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Einmal öko reicht nicht
Spectrum

In Eisenerz soll ein Supermarkt mit direktem Zugang von der Bundesstraße errichtet werden. Die Folge: Das Grundstück zwischen zwei Straßen muss meterhoch aufgeschüttet werden. Ortsbildschutz für die historischen Nachbargebäude scheint nebensächlich. Ein Besuch.

16. November 2019 - Karin Tschavgova
Dies ist eine Erzählung, die noch kein Ende hat. Es besteht die Chance, sie zu einem guten Abschluss zu bringen – gut für alle Beteiligten und schonend für die Umwelt. Ihr Inhalt ist ein Bauvorhaben, bei dem die Bauherrenschaft von Beginn an Vorgaben machte, die wenig Spielraum für Kreativität ließen. Der Reihe nach.

2016 reichte Billa einen Plan für einen neuen Supermarkt in Eisenerz ein. Dieser sollte knapp an der Bundesstraße stehen und die beiden bestehenden Filialen, eine im Ortskern und eine nahe einer früher bedeutenden Bergarbeitersiedlung, ersetzen. So weit, so gut: Eisenerz setzt auf mehr Tourismus, Billa auch auf den Durchzugsverkehr. Das Grundstück, ursprünglich ein Hang zwischen zwei Straßen mit beträchtlichem Höhenunterschied, ist noch bebaut mit einem Gebäude, das um 1960 eines der ersten Großkaufhäuser der Region war. Es lag nahe der Ortsmitte, von der tiefer gelegenen Zufahrtsstraße aus erschlossen und direkt angebaut an ein jetzt unter Denkmalschutz stehendes Ensemble. Heute liegt das „Forum“ in der Zone des Ortsbildschutzes, der 1980 verordnet wurde, und ist ein Gegenüber von Sgraffito geschmückten Wohnhäusern, die sich die geneigte Straße entlang reihen wie auf einer Perlenkette.

Billa legte den Plan eines Baumeisters vor. Das leer stehende Bauwerk soll zur Gänze abgetragen und der dadurch entstehende Bauplatz bis zu neuneinhalb Meter hoch aufgeschüttet werden, um darüber das neue Gebäude niveaugleich mit der Bundesstraße zu errichten. Ein Billa-Markt auf dem Tablett, die Sichtbarkeit von der Bundesstraße als oberste Maxime – und alles mit weitreichenden Folgen. Zur tiefer liegenden Straße und zu den historischen Nachbarhäusern hin war eine ebenso hohe Stützmauer geplant, zum natürlichen Niveau des Nachbargartens Böschung, Stützmauer und Zaun. Der beigezogene Ortsbildsachverständige lehnte das Vorhaben in dieser Form ab und erteilte Auflagen, was die Höhenlage des Gebäudes, seine ungegliederte Masse und die monströsen Stützmauern betraf. Minimale Änderungen folgten – nichts, was substanziell Verbesserung und avancierte Architekturqualität gebracht hätte. Aus der Stützmauer wurde ein 160 Meter langes, im Zickzack verlaufendes Rampenbauwerk, das nun den Zugang vom Ortszentrum darstellt. Die unnatürliche Höhenlage blieb unverändert. Neu war, dass ein von der Gemeinde beauftragter zweiter Gutachter nunmehr grünes Licht für die um keinen Deut bessere Variante gab. Wie und womit er begründete, dass die Empfehlungen des Erstgutachtens nun erfüllt seien, ist haarsträubend. Es könnte zum Lehrbeispiel für unzureichende Gutachten und Gutachter werden. Wer nun glaubt, dass dagegen von der Baubehörde, der Gemeinde oder der Ortsbildkommission, die informiert war, Einspruch erhoben wurde, der irrt.

Unmut regt sich seit der Bauverhandlung in den sozialen Medien gegen die Einwände der Nachbarin, die, über die ihr zustehenden Rechte hinaus, auf der Unvereinbarkeit der vorgelegten Planung mit den Vorgaben des Ortsbildgesetzes beharrt. Tatsächlich ist viel Porzellan zerbrochen worden in der Geschichte, in der wohl die Hauptbeteiligten – Gemeinde und Billa – nur zu ihrem Eigennutz gehandelt haben. Der Schutz des Ortsbilds wurde offensichtlich als vernachlässigbare Marginalie gesehen. Doch welche Lehre, welcher Erkenntnisgewinn lässt sich ziehen? Waren qualitätvoll gelöste Bauvorhaben immer schon eine Herausforderung, so ist die Komplexität des Bauens heute aufgrund der unumgänglichen Aufforderung zu sparsamem Ressourcen- und Energieverbrauch und umfassendem Schutz der Umwelt noch höher. Billa wäre gut beraten gewesen, das beste maßgeschneiderte Projekt über einen Architekturwettbewerb zu finden oder aus einem Pool aus exzellenten Architekten zu schöpfen, die längst bewiesen haben, dass sie Bauaufgaben in sensibler Lage wie in Eisenerz bewältigen. Unternehmen wie Sutterlüty in Vorarlberg, MPreis in Tirol und Spar mit Beispielen in der Steiermark gehen seit Jahren diesen Weg und zeigen auf, wie erfolgreich gutes Bauen in jeder Hinsicht ist.

Der jetzt eingereichte Entwurf wird nicht nur aus ökologischer, sondern könnte auch aus ökonomischer Sicht für Billa ein Misserfolg werden. Man bedenke: ein Rückbau und die kostenintensive Entsorgung des Abbruchmaterials, die enormen Mengen an Material für die Aufschüttung des Bauplatzes und die Notwendigkeit einer zeitraubenden, temporären Überschüttung mit noch mehr Gewicht, damit sich der Baugrund stabilisiert. Dazu kommt, dass ein Bauwerk mit Rampen und Stützmauern äußerste Präzision in der Konstruktion und ständige Wartung im Eisenerzer Winter verlangt.

Billa hätte für sein Bauvorhaben Hilfe und fachlichen Rat gebraucht. Die Steiermark hat laut Internet einen Baukultur-Beirat, der die Baukultur-Leitlinien zur Umsetzung bringen soll. Seit vielen Jahren gibt es einen Baukultur-Beauftragten. Doch was wird getan, um die Leitlinien zur Baukultur aus der Papierform zu holen und zumindest dort mitzugestalten, wo das Land über Gesetze und Fördermittel Mitsprache und Entscheidungsmacht hat? Eine solche hätte auch die Ortsbildkommission auf Grundlage des Ortsbildgesetzes. Warum gab es kein entschiedeneres „Nein, so nicht“, nachdem der erste Sachverständige eine substanzielle Änderung des Entwurfs empfohlen hatte und diese nicht kam? Warum keine Koordination der Beteiligten, um über Gespräche Überzeugungsarbeit für eine ortsbildverträgliche Lösung zu leisten?

Trotz aller Versäumnisse wäre es für die Einsicht, dass man heute nicht mehr ressourcenverschleudernd bauen kann als Unternehmen, das mit Nachhaltigkeit punkten will, ein Klimaaktiv-Partner ist und mit Greenpeace kooperiert, nicht zu spät. Für eine Umkehr zurück an den Start auch nicht. Ein Gebäude, das intelligent auf dem Bestehenden aufbaut, oder eine neue, qualitativ hochstehende Architektur, die sich besser ins Ortsbild einfügt, wäre ein Gewinn für alle und könnte glaubwürdig für eine notwendige Wende im Bausektor stehen, in der unser Tun den Erfordernissen des Umweltschutzes in seiner ökologischen und ökonomischen Dimension angepasst wird. Mit Stolz bewirbt Billa eine Filiale in Perchtoldsdorf als Blue Building, das für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet wurde. Nur leider macht ein „Öko-Billa“ genauso wenig einen Sommer wie eine einzige Schwalbe.

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