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Durch­misch­te Ge­füh­le
Der Standard

An­dre­as Rabl, FP-Bürg­er­meis­ter von Wels, und Ma­ri­na Han­ke, SP-Land­tags­ab­geord­ne­te in Wien, dis­ku­tier­ten über die rich­ti­ge Durch­mi­schung von Wohn­häus­ern, Min­dest­si­che­rung vs. Sach­leis­tun­gen – und da­rü­ber, was zu ei­ner „gu­ten In­teg­ra­ti­on“ ge­hört.

2. März 2016 - Ma­ri­na Han­ke
An­dre­as Rabl ist seit ver­gan­ge­nem Herbst FP-Bürg­er­meis­ter von Wels und war da­vor sechs Jah­re lang Stadt­rat für Bau­en und Woh­nen in der zweit­größ­ten Stadt Ober­ös­ter­reichs. Ma­ri­na Han­ke ist Vor­sit­zen­de der So­zia­lis­ti­schen Ju­gend Wiens und sitzt für die SPÖ dort auch im Land­tag. Ge­mein­sam be­strit­ten die bei­den auf dem jüngs­ten Wohn­sym­po­si­um die „po­li­ti­sche De­bat­te“, die Mo­de­ra­tor Eric Frey mit ak­tu­el­len Ge­scheh­nis­sen in Wels ein­läu­te­te: Dort wehr­te sich der ge­sam­te Ge­mein­de­rat näm­lich hef­tig ge­gen die Ein­rich­tung ei­nes Con­tai­ner­dorfs für meh­re­re hun­dert Flücht­lin­ge auf dem Ge­län­de der Hes­sen­ka­ser­ne. Wo­bei die Ver­gan­gen­heits­form nicht zu­tref­fend sei, stell­te Rabl sog­leich klar: „Ich ha­be mich nicht nur ge­gen das Con­tai­ner­dorf ge­wehrt, son­dern ich weh­re mich wei­ter­hin da­ge­gen.“ Wels ha­be schon jetzt mit 32 Pro­zent ös­ter­reich­weit ei­nen der höch­sten An­teil an Men­schen mit Mig­ra­ti­ons­hin­ter­grund.

Und da­bei ge­be es im­mer noch rund 200 Ge­mein­den in Ober­ös­ter­reich, die noch kei­ne Flücht­lin­ge auf­ge­nom­men hät­ten. Ei­ne Zahl, die je­mand im Pu­bli­kum al­ler­dings bes­ser wuss­te: „92!“, schall­te es ihm von der ober­ös­ter­rei­chi­schen Grü­nen-Ab­ge­ord­ne­ten Ul­ri­ke Bö­ker ent­ge­gen.

Dass auch die­se Zahl zu hoch ist, da­rin wa­ren Rabl und Han­ke ei­ner Mei­nung. Die SP-Ab­geord­ne­te nann­te es „Wahn­sinn“, dass es „im­mer noch so vie­le sind“, plä­dier­te in Sa­chen Ver­tei­lung der Flücht­lin­ge aber für die viel­zi­tier­te „eu­ro­päi­sche Lö­sung“.

Dass Wien auch die Min­dest­si­che­rung kür­zen könn­te, um nicht län­ger – auch in­ner­halb Ös­ter­reichs – als „Ma­gnet“ für Zu­wan­de­rer zu fun­gie­ren, ist für sie kei­ne Op­ti­on. „Das ist der fal­sche An­satz. So funk­tio­niert In­teg­ra­ti­on nicht.“ Auch ei­ne „Re­si­denz­pflicht“, um die Flücht­lin­ge an be­stimm­ten Or­ten oder in be­stimm­ten EU-Län­dern zu hal­ten, lehnt sie ab. „Die freie Wahl des Wohn­orts ge­hört zur gu­ten In­teg­ra­ti­on. Recht auf Asyl ist im­mer auch Recht auf Ver­bes­se­rung.“

Um den an­hal­tend star­ken Zu­zug nach Wien – im Vor­jahr ka­men 43.000 Men­schen in die Stadt – zu be­wäl­ti­gen, plä­dier­te sie für mehr Wohn­bau, bes­se­re Nut­zung von Leers­tän­den und ei­ne Miet­rechts­re­form. Au­ßer­dem sei­en Ar­beits­plät­ze im­mens wich­tig.

Rabl plä­dier­te in der Dis­kuss­ion um die Kür­zung der Min­dest­si­che­rung ge­ne­rell für „mehr Sach­leis­tun­gen“ und ver­wies da­rauf, in Wels auf den star­ken Zu­zug be­reits rea­giert zu ha­ben, mit ei­nem Aus­bau der Wohn­bau­leis­tung und stren­ge­ren Richt­li­ni­en bei der Ver­ga­be von So­zi­al­woh­nun­gen. Das Prin­zip „Oh­ne Deutsch kei­ne Woh­nung“ funk­tio­nie­re nun schon seit sechs Jah­ren sehr gut, so der Bürg­er­meis­ter. Die Stadt set­ze au­ßer­dem ver­mehrt auf „Bil­dung, Wert­ekur­se, Deutsch­kur­se – denn es braucht ein­fach die Ver­pflich­tung zum Deutsch­ler­nen nach ei­ner ge­wis­sen Zeit“. Und wer Deutsch spre­che, „sich in­te­grie­ren möch­te“, sei will­kom­men.

Was die Durch­mi­schung an­geht, gab sich Rabl voll auf Li­nie mit Her­bert Ludl, dem Ge­ne­ral­di­rek­tor der So­zi­al­bau. Die­ser hat­te in sei­nem Ein­gangs-Sta­te­ment beim Wohn­sym­po­si­um von sei­nen Er­fah­run­gen be­rich­tet und da­bei da­rauf hin­ge­wie­sen, dass es not­wen­dig sei, die Woh­nun­gen ei­ner Wohn­an­la­ge zu­min­dest zur Hälf­te mit Men­schen zu be­le­gen, die zur „au­toch­tho­nen“ Be­völ­ke­rung zu zäh­len sind. „Denn sonst „kippt“ ein Haus, und wenn das pas­siert, ist es sehr schwie­rig, et­was da­ge­gen zu tun“, so Rabl.

Han­ke ver­traut da­rauf, dass die Durch­mi­schung in der Bun­des­haupt­stadt, oh­ne­hin seit Jahr­zehn­ten ge­leb­te Pra­xis im Wie­ner Wohn­bau, wei­ter­hin gut funk­tio­nie­ren wer­de. Und sie wies auch da­rauf hin, dass sich Durch­mi­schung nicht bloß auf die bei­den Grup­pen „Mig­ran­ten“ und „au­toch­tho­ne Be­völ­ke­rung“ re­du­zie­re. „Durch­mi­schung heißt auch: Alt und Jung, Arm und Reich und so wei­ter.“

Zum Schluss be­ant­wort­eten die bei­den Po­li­ti­ker noch die Fra­ge des Ta­ges: Sol­len Un­ter­künf­te für Zu­wan­de­rer mög­lichst rasch oder mög­lichst nach­hal­tig ge­schaf­fen wer­den? Rabl wähl­te „rasch“, „denn wir müs­sen ein­fach schnell et­was tun“. Han­ke glaubt, dass bei­des zu­gleich mög­lich sein muss. „Ich ha­be mich ge­nau in der Mit­te po­si­tio­niert.“

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