Artikel

Architektur der Zukunft. Nacherzählt.
Der Standard

Der Holländer Hans Ibelings ruft nun die Supermoderne aus

10. Juli 1999 - Ute Woltron
Die Architektur bedarf der Propheten und Theoretiker, und das Schöne an dieser wilden Disziplin ist, daß alle mit ihren freundlichen oder bissigen, besonnenen oder wütenden Theorien immer irgendwie recht haben. Charles Jencks zum Beispiel hat 1977 mit dem Buch The Language of Post-Modern-Architecture als erster die Postmoderne, die wohl populärste - heute allgemein allerdings nicht mehr sonderlich goutierte und deshalb extrem kurzlebige - Architekturströmung der vergangenen Jahrzehnte ausgerufen. Er hat sie damit freilich nicht erfunden, denn auch die Architektur scheint wie Finken- und Affenarten unaufhaltsam nach den Gesetzen der Evolution über alle Grenzen hinweg in ähnlichen, verwandten Ausformungen zu wachsen und zu gedeihen.

Der Holländer Hans Ibelings ist einer dieser Rufer in der Szene der Architektur. In der Publikation Supermodernism. Architecture in the Age of Globalization, erschienen bei NAi Publishers (Netherlands Architecture Institute, Rotterdam, 1998) macht er sich Gedanken über den Einfluß der Globalisierung auf die Weltarchitektur und kommt zu dem Schluß: Obwohl ihr allgemein die Negativtendenz der Gleichmacherei und der unerwünschten allgemeinen Homogenisierung der menschlichen Lebenswelt nachgesagt wird, gerate sie der Architektur eindeutig zum Vorteil und habe - zum Beweis - in den vergangenen Jahren weltweit eine ganz spezielle neutrale Superarchitektur produziert.

Ibelings untermauert seine haarfein herbeiargumentierten Thesen natürlich mit allerhand Beispielen. Er geizt auch nicht mit den Namen der momentan Großen der Branche, doch ordnet er keinen Architekten der von ihm ausgerufenen neuen Strömung direkt unter. Im Gegenteil: Sie alle, ob Rem Koolhaas oder Jean Nouvel, Dominique Perrault oder Herzog & De Meuron, sind individueller Teil des ausgerufenen Supermodernismus-Ganzen und beweisen es durch ihre Unabhängigkeit und ihren jeweiligen Individualismus.

Ibelings Supermodernism ist ein sehr unterhaltsam geschriebenes kleines Buch über die Architektur, die da ist und die Architektur, die da kommen mag. Es hält sich nicht bei belanglosen Formalismen auf, sondern beschreibt das Häuserbauen in seinen gesellschaftlichen Grundfesten. Das wird nicht nur die Fachleute interessieren, und das ist genau der Grund, warum die Propheten und die Theoretiker dieser wilden Disziplin Architektur so wichtig sind

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: