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Villa Rezek: Wie restauriert man seriös?
Spectrum

Jahrzehntelang fristete die Villa Rezek von Architekt Hans Glas in Wien-Währing ein Dornröschendasein – nun wird sie sorgfältig restauriert. Dabei wird auch die Bauhistorie untersucht.

19. Januar 2022
Die Villa Rezek, ein Hauptwerk von Architekt Hans Glas, hatte Glück: 2010 wurde das atemberaubend großzügige, lichtdurchflutete Terrassenhaus des Baujahres 1933 unter Denkmalschutz gestellt. Erstaunlich spät, könnte man meinen. Früh genug, um es für die Nachwelt zu retten. „Ein Abbruch wäre für einen Investor sehr reizvoll gewesen, das erforderte eine rasche Unterschutzstellung“, so Wolfgang Salcher, stellvertretender Leiter der Abteilung Wien im Bundesdenkmalamt. Die Villa liegt sehr versteckt im vornehmen Wiener Bezirk Währing über Pötzleinsdorf. 229 Quadratmeter Baufläche, 975 Quadratmeter Garten. 2019 erwarb sie ein Bauherr, der sich ihres Wertes bewusst ist, und beauftragte Max Eisenköck mit einer Sanierung – wieder als Wohnhaus. Ein Glücksfall.

Jahrzehntelang hatte die Villa Rezek den Wahrnehmungsradius der einschlägigen Fachwelt nicht einmal tangiert. Friedrich Achleitner war sie aber bei seiner Feldforschung nach architekturhistorischen Kleinodien nicht entgangen: „Eines der bedeutendsten und wohl auch mysteriösesten Wiener Häuser der frühen Dreißigerjahre. Schon der Name des Architekten wirkt wie ein Pseudonym“, steht in seinem Standardwerk „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“. „Das Haus selbst zeigt in der inneren Wegführung und in der rigorosen Terrassierung des Baukörpers eine gewisse Nähe zu Adolf Loos, wirkt aber in der allgemeinen Gestik etwas freier. Interessant ist auch, dass die Terrassierung sowohl nach Osten (quer zum Hang) als auch nach Süden (mit dem Hang) durchgeführt wurde.“ Grundriss und Foto ergänzen den Text: ein Ritterschlag in dem komprimierten Werk.

Die Wiener Moderne war Forschungsschwerpunkt von Architekturhistorikerin und „Spectrum“-Autorin Iris Meder. Die Villa Rezek rezipierte den internationalen Stil sehr früh, Architekt und Bauherren bezeugen die immense Bedeutung des jüdischen Bürgertums für die Moderne in Wien – und dessen Ausrottung. Meder verfasste das Gutachten, das die Basis der Unterschutzstellung bildete. Seit 2020 wird die Villa als Best-Practice-Beispiel der Denkmalpflege restauriert. „Erstmals folgen wir hier einem Conservation Management Plan (CMP). Alle Stakeholder – Bundesdenkmalamt, Restauratorinnen, Eigentümer, Architekt – sind in die Lösungsfindung eingebunden“, so Salcher.

Die Rolle der Architektenteams ist essenziell, denn Parameter wie Barrierefreiheit, Fluchtwege, Statik, Haustechnik, Brandschutz sind kaum verhandelbar. Der CMP umfasst auch die künftige Erhaltung und Vermittlung des Denkmals, er ist quasi ein Wartungsbuch. Das Bundesdenkmalamt subventionierte ebenso die wissenschaftliche Untersuchung von Bauhistorie, Putz, Stein, Beton, Holz und Metall. Restauratorin Claudia Riff-Podgorschek befundete die Wandflächen: Der originale Putz war beige-sandfarben. Die Vorstellung einer „weißen Moderne“ ist vor allem der Schwarz-Weiß-Fotografie ihrer Zeit geschuldet, die Villa Rezek trägt nun wieder Ocker. „Wir brachten den Kratzputz auf Kalkbasis in historischer Technik auf“, sagt Eisenköck, „ohne Zement, ohne Kunstharz, diese Wand atmet.“ Vollwärmeschutz gibt es keinen – dafür schlanke Vordächer. „Man kann so ein Haus nicht komplett einpacken, ein Oldtimer wird mit einem E-Motor auch nicht nachhaltiger.“ Details sind in der reduzierten Formensprache der Moderne besonders wichtig. Eisenköck untersucht und rekonstruiert sie akribisch. Die Steinbrüstung der Treppe, die sich so hochelegant von der Halle – mit Blick in den Wohnsalon und einem Richtungswechsel in den ersten Stock – windet, ist rekonstruiert. „Wie saniert man solche Details seriös? Man kann sich über Fotos mit Beschreibungstext oder das Studium anderer Objekte der Bauzeit annähern und je nach Priorität Rückschlüsse ziehen.“ Eisenköck hat viele Bauten besucht und ist einschlägig belesen. „Bei dieser Brüstung haben wir zwei Marmorplatten im Fuchsbau des Gartens gefunden. Dank der Löcher der Schrauben, mit denen der Metallkorb für die Pflanzen befestigt war, konnten wir sie richtig zuordnen.“ Die Villa Rezek war oft publiziert: Die britische Kunstzeitschrift „The Studio“ brachte 1936 einen Beitrag mit Fotos von Franz Mayer, die auch das Innere zeigten. Materialien, Farben, Möbel, alles war genau beschrieben. So erfuhr man, dass Schmutzwäsche durch Rohre von den oberen Etagen in die Wäscherei befördert wurde und Sonnenterrassen mit Duschen ausgestattet waren.

Souverän nimmt die streng abgetreppte, aus mehreren gestapelten Quadern komponierte Villa mit vier Wohn- und einem Untergeschoß das Gelände so in Besitz, dass sich das Panorama über die sonnenbeschienene Stadt wie auf dem Serviertablett präsentiert. Jede Ebene hat eine Terrasse, seitlich treppen sich zwei kaskadenartige Außenstiegen den Hang hoch, für den es von Gartenarchitekt Albert Esch einen Bepflanzungsplan gab. Den Wintergarten kann man mit etwas gutem Willen als Variation des Wintergartens der Villa Tugendhat von Mies van der Rohe in Brünn (1929/30) interpretieren. Dort reicht er über die gesamte Schmalseite der Wohnebene, in Wien ist er am Eck eingeschnitten. Parallelen lassen sich finden. So waren auch die Fenster des Wintergartens der Villa Rezek zur Gänze im Boden zu versenken. Dass sich die Scheiben vor die Wände des darunterliegenden Dienstbotenzimmers schoben, störte keinen.

Wie die Familie Tugendhat kam auch das Ärztepaar Rezek aus dem assimilierten jüdischen Bürgertum. Philipp Rezek ordinierte in der Bibliothek mit angeschlossenem Laboratorium. Anna Rezek war Teilhaberin der Papierfabrik Bunzl & Biach, für Hugo Bunzl plante Josef Frank 1935 eine Villa. Einige Familienmitglieder kamen in Konzentrationslagern um, dem Ehepaar Rezek gelang mit ihren zwei Töchtern 1938 die Flucht, Architekt Glas ging nach Kalkutta.

Die Rollladenkästen der Fenster, die in den Parapeten des Wohn- und Esssalons verschwinden konnten, waren noch im Original vorhanden. Es sind „Nikolaus Patentschiebefenster“, wie es sie damals in vielen Lungenheilanstalten gab. Mit der Tischlerei Sadofsky arbeiteten Architekt und Restaurator an einer Rekonstruktion des Mechanismus. Beim dritten Prototyp klappte es.

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