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Vorrang dem Exponat
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Ausstellungsarchitektur stellt nicht dar und drängt nicht in den Vordergrund – sie lässt den Ausstellungsstücken Raum. „Die Rückkehr der Legion“: zur Gestaltung der oberösterreichischen Landesausstellung in Enns durch Veit Aschenbrenner und Elisabeth Plank.

18. August 2018 - Romana Ring
Architektur ist nicht dazu da, Geschichten zu erzählen. Weil sie aber unseren Alltag, unsere Träume, die Machtverhältnisse und Wirtschaftsleistungen einer Gesellschaft ebenso widerspiegelt wie deren technische Errungenschaften oder den Stellenwert, der etwa der Kultur eingeräumt wird, können wir Architektur dennoch lesen. Ausstellungsarchitektur macht keine Ausnahme: Sie stellt nicht dar, sie funktioniert. Sie respektiert den Raum, in dem sie sich befindet, setzt ihn jedoch in den Hintergrund. Sie selbst drängt keineswegs nach vorne; denn im Rampenlicht stehen die Exponate. Zu ihnen und an ihnen vorbei müssen die Besucherinnen und Besucher unterschiedlichster Körpergrößen, Interessen und Geschwindigkeiten gelenkt werden, unaufdringlich, sicher und barrierefrei.

Das Wiener Büro Veit Aschenbrenner Architekten hat in Arbeitsgemeinschaft mit der ebenfalls in Wien ansässigen Architektin Elisabeth Plank den Wettbewerb zur Gestaltung der heurigen oberösterreichischen Landesausstellung an deren beiden Schauplätzen in Enns gewonnen. Die Ausstellung nimmt unter dem Titel „Die Rückkehr der Legion“ das Erbe der Römer in Oberösterreich in den Blick. Das am Ennser Stadtplatz gelegene Museum Lauriacum vermittelt einen umfassenden Eindruck des einzigen Militärlagers in der römischen Provinz Noricum. Hier, auf dem Boden der ältesten Stadt Österreichs, war die II. italische Legion mit 6000 Soldaten stationiert; hier lebten die Legionäre mit ihren Familien, gingen außerhalb ihres Dienstes zivilen Beschäftigungen nach; hierher zog es Zuwanderer aus dem gesamten Imperium. In seiner Blütezeit zählte Lauriacum 25.000 Einwohner.

Veit Aschenbrenner und Plank ist es gelungen, die Erzählung vom Leben in dieser spätantiken Stadt den wissenschaftlich seriös aufbereiteten Funden zu überlassen, die von ihrer Ausstellungsarchitektur als thematisch wohl strukturiertes Ganzes zur Geltung gebracht werden. Ein immer wiederkehrendes Motiv dieser Architektur, dunkle metallene Platten, mittels zarter Füße vom Boden abgehoben, schneidet plastisch durchgeformte amorphe Zonen aus den Räumen des ehemaligen Rathauses, ohne dessen unterschiedlichen Bauphasen zu verdecken. Diese Zonen weisen den Besuchern den Weg durch die Ausstellung, laden zum Verweilen ein und animieren zu eigenen Entdeckungen. Insbesondere die Entscheidung, keine Rekonstruktionen zu versuchen, sondern die Fundstücke als Einheit mit allenfalls notwendigen grafischen Ergänzungen zu präsentieren, gibt klar der Fantasie den Vorzug vor allumfassender Animation.

Selbst Aufforderungen wie „Testen Sie in der virtuellen römischen Küche Ihre Fähigkeiten als Küchenchefin der Legion“ haben Veit Aschenbrenner und Plank räumlich korrekt und in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Gerald Lohninger gestalterisch ansprechend gelöst. Das thematisch bunte Spektrum der Ausstellung reicht von der Organisation der Legion über das Alltagsleben in der geschäftigen Stadt am Limes bis zu Kunst und Kult der sich ihrem Ende zuneigenden Antike und wird durch wichtige Exponate zur Geschichte von Enns ergänzt. Veit Aschenbrenner und Plank haben die Präsentation von Bereichen wie Waffengattungen, Essgewohnheiten, Bestattungsriten oder Handelsgüter in Lauriacum subtil der jeweiligen Aufgabenstellung und ihrer bestmöglichen Rezeption angepasst, ohne den Faden der Gesamtschau zu verlieren. Handwerkzeuge und technisches Gerät werden in einer Art Baugerüst präsentiert, Skelette liegen auf einer gekiesten Fläche, und der Raum mit der Münzensammlung ruft Erinnerungen an Schatzkisten wach. Besonders wertvolle Exponate werden schon von Weitem sichtbar ins Blickfeld gerückt; Bereiche zum Zuschauen, Zuhören oder Ausruhen farblich und haptisch hervorgehoben. Im obersten Geschoß des Hauses wird noch einmal die Verbindung zum Ort geknüpft: mit zwei kleinen Fenstern, die auf den Ennser Stadtturm schauen.

Am zweiten Schauplatz der Landesausstellung, der Basilika St. Laurenz, wird die Architektur zum Exponat. Umfangreiche Ausgrabungen in der Unterkirche der Basilika haben schon in den 1960er-Jahren spannende Ergebnisse gezeitigt: So konnten die Reste einer repräsentativen, mit hohem Komfort ausgestatteten römischen Stadtvilla und einer in deren Ruinen eingebauten frühchristlichen Kirche freigelegt werden. Mit ihrer anlässlich der Landesausstellung vorgenommenen Neugestaltung der Unterkirche lassen Veit Aschenbrenner und Plank die damals ausgegrabenen Steine sprechen. An dem in den 1960er-Jahren betonierten Boden und der damals unter dem Fußboden der Basilika eingezogenen Betondecke wurde nichts verändert. Auch die Betonbrüstung, die längs des Rundganges durch die Unterkirche die Ausgrabungen schützt, ist nach wie vor an ihrem Ort. Ihr wurden jedoch dunkle Metallplatten vorgesetzt, hinter deren Schutz durchgehende Lichtlinien den Weg ausleuchten, während sorgsam gesetzte Lichtquellen das Mauerwerk zur Geltung bringt. Mithilfe der von Manfred Hintersteiner geplanten Lichtregie kann man bei Führungen die unterschiedlichen Bauphasen des Ortes im wahrsten Sinn des Wortes beleuchten. Dadurch gewinnen sogar die mächtigen Betonunterfangungen der Kirchenpfeiler eine über ihre Funktion hinausweisende Monumentalität.

Veit Aschenbrenner und Plank haben die beiden parallel zur Außenwand der Basilika verlaufenden Wege der Unterkirche mit Vitrinen gesäumt, in denen kostbare Fundstücke ausgestellt sind. Sie nehmen einen räumlich etwas aufgeweiteten Bereich in die Mitte, in dem der vom Statthalter der Provinz Noricum gestiftete Altar und eine steinerne Weihetafel einen prominenten Platz gefunden haben. Auch hier erfüllen die dunklen Metalltafeln den Zweck, eine Schale zu bilden, die der Würde der Exponate Raum verleiht. In der dem heiligen Severin, einer Lichtgestalt der Völkerwanderungszeit, gewidmeten Nische bleibt dieser Raum absichtsvoll leer. Am Ende des Weges stehen auf einer kleinen gekiesten Fläche 40 Lichtstelen beieinander: eine Erinnerung an die 40 Märtyrer, deren Gebeine unter der Basilika St. Laurenz gefunden wurden. Sie sind mit dem Landespatron Oberösterreichs, dem heiligen Florian, für ihren Glauben in den Tod gegangen, nur wenige Jahre bevor den Christen im Römischen Reich die Religionsfreiheit gewährt wurde.

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