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Die Sünden der Shopping-Vergangenheit
Der Standard

Jedem Städtchen seine Einkaufstempel am Stadtrand. Das Konzept gehört eigentlich früheren Zeiten an. Der Wohlstandszuwachs hat Österreich da allerdings viel Beton und Bitumen beschert. Regina Bruckner

4. September 2019 - Regina Bruckner
Hey! Steyr – was wie eine Durchhalteparole für einen Ruderklub klingt, ist schlicht ein Einkaufszentrum. 20.000 Menschen sollen gekommen sein, als es im April am ehemaligen Kasernengelände in der schmucken gleichnamigen Stadt in Oberösterreich eröffnet wurde. Auf 12.500 Quadratmetern findet das Konsumentenherz seither, was es begehrt.

Anders als viele andere Konsumtempel wie Einkaufs- oder Fachmarktzentren ist es nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit den Öffis erreichbar. Ausreichend Parkplätze gibt es natürlich aber auch. Man kennt seine Pappenheimer. Der fährt zum Einkaufen nun einmal gerne mit dem Auto, in vielen Fällen auch, weil es gar nicht anders geht.

Fast die Hälfte der heimischen Shoppingflächen liegen irgendwo an der Peripherie, weniger als ein Viertel im innerstädtischen Bereich. Die Parksituation ist vor allem an den Rändern enorm wichtig. Am liebsten hat es der Konsument, wenn er rechtzeitig abschätzen kann, ob er Bierkiste, Blumenerde oder was sonst noch auf der Einkaufsliste steht, weit schleppen muss.

In Steyr schnitten das rote Band anlässlich der Eröffnung ein roter Bürgermeister und sein blauer Vize durch. Nach zehn Jahren Behördenverfahren und vielen Diskussionen – mit der eingesessenen Kaufmannschaft, die ihren Niedergang befürchtet, wie mit kritischen Bürgern. Im niederösterreichischen Zwettl ist man da mit seinem geplanten innerstädtischen Kampcenter (10.000 Quadratmeter) noch nicht so weit. Diskutiert wurde auch im Waldviertel so heftig, dass es über die Jahre immer wieder einmal so ausgesehen hat, als setzten sich die Gegner durch. In Lustenau in Vorarlberg war dies der Fall. So heftig war der Widerstand gegen die geplante Ansiedlung des Möbelriesen Ikea, dass die Schweden von ihren Plänen Abstand nahmen. Die Gegner hatten vor allem eine Verschärfung der Verkehrssituation befürchtet. Der von ÖVP-Bürgermeister Kurt Fischer in Aussicht gestellte Nutzen – Arbeitsplätze und Steuereinnahmen – hat sie nicht umgestimmt.

Die Boomphase, was neue Einkaufszentren und Shoppingmalls betrifft, ist aber auch hierzulande vorbei. Die Jahre zwischen 2000 und 2007 haben den Österreichern allerdings viel Beton beschert: Vier Millionen Quadratmeter an Shoppingfläche inklusive 180.000 Parkplätzen hat Österreich heute, doppelt so viel wie vor zwei Jahrzehnten. Europaweit liegt man damit im Spitzenfeld. Doch der Handel verspürt die Abwanderung der kaufwilligen Kunden ins Internet. Die Goldgräberstimmung, die noch vor zehn Jahren herrschte, ist vorbei. Das letzte große Einkaufszentrum wurde mit dem G3 in Gerasdorf 2012 eröffnet. Es erstreckt sich über 70.000 Quadratmeter.

Heute drehen die Projektentwickler jeden Cent um, sagt Roman Schwarzenecker vom Standortberater Standort+Markt: „Gebaut wird, wenn im Vorhinein 70 Prozent der Fläche vermietet sind.“ Investiert werde eher in Erweiterung. Abhängig auch vom Bundesland. Die Landesregierungen müssen bekanntlich als Aufsichtsbehörde den Flächenwidmungsplänen der Bürgermeister zustimmen. In Salzburg haben die Grünen den Ausbau des Europarks verhindert. In die grüne Wiese darf heute aber bundesweit nicht mehr so einfach gebaut werden. Die Raumordnungsgesetze wurden zunehmend verschärft.

Die Raumplanerin und Soziologin Gerlind Weber sieht aber neben den Shoppingflächen ein ganz anderes Problem: das Häuschen im Grünen. Alles in allem sei über die vergangenen 50 Jahre „ein Teil des Wohlstands in Beton und Bitumen geflossen“. Eine Bürde, die man den Jungen aufgehalst habe. Dass es nach dem ersten Anlauf für ein Bundesraumordnungsgesetz vor dreißig Jahren ein solches heute noch nicht gibt, wundert Weber nicht: „Der Bund pfeift auf diese Kompetenz, weil er weiß, das schafft nur Probleme.“ Eines sei der Leerstand: „Die Kompetenz der Raumordnung ist zu eng. Sie müsste mehr in Bestandsverhältnisse eingreifen dürfen.“

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