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„Lernen, uns ständig zu erneuern“
Der Standard

Eine junge Architekturhochschule in Spanien legt neue Ausbildungsmaßstäbe vor.

Auf Einladung der Österreichischen Gesellschaft für Architektur diskutierten letztes Wochenende internationale Gäste und heimische Experten vor dem Hintergrund neuer österreichischer Studiengesetze zwei Tage lang über neue, den Berufsanforderungen entsprechende Ausbildungsmodelle für Architekten.

19. Mai 1998 - Anita Fritsche
Wien – Insgesamt 8500 Studenten studieren an Österreichs Kunsthochschulen und Technischen Universitäten Architektur. Durch die notwendige Anpassung an die Vorgaben der Europäischen Union werden die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Regulative völlig neu geordnet, alle Studieneinrichtungen auf ihre Standortberechtigung wirtschaftlich geprüft und innerhalb der nächsten zehn Jahre schrittweise neu eingerichtet. Die autonom gewordenen Hochschulen können ihre Profile, Unterrichtssysteme und Budgets künftig selbst definieren. Beim Staat bleibt lediglich die Finanzierungspflicht sowie die Rechts-und Finanzaufsicht.

Vielschichtig daher auch Referate und Debatten beim repräsentativ besetzten, leider nur mäßig besuchten Symposion. Für und Wider von Meisterklassen, Wunsch nach eindeutiger Forschungs- und Wissenschaftskompetenz für Hochschulen einerseits, jener nach praxisorientierterer Ausbildung andererseits. Forderung nach interdisziplinären Studienformen und verstärkter Projektarbeit als notwendiger Ausbildungsmaßnahme für die zunehmend generalistischer werdende Berufsanforderung.

Globale Lehre ...

Die interessantesten neuen Ausbildungsmodelle kamen aus Spanien und der Schweiz. Aus Unzufriedenheit mit der herkömmlichen Ausbildung gründete eine Gruppe spanischer Architekten 1996 in Barcelona die private Escola Superior d’Arquitectura. Der ebenso jung wie dynamisch und unkompliziert wirkende Direktor Alberto Estevez über deren Grundzüge: „Erstens: Flexibilität als Methode – wir müssen lernen, uns durch den Generationenwechsel ständig erneuern zu lassen. Zweitens: Ausschließlich junge Lehrer mit zeitgemäßen, interessanten Ideen – wir brauchen keine Stars, denn Stardenken bewirkt starre Architekturformen. Drittens: Keine hierarchischen Strukturen – alle sind gleichwertige Partner, die gegenseitige Neugierde schaffen.“

Das Studium umfaßt fünf Jahrgänge mit jeweils maximal 60 Studenten und einer postgradualen Meisterklasse mit 30 Studenten im Anschluß. Anstatt herkömmlicher Abteilungen gibt es fünf international besetzte Räte für Lehre, Kultur, Beruf, Technologie und Kooperation und als entscheidendes Gremium den Direktionsrat. Weiters ein Aufnahme-Hearing, aus dem sich die 30 besten Bewerber direkt, weitere 30 über eine zweitägige Aufnahmeprüfung qualifizieren. Gelehrt wird in Blockseminaren, im Sinne eines weltweiten Wissenskontextes ausschließlich von ständig wechselnden Gastprofessoren aus der internationalen Architektenszene. Fächerübergreifendes Studieren in den klassischen Richtungen ermöglicht das Mutterinstitut, die Universitat Internacional de Catalunya. Das vorgeschriebene Baupraktikum muß in der Dritten Welt absolviert werden, weil dort laut Estevez die Zukunft des Bauens liegt.

... im virtuellen Raum

Während sich die kleine katalanische Institution ihre Lehrer an den Schulort holt, benützt die ETH Zürich virtuelle Räume als Lehrbehelf und das Internet für den weltweiten Wissenstransfer. Grundkonzepte von verschiedenen Projekten werden via Internet zur internationalen Weiterbearbeitung angeboten. Rund 150 Studenten sind weltweit zuletzt dieser Einladung gefolgt. Die entsprechende Software macht sichtbar, wie lange wer an welchem Objekt wie oft und in welchen Abschnitten gearbeitet hat.

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