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Immer mittwochs
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Die neue Diskussionsreihe des Architektur Zentrum Wien geht in die Sommerpause. Ein Abschlussbericht.

29. Juni 2000 - Joseph Schimmer
Wenn Architekten über ihre Homepages sprechen ist gleich einschlägiges Vokabular zur Hand. Das Portal (!) ist dann die Fassade, die Untermenüs sind Zimmer, die sich abschreiten lassen. Nicht von ungefähr heißt Österreichs beste Architekturdatenbank nextroom.


Entdeckerfreuden

Hanns Kastner vom Büro Schluder-Kastner gerät ins Schwärmen, wenn er von den Möglichkeiten des Netzes nicht nur für sein Büro, sondern für die Architektur insgesamt spricht. Was vorderhand nur eine mehr oder weniger vollständige Präsentation seiner Projekte ist, könnte sich in fünf bis zehn Jahren, so Kastner, zu einem vollständig neuen Kommunikationsmedium gewandelt haben, getreu dem Motto:


Von der Website zur Werkhalle

Architekt Hanns Kastner denkt dabei an eine Vereinfachung der Planung und Abwicklung von Projekten. Besonders bei größeren Bauaufgaben sei es schwierig und vor allem aufwendig, alle Beteiligten, vom Baupolier bis zum kleinen Installationsbetrieb etwa, stets am gleichen Informationsstand zu halten. Die kontinuierliche Abwicklung und Dokumentation des Baufortschritts und der noch zu unternehmenden Schritte könnte da eine enorme Erleichterung darstellen.

Aber auch in der für die Büros extrem aufwendigen Wettbewerbsphase erwartet Hanns Kastner durch das Netz bedingte Veränderungen. Warum Modelle bauen? Warum nicht einfach eine Homepage als Projektbeschreibung einreichen?


Neue Aufgaben

Erstellung, Bespielung, und vielleicht sogar Nachbetreung von projektbezogenen Websites wird laut Kastner bald zum Alltag von Architekten gehören. Bei einem Wohnbauprojekt, spekuliert er, könnten die neuen Bewohner und Bewohnerinnen die Seite schließlich übernehmen und zu ihrem hausinternen Kommunikationsmedium machen.

Für sein Büro hat sich der Gang ins Netz jedenfalls bereits ausgezahlt, ist doch aus der Zusammenarbeit mit dem Grafiker ein Projekt einer Interaktiven Medienwand für Berlin geworden.

Hanns Kastner erweist sich als Mann mit Weitblick, das zeigt schon ein kleiner Seitenblick auf den Domain-Namen seines Büros. Die URL www.architecture.at hat bei der mittwochs-Diskussion einige Begehrlichkeiten geweckt. Sollte das Büro bedauerlicherweise Pleite machen, könnte sich der hochtrabende Name ja noch als Retter in der Not herausstellen.


Die Datenbanker

Ganz andere Wege beschreiten die Betreiber des experimentellen Architekturservers xarch. Nicht Dokumentation von Architektur im Netz will xarch sein, sondern eigentliche Architektur im Netz - die Strukturierung von Information als virtuelle Bauaufgabe.

36.000 Hompages und eine Million Zugriffe im Monat lautet die beeindruckende Bilanz des Projekts, das aus studentischem Engagement entstanden ist und von den mittlerweile fertigen Architekten weiter betrieben wird, weil der Nachwuchs sich nur spärlich einstellen will. Lediglich ein Drittel der Zugriffe stammt laut Server-Statistik übrigens aus Österreich.

Das kaum mehr überblickbare Angebot hat die Betreiber rund um Wolfgang Reinisch übrigens zu einem witzigen Kunstkniff greifen lassen, dem random selector. Alle acht Sekunden wird den orientierungslosen, aber informationswilligen Usern ein neues, aktuelles Angebot aus den Tiefen der Datenbank an die Oberfläche gereicht.


Selektion und Integration

Der Altmeister der konsequenten Szenebeobachtung im Netz, Jürg Meister von nextroom, meldet freilich Bedenken an. Er habe sich schon längst von der Illusion verabschiedet, dass man per Hyperlink die ganze Welt umarmen könne.

Immerhin 1100 Gebäude, 1900 Texte und 3000 Bilder, die alle untereinander in Beziehung stehen, verwaltet Meister auf seinem Server. Interessant an dem Projekt ist vor allem, dass es nur über aktive Vernetzung mit den so genannten Sammlungsgebern, Printmedien etwa, oder dem Architekturzentrum funktioniert. Diese liefern in Eigenverantwortung Material an nextroom, um so ihre Informationen zu bündeln.

Es gibt aber auch den umgekehrten Fall. Das Architektur Zentrum Wien, das derzeit heftig an einem neuen, verbesserten Webauftritt arbeitet, wird im Zuge dieses Relaunches etwa die Informationen über die neue Handbibliothek im AZW bei nextroom ablegen.


Mehrdimensionale Räume

Ein weiterer Player im nationalen Architekturnetzwerk ist Christian Kühn von aneta. Dieser Zusammenschluss mehrerer Architekturhäuser und -stiftungen gibt einen umfassenden Überblick über das Geschehen in den Bundesländern. Bei der mittwochs-Veranstaltung hat Christian Kühn sein Augenmerk vor allem auf Präsentations- und Vermittlungsformen im Netz gelegt.

Auch wenn das Beispiel, die Hans Beneder-Schau Zugänge im MAK, bereits drei Jahre auf dem digitalen Buckel hat, und auch, wenn der Raumbegriff der VR-Installation eher konventionell ist, zeigt dieser Versuch doch sehr gut mögliche Entwicklungen der Ausstellungs- und damit auch Architekturpräsentation.


Epilog

Die mittwochs-Veranstaltung hat übrigens versucht, das übliche laue Diskussionsklima dadurch anzuheizen, dass die Diskutanten nicht am Podium, sondern im Raum verteilt gesessen sind. Bei der Präsentation der einzelnen Homepages hat sich freilich gezeigt, dass die Macht der Bilder allemal stärker ist als die Macht der Worte, und alle Beteiligten, inklusive der Vortragenden, gebannt auf die Leinwand blicken ließ, quasi als Einstimmung auf das erste Halbfinal-Spiel der Fußball-EM, das als Digestiv per Videobeamer gereicht wurde. mittwochs findet im September seine Fortsetzung.

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Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

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