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Eurogate soll in den Himmel wachsen
Neue Zürcher Zeitung

Die Stadt Zürich lenkt - und denkt an Stararchitektur

23. März 1999
Eurogate, die Firma, die seit zwanzig Jahren eine Geleiseüberbauung am Zürcher Hauptbahnhof realisieren will, macht immer wieder von sich reden. Nicht weil sie baut - weil sie plant. Mittlerweile hat Eurogate mit der Stadt Zürich, die sich bisher vom Vorhaben zurückhielt, einen Vertrag ausgearbeitet; mit den SBB wurden Abgaben und Betrieb geregelt. Der Stadt Zürich geht es um Architektur. Mit einem Studienauftrag an mehrere Architekten, allenfalls an einen Hochhaus-Star, will sie eine neue Planungsrunde einläuten.

Eurogate, das Bauvorhaben einer Geleiseüberbauung beim Zürcher Hauptbahnhof, von den einen als Geniestreich gepriesen, von den andern als Monster verschrieen, will und will nicht in die Realisierungsphase kommen. Die Baubewilligung wurde von der Stadt Zürich zwar am 23. Mai 1997 erteilt - aber mit derart vielen Auflagen und in der Folge Rekursen, dass an einen Baubeginn bis heute nicht zu denken war. An einer Baubewilligung ist einerseits das Architekturbüro von Ralph Baenziger interessiert, das vor zwanzig Jahren den Wettbewerb für die Geleiseüberbauung gewonnen hatte und seither daran plant, anderseits die Firma Eurogate, die hofft, mit einem bewilligten Projekt die nötige Resonanz bei Investoren zu finden. Dazu kommt, dass die vertragliche Bindung zwischen Eurogate und dem Büro Baenziger bis zur Baureife reicht. Liegt die Baubewilligung vor, sind die Investoren in der Wahl der Architekten wohl frei, die Urheberschaft der Planung liegt aber vertraglich abgesichert beim Büro Baenziger.

Zusammen mit der Stadt Zürich

Seit Zürichs Bauvorstand Elmar Ledergerber heisst, gibt es wieder eine städtische Baubehörde, mit der man über Bauen reden kann. Das hat auch die Firma Eurogate erfahren. Sie nahm mit der Stadt das Gespräch auf. Und plötzlich stellte sich die vormalige Gegnerin Stadt Zürich zwar hinter den Gedanken, am Hauptbahnhof, teilweise sogar über den Geleisen, etwas zu bauen, aber sie stellte sich nicht eigentlich hinter das Projekt Baenziger. Vieldeutig war von städtischer Seite zu hören, am Hauptbahnhof, im Herzen der Stadt, bedürfe es besonders guter Architektur. Damit konnten sich auch die SBB einverstanden erklären, mit denen Eurogate die Höhe und den Mechanismus des Baurechtszinses aushandelte, aber auch die Einschränkung, dass ab dem Jahr 2005 (Stichtag für die erste Etappe von Bahn 2000) am Bahnhof nicht mehr - wahrscheinlich vorübergehend nicht mehr - gebaut werden soll.
In einem Vertrag zwischen der Stadt und Eurogate ist festgehalten, dass vom Projekt Baenziger rund ein Fünftel realisiert werden soll, nämlich das sogenannte Dienstleistungszentrum und eineinhalb der vier Wohnhöfe. Für das übrige Planungsgebiet soll ein Studienauftrag unter mindestens drei Architekten ausgeschrieben werden. Es ist kein Geheimnis, dass anstelle von Baenzigers Rotunde, die zwischen den Geleisen und der alten Sihlpost geplant ist, manche - vor allem die Stadt - gerne ein Hochhaus sähen. Dass Baenziger die ursprünglich vom Architekten Ernst Gisel vorgeschlagene Rotunde schon vor Jahren in allen möglichen Höhen seinen Projekten beigab, ist heute vergessen. Zum planerischen Ausgleich für ein Hochhaus würde das Volumen der Geleiseüberbauung reduziert. Dass der Bau eines Wolkenkratzers eines neuen Gestaltungsplanes bedürfte und damit wohl einer Volksabstimmung, wird von den Beteiligten nicht als Hürde gesehen.
Über die dargelegte Entwicklung und die Konsequenzen, die daraus gezogen werden sollen, hätte dieser Tage eine Pressekonferenz stattfinden sollen. Sie findet, wie von Eurogate-Verwaltungsratspräsident Georg Gresser zu erfahren ist, vorläufig nicht statt. Offene Fragen zwängen den Verwaltungsrat, nochmals über die Bücher zu gehen. Über welche Bücher, mochte Präsident Gresser nicht ausführen.

Baenziger, Hotz oder gar ein Star?

Wenn man in den Eurogate-Büchern blättert, wird die Erinnerung wach, dass im August 1997 der Zürcher Architekt Theo Hotz ein eigenes Projekt als sogenannte Alternative zu Eurogate präsentierte. Es bestand im wesentlichen nicht aus einer Geleiseüberbauung, sondern aus zwei Türmen; die restlichen Elemente unterschieden sich städtebaulich nicht grundsätzlich von Baenzigers Planung. Hotz hat sein Projekt in der Zwischenzeit verfeinert und überall vorgestellt. Er behauptet, Investoren hinter sich zu haben. Als wir vergangenen Freitag Theo Hotz arglos fragten, ob er bei einem allfälligen neuen Wettbewerb für Eurogate mitwirken würde, sagte er klar niemals. Sein Projekt sei bekannt. Man könne es haben oder nicht. Dass Hotzens Vorschlag in einzelnen städtischen Büros auf Wohlwollen stiess und Unterstützung fand, war an der Pressekonferenz von 1997 nicht zu übersehen. - Ist die Meinung der Stadt schon gemacht?
Ralph Baenziger ist dem Vernehmen nach seit einiger Zeit mit dem ausgewiesenen Hochhaus-Spezialisten Henry Cobb vom weltbekannten New Yorker Büro Pei Cobb Freed & Partners in Verbindung. Cobb hatte vor Monaten an einer Hochhaus-Diskussion an der ETH teilgenommen. Das New Yorker Büro gehört zur Weltklasse der Architektur. Es würde sich kaum an einem Studienwettbewerb für ein Türmchen in Zürich beteiligen, aber vielleicht einen Turm für Zürich bauen. Das wäre dann tatsächlich ein grosser Coup. Ist es vielleicht jener Coup, von dem Elmar Ledergerber seit Wochen laut vor sich hindenkt?
Über welche Bücher die Stadt Zürich und Eurogate in nächster Zeit auch immer gehen, die Firma wird wissen, dass einer der Schweizer Stararchitekten und einer der internationalen Hochhaus-Stars nicht an ihrem Preisausschreiben teilnähmen. Aber an jungen Architekten herrscht kein Mangel, was keineswegs despektierlich gemeint ist. Die Fortsetzung der Geschichte folgt bestimmt. Wann und in welchem Medium, ist bei der Informationspraxis von Eurogate noch offen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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