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Der Standard

Wie Architekten die Arbeitswelt der Zukunft sehen

21. Mai 1999 - Ute Woltron
Ob Großraumbüro, Zellenbüro oder Kombibüro - schenkt man einer dreiköpfigen Architektendelegation Glauben, die vergangene Woche im Architektur Zentrum Wien über die Zukunft der Arbeitswelt referierte, dann werden alle diese Büroformen gleichzeitig und in Mischformen in Zukunft Gültigkeit haben.

Zu Gast in Wien waren der Hamburger Großarchitekt Meinhard von Gerkan, Nathalie de Vries sowie der Innsbrucker Christoph M. Achammer. Die drei erläuterten einen Abend lang ihre Ansichten und Berufserfahrungen in Sachen Büro. Gerkan, schon seit Jahrzehnten als Bürobauer tätig und von traditionalistischer Gesinnung, schwört trotz aller arbeitsphilosophischer Veränderungen auch zur Jahrtausendwende immer noch auf das Büro in Zellenform, da erwiesenermaßen 80 Prozent aller neugebauten Geschäftshäuser auf diese konventionelle Form zurückgreifen. Wenn Auftraggeber Zellen verlangten, so der Deutsche, so sollten sie halt auch Zellen bekommen.

De Vries zeigte anhand einer von MVRDV gebauten Rundfunkanstalt vor, wie im Gegensatz dazu eine Bürostruktur durch fließende Räume, Info-Zellen und Kommunikationszonen strukturiert werden kann. Mit dieser „Arbeitslandschaft“, in der jeder je nach Tätigkeit und Laune die ihm gemäße Zone aufsuchen oder wieder verlassen kann, erbrachte das junge holländische Team den Beweis, daß eine überlegte Mischung aus Großraum und Zelle die Arbeitslaune durchaus heben kann. Ganz neu ist die Idee allerdings nicht, schon Le Corbusier hat vor 35 Jahren mit der Straßburger Kongreßhalle einen kontinuierlichen Innenraum geplant, der all diesen Anforderungen entsprach.

Achammer schließlich verglich Arbeit und Arbeitsraum mit einem Theaterstück und der dazugehörigen Bühne: Bis vor kurzem habe man versucht, durch die Bühne - also das Büro - das Stück - also die Arbeit - zu verändern. Heute weiß man, daß es genau umgekehrt ist: Die Arbeitsweise formt ihre Umgebung.

Vor allem Auftraggeber neuer Bürogebäude werden umdenken und künftig die Vorgaben flexibler halten müssen, damit vernünftige Architekten nach genauer Recherche der Arbeitsabläufe die entsprechenden Formen und Strukturen werden finden können. Ein kluges Haus spart Geld - etwa durch gekürzte Verkehrswege und bessere Kommunikation -, und es hebt die Moral. Wer sich wohlfühlt, wer sich frei bewegen kann, der ist guter Laune und deshalb auch produktiver als ein in Zellen gesperrter Kümmerling.

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