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Die erste nachhaltige katholische Kirche der Schweiz: Wie ein Gotteshaus zum Solarkraftwerk geworden ist
Neue Zürcher Zeitung

Die vermeiden Kirchen Emissionen? Das Beispiel der Kirche St. Franziskus in Ebmatingen könnte Schule machen. Nach der energetischen Rundumerneuerung erzeugt das Gotteshaus mehr als doppelt so viel Energie, wie es selbst braucht.

1. Dezember 2019 - Alois Feusi
Kirchen gelten vielen Gläubigen als Orte der Kraft. Die katholische Kirche St. Franziskus in Ebmatingen fügt dem eine weitere Dimension hinzu. Seit der Sanierung des 30-jährigen Bauwerks Ende 2018 ist das Gotteshaus nämlich auch ein Kraftwerk. Eine stark verbesserte Wärmedämmung und eine mit drei Erdwärmesonden sowie zwei Wärmepumpen kombinierte Solaranlage auf dem Satteldach machen St. Franziskus zur ersten nachhaltigen katholischen Kirche der Schweiz. Die Anlagen produzieren im Jahresmittel 221 Prozent der für die Eigenversorgung des Gebäudes benötigten Energie und können damit jährlich 63 000 kWh Solarstrom ins Netz der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich einspeisen.

Dieser Tage ist die katholische Kirchgemeinde Egg mit dem Europäischen Solarpreis 2019 ausgezeichnet worden. St. Franziskus sei ein Musterbeispiel für die Nutzung des Solar-Potenzials von Kirchen, begründete die Jury ihre Entscheidung an der Preisverleihung vom vergangenen 15. November in Luxemburg. Vier Wochen zuvor hatte die Kirchgemeinde bereits den Schweizer PlusEnergieBau-Solarpreis 2019 erhalten.

Kirchenpfleger mit einer Vision

Er sei schon lange ein Verfechter der Nutzung alternativer Energiequellen, erklärt Louis Landolt bei einem Augenschein in der Kirche mit für Solaranlagen idealer Nord-Süd-Ausrichtung und malerischer Aussicht auf den Greifensee. Der 74-jährige Betriebswirtschafter Landolt war von 1978 bis 2018 Präsident der Kirchenpflege und hat noch immer den Vorsitz der Baukommission der römisch-katholischen Kirchgemeinde Egg inne. Zu dieser gehört Maur mit seinem Pfarreivikariat in Ebmatingen.

Landolt war bereits beim Bau der Kirche St. Franziskus 1989/90 federführend dabei und ebenso bei der Erweiterung des Gotteshauses um einen Saalbau mit Nebenräumen im Jahr 2008. Und natürlich ist auch die energetische und bauliche Sanierung der mittlerweile 30 Jahre alten Kirche gewissermassen sein Kind.

Eigentlich war anfangs lediglich die Erneuerung der alten Ölheizung vorgesehen. Diese verbrannte trotz der zum Zeitpunkt des Baus der Kirche als hervorragend geltenden Gebäudeisolation mit 10 Zentimeter dicken Dämmungen 7000 Liter Öl im Jahr. Die neue Heizung sollte ohne Gas oder Öl betrieben werden.

Der Baukommissionsvorsitzende, der sein eigenes Haus 2015 mit Photovoltaik- und Erdwärme-Anlagen ausrüstete und bereits seit mehreren Jahren ein Auto mit Elektroantrieb fährt, setzte sich aber von Beginn weg für eine Lösung mit Solarenergie ein. Sein Architekt Daniel Studer, Dozent für Baukonstruktion an der ETH Zürich, liess bei der Planung für die Sanierung Variantenstudien für ein neues Heizsystem erarbeiten. «Wenn man schon energetisch sanieren muss, soll man das gleich richtig tun», weiss Louis Landolt aus langjähriger Erfahrung.

Landolt hatte sich schon in seinen 32 Jahren als Verwaltungsdirektor des Universitäts-Kinderspitals Zürich als Mann mit einer energiepolitischen Vision hervorgetan. So liess er in den neunziger Jahren das Kinderspital ans Fernwärmenetz der Kehrichtverbrennung Hagenholz anschliessen. Im Rehabilitationszentrum des Kinderspitals in Affoltern am Albis baute er in den achtziger Jahren im Rahmen der Gesamtsanierung eine Holzschnitzelheizung ein. «Im Knonauer Amt haben sie ja viel Holz», merkt er an. «Die Waldbesitzer und Förster haben sofort mitgemacht.»

Und das Gebäude der Stiftung Zürcher Sprachheilschule Unterägeri, deren Präsident Louis Landolt ist, wird seit 2015 mit fünf Erdsonden beheizt, die in Tiefen von bis zu 550 Meter reichen. Dazu kommt ergänzend eine Solaranlage mit zusätzlicher Batteriespeicherung, welche die Liegenschaft vollkommen energieautark macht.

Hightech auf dem Dach und im Boden

In Ebmatingen entschied man sich schliesslich für eine Solaranlage auf dem Dach sowie Erdwärmesonden mit zwei Wärmepumpen. Sämtliche Lichtquellen in dem Gebäude wurden mit LED-Leuchten bestückt, was den Stromverbrauch für die Beleuchtung um 80 Prozent senkte. Das zuvor mit 10 Zentimetern Dämmung isolierte und stellenweise undicht gewordene Dach erhielt eine wirkungsvolle neue Dämmschicht und ein neues Unterdach. Und vor allem wurden die Isolierfenster, die im alten Gebäudeteil ohnehin am Ende ihrer Lebensdauer angelangt waren, durch eine neue Verglasung ersetzt, welche die Wärmeverluste auf etwa einen Drittel reduziert. Dank der energetischen und baulichen Sanierung sank der Gesamtenergiebedarf des Gebäudes von rund 84 400 auf 54 700 kWh jährlich.

Ursprünglich waren für die Sanierung 300 000 Franken budgetiert gewesen. Daraus wurden schliesslich 1,2 Millionen. Die Gemeindeversammlung stimmte dem Projekt ohne eine einzige Gegenstimme zu. Landolt betont, dass die Kirchgemeinde basisdemokratisch organisiert sei und dass an jener Versammlung sehr wohl kritische Fragen an ihn und den Architekten Studer gestellt worden seien. Am Ende seien diese aber alle zufriedenstellend beantwortet gewesen.

Die Wärme- und Energieversorgung der St.-Franziskus-Kirche beruht auf dem «Zeleganz»-System des Zürcher ETH-Spin-offs BS2 AG. Dieses kombiniert verschiedene Entwicklungen im Umfeld von Hansjürg Leibundguts Professur für Gebäudetechnik am Institut für Hochbautechnik der ETH Zürich. «Zeleganz» verbindet Wärmegewinnung und Solarthermie auf dem Dach eines Gebäudes und liefert Wärme und Kälte sowie Warmwasser.

Insgesamt 543 Quadratmeter Solarzellen auf dem Kirchendach produzieren mit einer installierten Leistung von 90 kW jährlich 78 900 kWh CO2-freien Strom. Auf dem 161 Quadratmeter grossen Teil des Daches mit Ausrichtung nach Süden wurden sogenannte PVT-Module montiert. PVT steht für Photovoltaik mit Thermie. Diese thermischen Sonnenkollektoren erzeugen zusätzlich zur Elektrizität 41 800 kWh/a Wärme. Das Warmwasser wird im Sommer durch die drei Sonden 300 Meter tief in den Boden gepumpt, wo es gespeichert und während der Heizperiode wieder abgezapft wird.

«Die Schöpfung bewahren»

Die beiden Anlagen erzeugen zusammen 120 700 kWh/a und verhelfen der Kirche und dem Pfarreizentrum St. Franziskus zu einer Eigenenergieversorgung von 221 Prozent. Die knapp 80 000 kWh/a Solarstrom könnten den Jahresbedarf von 25 Haushalten decken und würden diese rund 14 000 Franken kosten. Zusätzlich zu den Stromkosten spart die Kirchgemeinde mit der Wärmepumpenheizung die Ausgaben für das Heizöl und die Wartung von Brenner und Öltank.

Seit der Sanierung hat es auch ein Ende mit dem jährlichen Ausstoss von rund 20 Tonnen des Klimagases CO2. Dies ist Louis Landolt ein wichtiges Anliegen. Er verweist auf den Sonnengesang des Heiligen Franz von Assisi, dem die Ebmatinger Kirche geweiht ist. Das Gebet preist neben allen Geschöpfen Gottes besonders auch den Bruder Sonne, der in seinem strahlenden Glanz ein Sinnbild des Allmächtigen sei. Da sei es doch geradezu zwingend, dass die St.-Franziskus-Kirche ihre Energie von der Sonne beziehe, erklärt Louis Landolt. Und eine Kirchgemeinde müsse ganz besonders Verantwortung dafür tragen, die Umwelt zu schützen und die Schöpfung für die kommenden Generationen zu bewahren. Seine zehn Enkel werden es ihm danken.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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