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Eingang um die Ecke
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Kein Stück Baukultur ist sakrosankt – Eingriffe zur Funktionsänderung müssen erlaubt sein. Die Frage ist: Wer plant und autorisiert den Umbau? Zu wessen Vorteil? Ein brisantes Thema, aufgezeigt anhand der neu gestalteten Zugangsebene des Kunsthauses Graz.

3. März 2018 - Karin Tschavgova
Architekturkritik thematisiert, wenn sie Bauten vorstellt, vorwiegend Objekte im Originalzustand – diese sind neu, erst kurz in Verwendung und noch unverändert. Über ältere Werke der Baukunst wird im historischen Kontext gesprochen, wenn sie etwa unter Schutz gestellt werden sollen oder ihnen Zerstörung droht. Mögen sie noch so bedeutend sein als touristische Attraktion, als Schlüsselwerke in der Entwicklung der Architektur und ihrer Geschichte: Zwischen dem einen und dem anderen Moment ihrer Existenz bleiben selbst bedeutende Bauten unbeachtet vom wertenden Blick, dabei muss Architektur erst ihren Gebrauchswert unter Beweis stellen. Sie muss nicht nur in der geplanten Form „funktionieren“, sondern, wenn nötig, auch angepasstwerden können an neue Anforderungen an die räumliche Organisation, an Arbeitsplätze, technische Ausstattung.

So weit, so gut. Architekten planen nicht als Selbstzweck und haben nicht im Sinn, ihre Arbeit als unantastbares Kunstwerk zu konservieren um den Preis von vitaler Nutzung. Dennoch verlangt schon der Respekt gegenüber der kreativen Leistung eine sorgfältige Abwägung, ob bauliche Eingriffe wirklich notwendig sind. In diese Analyse solltendie Architekten eines Gebäudes einbezogen werden, denn wer ist vertrauter mit einem städtebaulichen, funktionellen und gestalterischen Konzept? Wer kann besser damit umgehen? Die Frage, wen man mit der Aufgabe betraut, stellt sich dann vermutlich nicht mehr. Was bleibt, ist das Wie. Aktuelles Beispiel: das Grazer Kunsthaus.

Teil der Stadtlandschaft

Dieses außergewöhnliche Stück Baukunst passt sich so gut in die Stadtlandschaft ein, dass man es heute nicht mehr missen möchte. Seine Eingangsebene sollte neu gestaltet werden. Barbara Steiner, seit 2016 die Leiterin des Kunsthauses, ortete im Erdgeschoß zahlreiche Probleme, die sie aufgrund der Verlegung des Cafés ein Jahr davor ins Unerträgliche verstärkt sah. Das Lokal war vom Nordteil der Eingangsebene an die Straßenfront ins Eiserne Haus gewandert, auf die Fläche des ehemaligen Medienkunstlabors. Ein attraktiver Gastgarten mit Westsonne trägt zum großen Erfolg des jetzigen Pächters bei.

Die ehemalige Kleinküche, weitab vom neuen Ort der Speisenzubereitung, wurde als Depot mitverpachtet, und genau dies sollte ein Hauptargument für den Umbau werden. Bemängelt wurden der regelmäßige Transport von Lebensmitteln und Abfall durch das Foyer, Küchengerüche in den Ausstellungsräumen, die angeblich zur Beanstandung durch Kreditgeber führten, Leergutstapel im Foyer und Warenanlieferung vor dem Kunsthaus. Dringlich sei die Neuprogrammierung des Erdgeschoßes auch gewesen, weil es bis dahin keine angemessene Verbindung zum murseitigen Vorplatz gegeben habe.

Der Umbau ging unter Einbeziehung des ehemaligen Projektleiters und eines örtlichen Architekturbüros vonstatten. Peter Cook und Colin Fournier, die Architekten des Kunsthauses, wurden darüber anlässlichder Ausstellungseröffnung zum Werden des Kunsthauses informiert – auch über eine Erweiterung der Fläche für das Café. Zum Stein des Anstoßes wird jetzt, wovon laut Fournier nicht die Rede war: dass sich das zum Restaurant ausgebaute Café nun über die gesamte Fläche des Eisernen Hauses erstreckt und den für die Architekten wichtigsten, von ihnen großzügig und frei angelegten Zugang okkupiert.

„Der neue, an das Eiserne Haus angefügte Bau ist angehoben, sodass die Erdgeschoßebene offen, transparent und frei zugänglich bleibt“ heißt es schon 1999 in der Beschreibung des Wettbewerbprojekts. Und weiter: „Der Hauptzugang erfolgt von der stark frequentierten Fußgängerzone bei den Haltestellen.“ Mit dem Konzept des offenen, uneingeschränkt zugänglichen Foyers als Erweiterung des öffentlichen Stadtraums wurde seinerzeit der Wettbewerb gewonnen. Das Eiserne Haus, Brückenkopf mit stark von Passanten frequentierter Schaufront, sollte nicht nur einbezogen werden in die Eingangsebene, sondern den dominanten Zugang bilden – dazu angetan, sich auch spontan für einen Ausstellungsbesuch zu entscheiden.

Diese Durchlässigkeit ist nun gestört, streng genommen zerstört. Der direkte Weg von der Brücke, der Fußgängerzone, den Straßenbahnhaltestellen und dem Südtirolerplatz mutierte zum im Winter einzigen Eingang ins Café-Restaurant. Vorbei an Kaffeetischen und Küchenkräutern kann man sich von hier immer noch den Weg ins Foyerbahnen, das nun jedoch leer geräumt wirkt und nach Wegweisern zum neuen, außer Sicht befindlichen Ticketschalter und Museumsshop verlangte. Dass Letzterer - nun seitlich vor, unter und hinter dem Aufgang in die Bubble – deplatziert und unaufgeräumt wirkt, sei nur am Rande erwähnt.

Ein anderer Aspekt: Nicht nur Kindern erklären wir das Kunsthaus in der Diktion seiner Architekten als „Friendly Alien“, der mitten in Graz gelandet ist. Die mit Licht animierte Haut der Bubble soll Besucher anziehen und das Rollband diese auf geradem Wege vom Ticketkauf in den geheimnisvollen Bauch geleiten. What's now?

Kommerzielle Begehrlichkeiten

Die Probleme, die vorgeblich zum Umbau geführt haben, müssten einerseits weiter bestehen und hätten andererseits ohne Vergrößerung des Cafés gelöst werden können. So gibt es nach wie vor keine Geruch stoppende Abtrennung des Restaurants zum Foyer, und die neue Schauküche rückte sogar näher an die Ausstellungsräume heran. Für das Lebensmitteldepot konnte Raum im Untergeschoß frei gemacht werden, der mit der Küche durch einen bestehenden Lift verbunden ist. Und die Anlieferung erfolgt laut Mitarbeitern nun vor der Öffnung. War die Lösung der Probleme in der Raumorganisation mit dem jetzt vorliegenden Ergebnisnur Vorwand, um die Effizienz vom „Wirtschaftskörper Museum“ zu steigern (Titel einer Veranstaltung im Haus im Jänner)?Geht es in Wirklichkeit um die Erfüllung von privatwirtschaftlichen Begehrlichkeiten? Wir werden es nicht erfahren.

Dabei sollte nicht nur der despektierlicheUmgang mit dem geistigen Erbe der Architekten, sondern vor allem die Konsequenz des Umbaus für die ursprüngliche Absicht, öffentlichen Raum zu schaffen, Thema werden. Selbst Passanten, die ganz nebenbei an Kunst herangeführt werden, könnten die immer noch schwachen Besucherzahlen heben. Auch das spricht gegen jede Barriere durch kommerzielle Interessen.

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