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Vier Jugendliche auf der Suche nach einer Werkstätte, ein Wettbewerb – und die Folge: ein „Wohnzimmer“, in dem man Gedanken spinnen und werken kann. Auf dem Gelände der Linzer Tabakwerke: „Le Grand Garage“.Gelungen!

23. März 2019 - Romana Ring
m Anfang der Geschichte standen vier technikbegeisterte Jugendliche auf der Suche nach einer Werkstätte. Eine Garage oder Ähnliches sollte es sein, in Linz, robust und leicht zugänglich, mit Maschinen zum Bau von Prototypen ausgestattet und offen für Gleichgesinnte. Wie die Geschichte weiterging, liest man am besten unter www.grandgarage.eu nach. Nur so viel: Am 28. Februar 2019 wurde im Bestand der Linzer Tabakwerke „Le Grand Garage“ mit einer Fläche von etwa 4000 Quadratmetern eröffnet. Der Name hält zugleich den Ursprung des Projektes und die Dimension fest, die es mittlerweile erreicht hat.

Das Linzer Studio March Gut hat den geladenen Wettbewerb zur Gestaltung dieses „erweiterten Wohnzimmers, in dem man alleine oder in der Gruppe Ideen entwickeln und ausprobieren kann“, gewonnen und mit seinen Maßnahmen das Selbstverständnis der Grand Garage in Raum und Mobiliar übersetzt. Auf der Suche nach einer angemessenen Sprache für diese junge, zukunftsorientierte Formation haben Christoph March und Marek Gut den historischen Bestand der von Peter Behrens und Alexander Popp von 1929 bis 1935 gebauten Tabakwerke weder als unantastbare Ikone noch als lästiges, denkmalgeschütztes Hindernis behandelt. Vielmehr haben sie das Klügste getan, was man, mit einem Meisterwerk konfrontiert, tun kann: Sie haben daraus gelernt.

Redlicherweise sollte man nicht verschweigen, dass gerade das ehemalige Magazin 3, in dem die Grand Garage Unterkunft fand, Teil eines älteren, von Behrens und Popp bereits vorgefundenen und in ihren Fabriksneubau integrierten Bestandes war. Ungeachtet dieses Umstandes und des im Vergleich zu den prominenteren Trakten der Tabakwerke bescheidenen Anspruchs dieses Lagergebäudes finden sich auch hier zahlreiche Zeichen des umfassenden Gestaltungswillens, der das Hauptgebäude der Zigarettenfabrikation, die Pfeifentabakfabrik und das Kraftwerk auszeichnet. Die ebenso alltagstaugliche wie ausdrucksstarke Ausformung von Stützen, Trägern, Stiegenläufen und Brüstungen etwa, die bauphysikalisch höchst fortschrittlichen Fensterkonstruktionen oder die minutiös geplanten haustechnischen Installationen sind ihnen vorbehalten geblieben. Doch die aus der Klarheit der Konstruktion und der ungestörten Längserstreckung des Raumes erwachsende Großzügigkeit ist auch im einstigen Magazin 3 erfahrbar, das auf seinen ersten drei Ebenen nun zur Grand Garage geworden ist.

Betritt man das ehemalige Magazin 3 vom Peter-Behrens-Platz genannten Innenhof der Tabakwerke kommend, führt der Blick aus der Eingangshalle über alle drei der Grand Garage zugeordneten Ebenen in die Höhe. Die beiden ersten Mittelfelder der Deckenkonstruktion über dem Erdgeschoß und dem ersten Stock wurden herausgenommen, um eine direkt erfahrbare vertikale Verbindung innerhalb des räumlich zunächst ja völlig anspruchslosen Lagers herzustellen. In dem so entstandenen, nach wie vor durch quer liegende Träger strukturierten Luftraum findet sich ein erstes Statement zur Grand Garage: An der Rückwand der im Erdgeschoß eingerichteten gläsernen Box ist es als Visualisierung bereits gegenwärtig, alles Weitere liegt noch in der Zukunft. Der 3-D-Drucker, der, von einem Spezialkran getragen, in der Mitte des Luftraumes hängt, wird eine Stiegenskulptur fertigen, an deren Entstehung Techniker unterschiedlichster Fachrichtungen beteiligt sind. Material, Statik, Technologie und Form verbinden sich zu einem Werkstück, das aus sich heraus wächst und so zum Symbol für die in der Grand Garage arbeitende Gemeinschaft wird.

Deren Arbeits- und Kommunikationsprozesse sind in drei Zonen organisiert. Im Erdgeschoß liegen die Büros, Konferenzräume und Räume zur Entwicklung von Projekten. Einen Stock höher ist das Institut für Robotik der Kunstuniversität Linz zu finden. Hier stehen auch die CNC-Fräsen, die Maschinen zur Metallbearbeitung, die Schweißgeräte und die Beschichtungsanlagen. Der oberste Stock ist das Reich der CAD-, CAE- und CAM-Spezialisten. Hier sind die Elektronik, der 3-D-Druck und der Lasercut verortet, hier öffnet sich aber auch auf der Eingangsseite eine großzügige Lounge zum Peter-Behrens-Platz, während an der gegenüberliegenden Stirnseite des Geschoßes ein Forum Präsentationen den nötigen Raum bietet.

Das Motiv der Fabrik ist als Grundierung des Raumgefüges präsent geblieben. Das gilt sowohl für die weitgehend unangetastete Bausubstanz als auch für die Maßnahmen zur Transformation des Magazins zur Le Grand Garage. Christoph March und Marek Gut haben genommen, was da war, und das Vorgefundene gerade so weit verändert, um es weiter gebrauchen zu können. Diese Bereitschaft zu einem gewissermaßen rezyklierenden Design sollte man jedoch nicht mit Gleichgültigkeit hinsichtlich der Ergebnisse verwechseln: March Gut legt großen Wert auf Qualität. So ist die Tragstruktur der eigens für die Grand Garage entwickelten Polstermöbelserie „Profil“ zwar jener von Schwerlastregalen entlehnt, die Polsterungen jedoch sind hochwertig und mit feinem Stoff überzogen. Der Grundgedanke, das Mobiliar in der Werkstätte selbst anfertigen und bei Bedarf adaptieren und nachproduzieren zu können, prägt auch die zweite in der Le Grand Garage eingesetzte Möbelserie namens „Kontur“. Tische verschiedener Bestimmungen und Höhen sowie drei unterschiedliche Hocker wurden mittels CNC aus 30 Millimeter starkem Birkensperrholz gefräst. Ihre Elemente können ohne weitere Verbindungsteile von einer einzelnen Person ohne Werkzeug stabil zusammengesteckt werden. Einfach und robust sind diese Möbel und Lichtjahre von den Produkten lustiger Einrichtungshäuser entfernt, deren wichtigste Eigenschaft ihre Kurzlebigkeit ist.

Wollte man festhalten, worin das Besondere an der Gestaltung der Le Grand Garage liegt, müsste man wohl die Verbindung des Unfertigen, Veränderbaren mit einer sehr genauen, systematischen Arbeitsweise nennen. Farben setzt March Gut – Behrens und Popp nicht unähnlich – ordnend ein. Das Gebäude hält sich schwarz, weiß und gläsern im Hintergrund. Auch Erinnerungen kommen nicht zu kurz: Das einst als Boden-Verschleißschicht genutzte Holz wurde motivisch aufgegriffen und der neuen Funktion entsprechend in den Kommunikationsbereichen verlegt. Bewährtes wie die Klappgestelle von Biertischen oder Garagentore wurden adaptiert und eingesetzt. Überflüssiges wie Oberschränke in der Gemeinschaftsküche hingegen wurden durch eine gelochte Wandverkleidung ersetzt, in die man, wie es sich für eine Werkstätte gehört, bei Bedarf hängen kann, was nötig ist. March Gut vermitteln mit ihrer Architektur eine Atmosphäre von Professionalität und Experimentierfreude bei stark ausgeprägtem Sinn für Gemeinschaft. Besser hätte man die Grand Garage nicht porträtieren können.

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