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Trutzburg gegen die Schatten der Moderne
Der Standard

Es ist ein Höhepunkt im Bauhaus-Jahr: Zum 100. Gründungsjahr der Kunstschule wurde in Weimar das Provisorium durch ein stattliches Museum ersetzt. Über die Strahlkraft von Beton und die Problematik des Standorts.

8. April 2019 - Anne Katrin Feßler
Nicht mehr allein Bewahrer der Klassik, sondern auch Ort der Moderne. Auf Pathosformeln muss man bei Jubiläen nicht lange warten. Auch in Weimar nicht, wo punktgenau 100 Jahre nach der Gründung des Bauhauses das ihm gewidmete Museum seine Pforten öffnet. Ein Haus, mit dem sich nun also „die intellektuelle Physiognomie der Stadt“ ändern soll.

Sich vom Bahnhof dem Zentrum nähernd, fällt es jedoch zunächst nicht so recht auf, dabei hat Architektin Heike Hanada einen massiven Monolithen aus hellem Beton dort platziert. Von der Ferne bleibt der Blick an der Weimarhalle, einem Nachwendebau, hängen. Erst unmittelbar dort, wo sich das Areal zum städtischen Park öffnet, wird man des zurückgesetzten Museumsbaus gewahr.

Und trotz dieses Achsensprungs – oder gerade dessentwegen – ist der neue Stolz der Weimarer ganz seinem unmittelbaren Standort verpflichtet. Denn das Museum ergänzt ein Ensemble. Aber. Es fügt sich nicht ein. Es setzt vielmehr einen widerständigen Akzent. Widerborstigkeit ist bei dieser Nachbarschaft angebracht: die Architektur des von den Nationalsozialisten errichteten Gauforums. Heute ist in den Gebäuden die Landesverwaltung untergebracht.

Die Lesart des Hauses legt auch die neue Adresse nahe: Der Platz heißt nicht mehr Minol-Platz nach der einstigen DDR-Tankstelle, sondern ist nach Widerstandskämpfer Stéphane Hessel benannt. So kann und muss man also das neue Haus lesen: als Auftrag, das Mahnmal der Naziherrschaft als Teil der „Topografie der Moderne“ zu sehen. In dieser gilt es, den Weimarer Eckpfeilern Humanismus und Aufklärung auch die unschönen Kapitel Ausgrenzung und Völkermord beizustellen.

Ob sich die Marke Bauhaus als symbolische Trutzburg eignet, steht auf einem anderen Blatt. Klar, die Kunstschule, die zur Gestaltungsrevolution aufrief und deren Bestehen von 1919 bis 1933 mit den „Lebensdaten“ der Weimarer Republik ident ist, scheint dafür prädestiniert zu sein. Wegen den Rechten verließ man 1925 Weimar gen Dessau. Die Machtergreifung der Nazis bescherte ihr das endgültige Ende. Aber jenseits der emanzipatorischen Bauhaus-Klischees vom radikal Neuen, von Fortschritt und funktionaler Rationalität war das Bauhaus auch Ort des totalitaristischen Anspruchs, der Technokratie und – mit Blick auf Reformpädagoge Johannes Itten – rassistischer Ideen.

Mehr Bunker als Festung

Das architektonische Ergebnis dieses Unterfangens ist isoliert betrachtet ein imposanter, minimalistisch-eleganter Bau, dessen Fassade durch horizontale Fugen aufgebrochen wird. Gegenüber der Monstrosität der NS-Anlage allerdings macht er sich schüchtern aus. Der Betonkörper scheint sich – obendrein wenig durchfenstert – abzuschotten: mehr Bunker, weniger Festung. Architektur muss eben auch jenseits des Reißbretts, also im Kontext der Stadt, seine Wirkung beweisen. Dass diese eher mau ist, hat wohl mit der Dimensionierung des Projekts und der Planungsgeschichte zu tun. Eine solche ideologische Setzung muss von Anfang an mitgedacht werden. Hanadas Siegerentwurf stammt jedoch von 2008. Erst drei Jahre später legte man sich auf den heutigen Standort auf dem ehemaligen Gauforum fest. Ursprünglich hatte man mit dem Theaterplatz geliebäugelt, wo das Museum als Visavis zum Nationaltheater womöglich andere Strahlkraft besäße.

Auch das Äußere hat sich gegenüber dem Plan massiv verändert: Vorgesehen war eigentlich eine Glasfassade. Von der kam man erst sehr viel später ab. Kosten mögen dabei keine unwesentliche Rolle gespielt haben (letztlich hat der Bau 27 statt ursprünglich kalkulierte 22,6 Millionen Euro gekostet). Entscheidend war eher, dass eine Glasverkleidung die Fassade der NS-Architektur gespiegelt hätte. Dieser visuelle Eindruck wäre fatal gewesen. Auf der Suche nach der passenden Formensprache für diesen Ort scheint man leicht ins Dilemma zu geraten.

Die mangelnde Durchfensterung lässt sich leichter verteidigen. Viele Museumsbauten verzichten aus konservatorischen Gründen auf allzu viele Fenster und Tageslicht – siehe Mumok und Leopold-Museum in Wien. Allerdings besitzt der ähnlich klotzige Weimarer Bau im Inneren wenig von deren Großzügigkeit.

Im Bauhaus-Museum regiert pragmatische Funktionalität: Das Resultat aus den versetzt angelegten Treppenhäusern sind Etage für Etage (insgesamt fünf) variierende Grundrisse. Zusammen mit wechselnden Raumhöhen entsteht der Eindruck eines flexiblen Baukastens, eines typisches Bauhaus-Prinzips. Ein wenig fühlt man sich an die wandelbaren Spielmöbel der Bauhäuslerin Alma Siehoff-Buscher erinnert. Hanadas Betonskelett lässt solche Verwandlungen freilich nur gedanklich zu.

Räumliche Enge

Man spürt hier die Begrenztheit von 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Und man ahnt, dass man hier den gestellten Aufgaben kaum gerecht werden kann. Zum einen ist da der Kern des Museums: die 13.000 Stücke umfassende, von Gropius 1925 der Stadt vermachte Bauhaussammlung. 1000 Arbeiten daraus (Papierenes als Faksimile) hat man dennoch untergebracht. Es bleibt insgesamt bei Anrissen: das auf den neuen Alltag gerichtete und das experimentelle Arbeiten zum Beispiel, oder die großen Protagonisten Walter Gropius, Hannes Meyer und Mies van der Rohe.

Die Ambivalenzen, die das Bauhaus als Teil einer brüchigen Moderne besitzt, bleiben ausgespart. Kein Hinweis auf die zweifelhafte „Rassenheilkunde“ Ittens. Kein Hinweis auf Ertl, der später für Auschwitz Baracken und Krematorien entwarf. Kein Versuch, den ausgeboteten Frauen des Bauhauses hier mehr Sichtbarkeit zu geben. Und: kein Versuch, die Ignoranz des Bauhauses zu DDR-Zeiten zu thematisieren. Die tragische Figur des Architekturwissenschafters Bernd Grönwald hätte sich angeboten. Der Parteifunktionär war auch Idealist und als solcher um das Bauhaus-Erbe bemüht. Er lebte einige Jahre im Musterhaus Haus am Horn. Er hat sich nach der Wende umgebracht – im Keller des Hauses. All das sollte ein Bauhaus-Museum im Jahr 2019 nicht ausblenden.

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