaniert man zwischen Hochhäusern auf einer steinernen Erlebnislandschaft von Frank Gehry, über der sein - mittlerweile schon ein Wahrzeichen - goldener Fisch in der Sonne glänzt.

Pflastersteine in verschiedensten Verlegemustern und Straßenmöbel aus Beton zeigen die Vorliebe der Spanier für das zeitlose, „ewige“ Material. Das wellenförmige Muster der Steine auf den Ramblas, der Hauptstraße des alten Stadtkerns, wirkt verblüffend echt dreidimensional.

Die beengte Lage zwischen den Bergen und dem Meer führte während der Entwicklung der Stadt zu einer ungeheuren Baudichte. Noch heute schlagen Stadtplaner vor, brutale Schneisen und große Freiflächen durch die engen, von Verslumung bedrohten Altstadtviertel zu treiben. Der Plan des Architekten Ildefons Cerd`a schlug bereits 1859 eine zweireihige Bebauung vor, die aber nach und nach in geschlossene Blockform transformiert wurde und wieder so dicht wie der alte Stadtkern wurde. Cerd`as schräge Ecken, eigentlich in Erwartung der Abbiegeradien von damals projektierten Straßenbahnen erdacht, prägen heute noch das Stadtbild Barcelonas: jede Ecke hat so ihren Platz.

In minimalistischer Manier versuchten Pinón, Viaplana und Miralles den „Plažca dels Paisos Catalans“ zu definieren. Beinahe zur Unkenntlichkeit reduzierte Säulengänge, der steinerne „Teppich“ Sitzgelegenheiten, „eiserne Bäume“ und Baldachine lassen Raum für Interpretation und innere Ruhe mitten im Gewirr der Stadt. Der „Parc de L' Espanya Industrial“ von Ganchegui und Rius schafft mit einer wilden Mischung aus Versatzstücken und neuinterpretiertem Bestand eine vielseitige Landschaft, in der jeder seinen Winkel findet. Von der abgesenkten Ebene aus verschwindet die Stadt, ein kühlender See und weitläufige Stufenanlagen animieren vor allem im Sommer zu Happenings und Kleinkunst-Darbietungen. Trotz oder gerade wegen der scheinbaren zweifelhaften Symbolik und Funktionslosigkeit der „Einrichtungsgegenstände“, wie etwa der Stirnreihe geschrumpfter Leuchttürme, übt der Platz auf die Bevölkerung magnetische Anziehungskraft aus. Auch „Fossar de la Pedrera“ von Beth Gali lebt von vielschichtiger Symbolik, durch die inszenierte Natur und die versteckte Position entsteht eine Meditationsstätte fernab des urbanen Trubels.

Vor allem aus ökonomischen Gründen wurden in der österreichischen Wiederaufbauzeit zwei Drittel der öffentlichen Flächen unter einer fugenlosen Decke versiegelt. Nicht alleine aus ästhetischen Gründen zeichnet sich allmählich ein Umdenken in der heimischen Flächenbefestigungspolitik ab: Das Kleinklima leidet ebenso wie das Grundwasser und oft müssen die eingesetzten Baumaterialien wegen ihres hohen Ölgehalts wie Sondermüll entsorgt werden.
Intakte, wasserdurchlässig verlegte Böden hingegen können wertvolle ökologische sowie sozio-ökonomische, technisch-industrielle und kulturelle Funktionen erfüllen.


[ Diese Serie wird vom Fachverband der Stein-und keramischen Industrie gesponsert.
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