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Dabeisein ist alles
Neue Zürcher Zeitung

Vom Radstadion zum «Olympic Spirit»

7. Mai 1999 - Oliver Herwig
Es hatte sich schon lange abgezeichnet; nun ist es offiziell: Vom vielbeschworenen olympischen Geist ist nur noch Kommerz geblieben. Und vom ehemaligen Münchner Radstadion eine mittelmässige Fun-Arena. In zweijähriger Bauzeit wurde alles Authentische gegen eine vollklimatisierte, sterile Event-Architektur eingetauscht. Rund 75 Millionen Mark - abgesichert durch eine Bürgschaft der Stadt München - flossen in den Umbau. Dafür wurde das Stadion vollständig entkernt. Auf der Grundfläche von 113×51 Metern und zwei Ebenen können nun bis zu 2600 Besucher die «olympische Welt des Sports aktiv und passiv erleben». Dabeisein ist alles. Das Internationale Olympische Komitee vergibt die Lizenz, das Konzept wurde in den USA von der International Spirit Development Corporation entwickelt. Dahinter steht Andrew Y. Grant, der in seiner über dreissigjährigen Karriere in der Freizeit-Industrie unter anderem den «Wild Animal Parc» in Kalifornien oder die Universal Studios in Hollywood leitete.

Sensationen wie diese darf man freilich nicht erwarten. Das macht bereits die Presseerklärung deutlich: «Nach dem Erwerb der Eintrittskarte gelangen die Gäste in die Begrüssungshalle. Sie ist mit diversen Info-Terminals und Anzeige-Displays ausgestattet. Rund um eine symbolisch brennende olympische Flamme erfährt der Besucher so konkret, was ihm Olympic Spirit München bietet.» Und das ist furchterregend. Entstanden ist ein potemkinsches Dorf, eine Abfolge von Arcade-Spielen und interaktiven Simulationen, die unendlich weit von dem entfernt sind, was sie eigentlich vermitteln wollen: direkte Teilnahme am Sport. Ob 180-Grad-Videopräsentation oder High-Tech-Computer, der Besucher wird Teil einer gigantischen Spielkonsole. Irgendwo hinter den 10 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche versteckt sich noch eine 500 Quadratmeter messende Sporthalle. So gross ist allerdings auch der Sports-Shop mit Originalrequisiten, der einen beim Verlassen des Ausstellungsbereichs erwartet: economic spirit in Perfektion.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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