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Thoughts Form Matter
Thoughts Form Matter © Darko Todorovic
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Interview mit Verena Konrad, Kommissärin des Österreich Pavillons bei der 16. Architekturbiennale in Venedig

Die Biennale in Venedig gehört zu den weltweit wichtigsten Ausstellungen. Kunst und Architektur wechseln sich jedes Jahr ab, so darf man biennal spartenbezogen wörtlich nehmen. Für die 16. Architekturbiennale geben die Kuratorinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara von Grafton Architects das Generalthema „Freespace“ vor, womit sie die „Großzügigkeit des Geistes“ und Humanität als die zentralen Aspekte einer Architekturagenda beschreiben, die sich auf die Qualität des Raumes konzentriert. Verena Konrad, Leiterin des vai Vorarlberger Architektur Instituts, wurde zur Kommissärin für den Österreich Pavillon ernannt. Sie übernahm auch die Kuration und suchte sich ihre Teams: Kathrin Aste und Frank Ludin von LAAC, die seit mehr als zehn Jahren innovative Antworten auf urbane und landschaftliche Herausforderungen entwickeln, erforschen und lehren (aktuelles Projekt: Stadtnaht Dornbirn, Erweiterung der Fußgängerzone); Dieter Henke und Marta Schreieck versuchen bei all ihren Werken differenzierte Räume mit besonderer Atmosphäre und Stimmung anzubieten. Mit Stefan Sagmeister und Jessica Walsh sind die Creative Directors von Sagmeister & Walsh aus New York mit im Boot.

Pfeifer Steiner – Wie entstand die Idee für den österreichischen Beitrag zum Generalthema „Freespace“?

Konrad – Es waren mehrere Schleifen, die wir genommen haben. Als ich im April zur Kommissärin ernannt wurde recherchierte ich zunächst bis zum Sommer und steckte den Rahmen ab, was im Kontext der Biennale jedenfalls funktionieren könnte. Die größte Herausforderung für die Nationen-Pavillons ist nämlich, dass vergleichsweise spät das Thema der Biennale publik gemacht wird. Das war schon spannend, denn ich halte es für wesentlich, dass sich ein Land auch als Teil der Staatengemeinschaft zu einem Generalthema positioniert. Dieses Zusammenstehen von Kreativen – und ich meine damit von gestaltenden Menschen – die den Anspruch haben, neue Lösungen für individuelle und kollektive Problemstellungen zu finden und diese Fragen und Antworten mit einem intellektuellem Anspruch zu verbinden, gehört für mich global zu den wichtigsten Agenden, um die aktuelle demokratiepolitische Krise zu überwinden.

Die Interpretation von „Freespace“ von Grafton Architects lässt viele Zugänge zu. Ich sehe meine Aufgabe darin, diesem Thema einen spezifischen Rahmen zu geben, es zu deuten und unsere Deutung verständlich und erlebbar zu machen: Wir haben den Pavillon von Josef Hoffmann und Robert Kramreiter, es gibt das räumliche und kulturelle Setting der Biennale und mit dem Manifest von Grafton Architects war uns allen zusammen dann klar – wir bauen! Und wir agieren jeweils innerhalb der eigenen Disziplin. Architektur und Design verschwimmen nicht, sondern bleiben in Kommunikation miteinander und finden atmosphärische Schnittmengen. Im Sinne des räumlichen Erlebnisses gehen wir stark auf den Hoffmann-Bau ein, das war ein sehr schöner gemeinsamer Prozess.

Die intellektuelle Kraft von Architektur

Pfeifer Steiner – Was dürfen wir uns zu den Installationen der drei Teams schon vorstellen?

Konrad – Uns gefällt, wie beim vorgegebenen Thema gedankliche Räume geöffnet werden und wir entnehmen einige Metaphern aus dem Manifest. Ein wichtiger Satz für uns – „we see the earth as client.“ Soviel darf ich verraten: es wird keinen geraden Boden geben, dafür starke Außen- und Innenverbindungen und die Metapher des Reflexionsraumes wird sehr präsent sein. Die BesucherInnen zirkulieren in unserem Raum und finden völlig unterschiedliche Atmosphären vor. Drei Subthemen haben die Teams besonders interessiert, die jeweils stark mit ihrer Bürobiografie und dem eignen Verständnis von Architektur bzw. Design zu tun haben. Bei LAAC ist es das Phänomen der Abweichung und des relationalen Raumes, das spürbar wird. Sie brechen die strenge Symmetrie des Hoffmann-Baus und eröffnen durch das Mittel des Maßstabs einen neuen gedanklichen Horizont. Henke Schreiecks Arbeit heißt „Layers of Atmosphere“. Zwei idente Räume, jedoch spiegelverkehrt, können einmal vertikal und einmal horizontal erwandert werden. Der Mehrwert von Architektur stellt sich bei diesen Installationen als Verbindung von individuellem Erleben und kollektiven Reflektieren dar und die BesucherInnen werden über die Zeit bis November ihre Spuren hinterlassen und Skulpturen wie Materialien mitunter durch ihre Nutzung auch verändern. Das Designer-Team Sagmeister & Walsh reflektiert, inwiefern eine visuelle, digitale Kultur unser Rezeptionsverhalten in Bezug auf Architektur verändert. Und es geht um ein Begriffspaar – Schönheit und Funktionalität – das in der Gegenüberstellung Kontroversen heraufbeschwört und Frage wie Statement zugleich ist: „Beauty is Function“.

Pfeifer Steiner – Wie wird es euch gelingen, bei einer derart großen und weitläufigen Ausstellung das Publikum zu gewinnen?

Konrad – Wissend, dass die Menschen bis sie zu unserem Pavillon kommen schon sehr viel gesehen haben und vielleicht auch schon müde sind, wollen wir sie mit unserem Beitrag wohltuend auffangen. Wir versuchen Räume entstehen zu lassen, die höchste ästhetische Qualität haben und dadurch eine längere Verweildauer evozieren. Insgesamt hat unser Beitrag den schönen Titel „Thoughts Form Matter“, was man als Satz lesen kann, doch zugleich funktionieren auch die einzelnen Begriffe, die indirekt gespiegelt in allen Arbeiten wieder vorkommen. Und als Grundaussage ist uns ganz wichtig, dass Architektur immer visionär sein soll und dass sie mit der Kraft von Gedanken arbeitet. Wir dürfen nicht den Maschinen die Bauprozesse überlassen. Der Mensch ist unverzichtbar, wenn es um die räumliche Gestaltung unserer Welt geht. Wir sehen Architektur und Gestaltung als zivilisatorische Leistung.

Mehrwert für Vorarlberg

Pfeifer Steiner ­– Vor dem vai flattert schon verheißungsvoll die Biennale-Fahne. Was werden wir in Vorarlberg davon mitbekommen?

Konrad – Wir haben ja das Biennale-Büro nicht wie sonst üblich in Wien, sondern im vai in Dornbirn eingerichtet. Dadurch können wir mit einer extrem schlanken Struktur arbeiten. Für die Produktionsleitung, Sponsoring, Öffentlichkeitsarbeit etc. haben wir professionelle PartnerInnen gefunden, die schon öfter für die Biennale in Venedig tätig waren. Das heißt: alles was ich nicht weiß, wissen meine KollegInnen! Des Weiteren gibt es eine „Making of“-Ausstellung, die zu den Architekturtagen (9.6.) im vai eröffnet wird. So bekommen alle Interessierten auch im Ländle Einblick. Es gibt einen Katalog, Filme, die Arbeitsmodelle und Mockups, Beiträge zu Kontext und Geschichte der österreichischen Beiträge aus dem Biennale-Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien sowie den „Biennale-Espresso“ als Vermittlungsformat. Zudem haben wir schon viele Anmeldungen zu Führungen vor Ort in Venedig.

Pfeifer Steiner – Vielen Dank für das Gespräch und auf gutes Gelingen!

16. Architekturbiennale in Venedig
vom 26.5. – 25.11.2018
Eröffnung Österreich Pavillon
24.5. um 15:00 Uhr
»Making of« Austrian Pavilion | La Biennale di Venezia 2018
Eröffnung Ausstellung 9.6.18 um 19:00 Uhr
Der Text erschien in der Mai-Ausgabe von KULTUR - Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, http://www.kulturzeitschrift.at

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