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Bildgeschichten mit Waschblau
Der Standard

Niederösterreichische Architektur und Josef Mikl: Zwei Ausstellungen in Mürzzuschlag

Mürzzuschlag - Zeugnisse der modernen niederösterreichischen Baukultur werden im Kunsthaus Mürzzuschlag präsentiert; Walter Zschokke zufolge, der die Ausstellung zusammengestellt hat, galt dieses Bundesland lange Zeit als architektonisches Vakuum.

8. Juli 1999 - Maria Nievoll
Die Ernennung St. Pöltens zur Hauptstadt hat offenbar einen Qualitätsschub ausgelöst. Neben Vielzitiertem und -publiziertem wie Klaus Kadas Festspielhaus aus den Jahren 1993-97 oder Adolf Krischanitz' Kunst Halle Krems ist eine Reihe von Einfamilienhäusern vertreten: das Haus Huf in Blindenmarkt, entworfen von Ernst Beneder als holzverschalter Quader, dessen Stirnseite in einen künstlichen Teich auskragt. Ebenso ein von Rudolph Prohazka großzügig umgebauter ehemaliger Bungalow bei Wiener Neustadt; die Jahrhunderte alte Mühle in Lanzendorf, die Alexander Runser und Christa Prantl umgestalteten; Gerhard Steixners Standard Solar III in Kritzendorf, eine Weiterentwicklung des 1990 zusammen mit Georg Driendl entworfenen Solarhauses.

Diese dezentralen Provinzbauten werden komplettiert durch Bauten für Industrie und Gewerbe. Boris Podrecca hat ein Autohaus für Mazda-Lietz entworfen, samt Werkstatt und Magazin, dem eine schwungvolle, dynamische Geste zugrunde liegt. Obwohl der Architekt nie direkt die 50er Jahre zitiert, gibt sich dieser Bau als wichtiges Element in der Kontinuität der Automobil-Bauten und signalisiert nach einer Zeit der Infragestellung neue Unbedenklichkeit und Aufschwung.

Etwas früher, Ende der 80er Jahre, bauten Ortner & Ortner in Waidhofen an der Ybbs ein Bürohaus mit Produktionshalle für bene, dessen Monumentalität durch den vorgelagerten gerundeten Bürotrakt mit gitterartig durchbrochener Fassade gebrochen wird. Obwohl die Büromöbelproduktion der Automobilproduktion in nichts nachsteht, was ihre Bedeutung für die Industrie und für die Automatisierung betrifft, ist der Ansatz von Ortner & Ortner nicht so paradigmatisch wie Podreccas. Die Ausstellung wird mit Fotos von Margherita Spiluttini und Rupert Steiner und mit Modellen ergänzt.

Josef Mikl präsentiert im historischen Gewölbe neben der Mürzzuschlager Kunsthalle Arbeiten zu Nestroy und Raimund. Figuren wie Häuptling Abendwind und Florian Waschblau liefern literarische Quellen für Bildergeschichten. Leicht, wild huschen die Protagonisten über die Blätter, lösen sich aus dem dramatischen Kontext und machen sich ihr eigenes Leben.

Mikl verschafft ihnen ein Epos in Farbe und Bewegung. Man stelle sich den vom Künstler gestalteten Redoutensaal der Wiener Hofburg vor, und daraus gewissermaßen einen Succus oder eine Verfeinerung. Figuren, die aus dieser viel umfassenderen Kulisse hervortreten und sich in Öl und Aquarell ein eigenes Stück spielen.

Man meint, Stimmen zu hören oder Musik, das Knarren der Bühne und die atemlose Spannung der Zuschauer. Eine eigenartige theatralische Transformation des Raums findet statt, die mit der Realität heftig konkurriert.

[ „Architektur an der Peripherie“ in den 80er und 90er Jahren, bis Ende August
Josef Mikl: Arbeiten zu Nestroy und Raimund 1996- 1998, bis 11. Juli ]

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