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Das Konkrete in der Architektur
Neue Zürcher Zeitung

Heinz Bienefeld im Deutschen Architektur-Museum Frankfurt

Dem Werk des Kölner Architekten Heinz Bienefeld (1926-1995) widmet gegenwärtig das Deutsche Architektur-Museum (DAM) in Frankfurt eine grosse monographische Ausstellung. Die Arbeiten aus dem Nachlass, den das DAM nach dem Tod des noch immer wenig bekannten Meisters übernehmen konnte, ermöglichen einen gültigen Einblick in seine Entwurfstätigkeit.

9. April 1999 - Corinne Elsesser
Heinz Bienefeld war ein Architekt, der ganz im Stillen Grosses geschaffen hat. Sein Werk umfasst neben Kirchen und Kindergärten nur wenig mehr als 30 Wohnhäuser in Köln, Kevelaer und Brühl. Er hat einen Beitrag zur Architekturgeschichte geleistet, den man als Bemühen um das Konkrete bezeichnen kann. Erst spät, Anfang der achtziger Jahre, wurde die Fachwelt auf den 1926 in Krefeld geborenen und 1995 in Köln gestorbenen Architekten aufmerksam. Ehrungen wie der Grosse Preis des BDA 1996 und der Preis der Mies-van-der-Rohe-Stiftung in Barcelona 1997 kamen postum. Es war Wilfried Wang, der sich 1995 als Direktor des DAM um seinen Nachlass bemühte. Damit stellte er sich einer um Gottfried Böhm gegründeten Initiative zur Sicherung von Bienefelds Erbe in Köln entgegen. Denn mit Gottfried Böhm war Bienefeld zeitlebens freundschaftlich verbunden gewesen, hatte bei seinem Vater Dominikus Böhm an den Kölner Werkschulen studiert und in dessen Büro mitgearbeitet, auch als Gottfried Böhm es 1955 übernommen hatte. 1963 machte sich Bienefeld schliesslich in Köln selbständig.

Die Ausstellung versucht, Architektur über das zeichnerische Werk nahezubringen. Sie ermöglicht so einen sehr subtilen Einblick in Bienefelds Arbeitsweise. Im Erdgeschoss werden zwei Wohnhäuser aus verschiedenen Schaffensphasen einander gegenübergestellt. In den oberen Stockwerken folgt ein Rückblick auf das Gesamtwerk, das auch Möbelentwürfe und die Farbgestaltung von Innenräumen einschliesst. Für jedes einzelne Detail fertigte Bienefeld zahlreiche Skizzen. Oft kamen an die tausend für ein einziges Projekt zusammen. Dabei ging es ihm um die Suche nach der absoluten Übereinstimmung zwischen Gesamtform und Detail. Und darin erweist sich die Qualität seiner Bauten.

Das Haus Heinze-Manke, 1980-84 im Kölner Vorort Rodenkirchen erbaut, ist ein Doppelwohnhaus, das verschiedene Baukörper um einen Innenhof gruppiert. Einem römischen Haus gleich wird das Atrium zum Mittelpunkt des Wohnens - in unseren Breiten muss der Hof allerdings durch eine fein in Metall gerahmte Verglasung abgetrennt werden. Die Grosszügigkeit der Verkehrsflächen fällt gegenüber den kleineren, klar voneinander getrennten Wohnräumen ins Auge. Der in der Gestaltung der Mauer- und Bodenflächen dominierende Ziegelstein findet sein Gegengewicht in weiss verputzten Wänden eines Wohnzimmers, das zum Garten überleitet, in der umlaufenden Verglasung des Studierzimmers oder in filigranen Metallbrüstungen und Fensterrahmen. Die zweite Haushälfte besteht aus einem langgestreckten Baukörper, der keinen Zugang zum Atrium aufweist. Auffällig ist das aufgedoppelte Giebeldach - ein für Bienefeld typisches bauliches Element. - Diesem Bau gegenübergestellt ist eine der letzten Arbeiten von Bienefeld, das 1995 fertiggestellte Haus Babanek in Brühl. Ebenfalls als Hofhaus entworfen, wurde es später auf einen rechtwinkligen Grundriss reduziert. Die klare Absetzung der einzelnen Bauteile voneinander wird hier weitergeführt. Eine Ziegelwand als Rückfront wirkt mit ihren nur wenigen Fensteröffnungen zunächst massiv, fast monolithisch. Bei näherem Hinsehen erweist sie sich als eine Wandscheibe, die über schlitzartigen Kellerfenstern zu schweben scheint. Das Dach liegt nicht unmittelbar auf, wird von feinen Metallstützen in einem Abstand gehalten und führt so die tragende Funktion der Wand ad absurdum. In der verglasten Vorderfront wird die Wand schliesslich ganz aufgehoben, die Architektur auf fast nichts reduziert.

Nur bei nächtlicher Beleuchtung tritt das Innere als eine an der Idee des arabischen Stufenhauses angelehnte Konzeption zutage. Brüche und Widersprüche sind bewusst gesetzt. Bienefelds Postulat des handwerks- und materialgerechten Bauens, nach Vorbildern des antiken Rom oder Pompeji, ist mit heutigen Mitteln nicht mehr zu verwirklichen und nur über die Rezeption der Moderne und ihrer Infragestellung tradierter Architekturauffassungen noch zu denken. Was Bienefeld mit einem ihrer Pioniere, Ludwig Mies van der Rohe, verband, ist nicht nur eine ähnliche Herkunft aus der rheinischen Handwerkertradition, sondern das Bemühen um äusserste Perfektion im Detail. Heinz Bienefeld geht in seiner Auffassung der Moderne einen Schritt weiter. Er weist auf das Unvermögen hin, dass tektonisch vollkommene Fügung, dem klassischen Regelkanon entsprechend, wie ihn Alberti oder Palladio einst aufstellten, immer nur annäherungsweise und letztlich unzulänglich erreicht werden kann. Er verlegt sich auf den Hinweischarakter der einzelnen Teile eines Hauses, die ihre ursprüngliche Funktion nur mehr isoliert, als konkrete Elemente beanspruchen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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