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Von Haus aus keimfrei
Der Standard

Die Pandemie hat neue Anforderungen bei der Planung von Spitälern offengelegt. Architekten überlegen nun, wie Krankenzimmer und Stationen künftig modularer aufgebaut sein sollten – etwa um Infektionen besser zu verhindern.

12. Februar 2021 - Ber­na­det­te Redl
Welche Lehren ziehen wir aus der Pandemie? Diese Frage treibt nicht nur Wissenschafter, Mediziner, Politiker und Ökonomen um, sondern auch Architekten – speziell jene, die sich mit dem Umbau von Spitälern beschäftigen. Auch hier sind im vergangenen Jahr neue Anforderungen offensichtlich geworden.

„Schon jetzt sehen wir bei aktuellen Wettbewerben die ersten Vorboten“, sagen Andreas Frauscher und Richard Klinger von Architects Collective, beide sind Experten im Bereich Gesundheitsbauten. Vor allem Flexibilität wird in Zukunft ein viel größeres Thema sein. So könnten etwa Stationsgrundrisse in Krankenhäusern so geplant werden, dass einzelne Bereiche schnell abgeteilt und besser isoliert werden können, um infektiöse und nichtinfektiöse Patienten voneinander zu trennen. Dort muss es dann auch separate Personalräume und sämtliche andere Einrichtungen geben – auf einer Station sollte also quasi alles doppelt vorhanden sein.

Zimmer umwandeln

Auch über Zimmergrößen in Spitälern wird seit vielen Jahren diskutiert, nun hat das Thema einen neuen Schub bekommen. In Skandinavien etwa, so Klinger, gibt es bereits jetzt in den zuletzt neu errichteten Krankenhäusern nur mehr Einzelzimmer – früher oder später könnte sich das auch hierzulande durchsetzen. Zumindest könnte die Planung in Richtung mehr Flexibilität gehen, damit man etwa aus einem Zweibett- rasch zwei Einzelzimmer machen kann.

Wie das konkret gehen könnte, zeigt das Forschungsprojekt „Karmin“ (Krankenhaus, Architektur, Mikrobiom und Infektion) der TU Braunschweig. Ein Team aus Architekten hat dort ein Krankenhauszimmer entwickelt, in dem das Infektionsrisiko auf ein Minimum reduziert werden soll – im Vorjahr wurde es präsentiert. Die Grundlage des Projekts: Wissenschafter der Charité in Berlin hatten zuvor ein Jahr lang Abstriche in Patientenzimmern genommen und die Virenbelastung genau untersucht. Denn auch schon vor Corona waren Krankenhausinfektionen, etwa mit multiresistenten Keimen, ein Problem in Spitälern.

Das von den Forschenden entwickelte Zimmer, von dem ein Prototyp in der Nähe von Würzburg und einer auf dem Gelände der Charité Berlin aufgebaut wurde, verfügt über zwei Betten, die einander gegenüberstehen – damit das Personal nicht an einer Person vorbei zur anderen gehen muss. Auf jeder Seite des Raumes liegt eine Nasszelle – denn wenn jeder Patient sein eigenes Bad hat, lässt sich das Ansteckungsrisiko weiter reduzieren und das Zimmer kann in der Mitte abgetrennt werden. Das macht die Errichtung zwar teurer, das gleiche sich aber dadurch aus, dass Kosten für Infektionsbehandlungen wegfallen, heißt es in dem Projekt.

Mehr Privatsphäre

Und Einbettzimmer haben noch weitere Vorteile: Neben der größeren Privatsphäre für Patientinnen und Patienten „kann man sich dadurch andere Räume sparen, etwa Untersuchungszimmer“, sagt Frauscher. Denn Patienten können dann direkt im Zimmer untersucht werden. Zudem erhöhe ein Einzelzimmer die Aufenthaltsqualität, „die Patienten erholen sich besser und schneller“, so der Architekt weiter. So wird auch auf lange Zeit Geld gespart.

Weiters gibt es in dem fiktiven Zimmer der TU Braunschweig ausschließlich Oberflächen, die sich leicht reinigen lassen, sowie antimikrobielle Griffe, die Keime sogar abtöten können. Auch eine gute Beleuchtung, die Lüftung und die Position der in den Zimmern angebrachten Desinfektionsmittelspender spielen bei der Infektionsvermeidung eine Rolle.

Vor allem was Oberflächen betrifft, sind die Standards in Spitälern aber auch heute schon hoch. So hat etwa die Abteilung Anstaltshygiene bei der Ausführung von Krankenhäusern „viel mitzureden“, wie Frauscher sagt: „Sie schauen genau darauf, dass es keine Schmutzwinkel gibt.“ Auch eine große Anzahl von Türen ist schon jetzt per Taster steuerbar, und auf die Auswahl von Oberflächenmaterialien wird viel Wert gelegt.

Auch eine weitere Neuerung könnte sich in Zukunft durchsetzen: Es gibt erste Überlegungen, Isolierzimmer mit speziellen Durchreichen zu versehen, sodass das Personal sich nicht für jede Tätigkeit, etwa wenn es nur darum geht, den Patientinnen und Patienten etwas zu bringen, ein- und ausschleusen muss. „Wir als Architekten und Ingenieure können im Zuge unserer Planungen solche Voraussetzungen schaffen“, sagt Wolfgang Kradischnig, Geschäftsführer der Delta Podsedensek Architekten ZT und Experte für Spitalsbauten.

Zudem müsse sich auch die Wegführung in Krankenhäusern in Zukunft ändern, sodass Besucher, das Personal und infektiöse Patienten separate Eingänge nutzen und Letztere von dort auch direkt, ohne an Wegkreuzungen auf andere Menschen zu treffen, auf die Infektionsstationen gelangen können. „Es braucht beim Eingang eine professionelle Triage, ein Patient wird sich nicht mehr wie früher einfach die Abteilung selbst suchen können, in die er muss“, sagt Kradischnig.

Weniger effizient

Doch nicht nur bezüglich Infektionsschutz, auch insgesamt dürfte sich die Planung von Spitälern durch die Krise verändern. Bisher wurde in Österreich versucht, die Zahl der Krankenhausbetten zu reduzieren, weil sie kostenintensiv sind. Man habe immer weiter optimiert, sich überlegt, wo man noch effizienter werden oder Funktionen zusammenlegen kann, so Kradischnig.

„Hier wird es ein Umdenken geben, und wir werden wieder einen Puffer schaffen müssen“, sagt auch Klinger – vor allem auch bei den Intensivbetten. Generell ist Platz ein Thema. „Für eine Pandemie braucht es Reserven, das wurde nun mit Provisorien gelöst, etwa im Zugangsbereich mit Containern. Bei zukünftigen Bauten sollte das aber bereits in der Planung berücksichtigt werden“, sagt Kradischnig. Und auch andere Bereiche im Spital müssen großzügiger werden, etwa Wartebereiche oder Gänge, um ausreichend Abstand halten zu können.

Generell sei Österreich jedoch gut aufgestellt in dieser Pandemie – das liege auch an der Architektur der Gesundheitsimmobilien, sagen die Architekten. Dennoch gibt es Verbesserungsbedarf: Denn auch wenn hierzulande vieles nicht so schnell gehen kann wie anderswo, etwa im chinesischen Wuhan, wo zu Beginn der Corona-Pandemie in nur wenigen Tagen ein Krankenhaus gebaut wurde, sollte auch bei uns besser vorgedacht werden, fordert Kradischnig.

„Wir müssen uns besser vorbereiten und schon jetzt Raumerfordernisse und Abläufe für zukünftige Ausnahmesituationen überlegen. Auch bei uns ist mit Modulbau vieles sehr schnell möglich, doch es muss vorab Pläne geben, um sie dann im Ernstfall schnell abrufen zu können.“

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