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Bangen um Stadtteilarbeit in Graz
Der Standard

2015 wurde den Stadtteilzentren in Graz, die besonders in Bezirken mit einkommensschwachen Bewohnern wichtige Arbeit leisten, noch der Ausbau versprochen. Ab Juli streicht FP-Stadtrat Eustacchio nun die Förderungen.

4. März 2019 - Colette M. Schmidt
Gemeinwesen, Empowerment, Mitgestaltung des eigenen Lebens, Nachbarschaftspflege – das sind für die vier Stadtteilzentren, die in Graz kommunal mit der größten Bürgernähe arbeiten, nicht nur Schlagworte. Seit Jahren wird hier vor allem auch in Bezirken mit einkommensschwachen Bewohnern wertvolle Arbeit geleistet.

Konkret gibt es das Stadtteilzentrum Nanet, die Stadtteilarbeit Eggenlend, das SMZ Jakomini und das Stadtteilzentrum Triester. Die Stadt Graz entwickelte 2015 ein Leitbild für die Stadtteilarbeit der Stadtteilzentren und insgesamt elf Nachbarschaftszentren und versprach einen Ausbau derselben.

„Stadtteilarbeit neu“

Doch als die Zuständigkeit für die Grätzelinitiativen 2017 in die Verantwortung des FPÖ-Vizebürgermeisters Mario Eustacchio wanderte und dieser eine „Stadtteilarbeit neu“ ankündigte, fürchteten die Zentren um ihren Weiterbestand, ohne genau zu wissen, was Eustacchio eigentlich vorhatte. Mittlerweile steht fest, dass die kommunalen Treffs ab Juli 2019 keine Förderungen mehr erhalten werden. So schlagen nun alle vier, unterstützt von den Grünen und der KPÖ, gemeinsam Alarm.

„Die geplanten Kürzungen ergeben ökonomisch keinen Sinn, richten jedoch enormen Schaden an“, sagt der grüne Bezirksrat Tristan Ammerer zu der Einstellung der Kürzungen.

„Ich muss eigentlich Ende des Monats alle vier Mitarbeiter, einschließlich meiner selbst, kündigen“, sagt Elisabeth Hufnagl dem STANDARD. Hufnagl ist für das Stadtteilzentrum Triester in der bekanntesten Grazer Arbeitersiedlung, der Triestersiedlung, verantwortlich. Dort hat man im Gemeindebau eine 67 Quadratmeter große Räumlichkeit gemietet, die seit 2010 permanent bespielt wird: mit regelmäßigen Veranstaltungen für Leute über 50, einem wöchentlichen „Weibertreff“, einer Tauschbörse für Gegenstände und einer weiteren für Fertigkeiten, die sich „Eine Stunde Lebenszeit“ nennt. Zweimal wöchentlich gibt es den „offenen Betrieb“ ohne Konsumzwang, wo man sich einfach bei Kaffee und Tee mit Nachbarn unterhalten kann. Außerdem betreibt das Zentrum zwei Gemeinschaftsgärten, in einem davon lernen Schüler von März bis Schulschluss Säen und Ernten.

90.000 Euro erhielt man dafür bisher jährlich, sagt Hufnagl, und war damit noch das am besten finanzierte Zentrum in Graz. Eustacchio beruhigte in einem Brief, dass Stadtteilarbeit weiter in „anderer Form“ gefördert werde. Man könne ja um Förderung ansuchen. Das beruhigt die Zentren, deren Arbeit im aktuellen Bericht des Grazer Menschenrechtsbeirats als enorm wichtig betont wird, nicht. „Wer soll den das Ansuchen stellen, wenn keiner mehr das ist?“, fragt Hufnagl.

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